Verbraucherinnen und Verbraucher sehen sich derzeit europaweit mit immer weiter steigenden Gas- und Strompreisen konfrontiert. Zum einen steigt momentan die weltweite Nachfrage, zum anderen sind in Europa die Speicher unterdurchschnittlich gefüllt. Zwar droht nach Angaben der Regierung kein Versorgungsengpass, jedoch erhöhen immer mehr Versorger ihre Preise.
Angesichts der hohen Energiepreise fordern Mieterbund und Verbraucherschützer eine rasche Entlastung vor allem einkommensschwacher Haushalten. "Ohne ein Gegensteuern der neuen Regierung droht eine Nebenkostenexplosion", warnen der Deutsche Mieterbund und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) am Donnerstag. Der Eigentümerverband Haus & Grund verlangt eine Senkung der Steuern auf Gas.
"Mieterinnen und Mieter leiden unter den höchsten Strompreisen in Europa, den aktuellen Preissprüngen auf dem Öl- und Gasmarkt und der vollen CO2-Preis-Umlage für Heizung und Warmwasser", beklagten Mieterbund und vzbv. Strom- und Gassperren für Haushalte, die ihre Rechnung nicht zahlen können, müssten verhindert werden.
Der Eigentümerverband Haus & Grund fordert, die CO2-Bepreisung für die kommenden sechs Monate - also die Heizperiode - ganz auszusetzen. Außerdem müssten die Steuern auf Gas um 50 Prozent gesenkt werden. So erklärt der Verbandspräsident Kai Warnecke:
Die Umwelthilfe schloss sich den Forderungen nach einer Senkung der Stromsteuer an und mahnt außerdem einen konsequenten Ausbau der Erneuerbaren an. Sie fordert zudem eine Senkung der Ökostrom-Umlage (EEG-Umlage) aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung.
Die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms sinkt 2022 auf den niedrigsten Stand seit zehn Jahren. Wie die Betreiber der großen Stromnetze am Freitag bekanntgaben, liegt die Umlage im kommenden Jahr bei 3,723 Cent pro Kilowattstunde. Sie sinke damit um 2,777 Cent gegenüber dem Vorjahr. Dazu trägt auch ein Bundeszuschuss von 3,25 Milliarden Euro bei, der ausschließlich aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung im Verkehrs- und Wärmebereich finanziert werde. Ohne diesen Zuschuss läge die EEG-Umlage 2022 bei 4,657 Cent.
Dazu äußerte sich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Freitag. Er sprach sich dafür aus, die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms so schnell wie möglich komplett abzuschaffen, um Stromkunden zu entlasten:
Die seit dem Jahr 2000 erhobene EEG-Umlage finanziert den Ausbau der erneuerbaren Energien. Betreiber von Ökostrom-Anlagen, die Strom in das Netz der öffentlichen Versorgung einspeisen, erhalten dafür eine festgelegte Vergütung. Die Übertragungsnetzbetreiber verkaufen den eingespeisten Strom an der Strombörse. Da die Preise an der Börse unter den gesetzlich festgelegten Vergütungssätzen liegen, wird den Netzbetreibern der Differenzbetrag erstattet. Steigt der Börsenpreis, sinkt die Umlage.
Die EEG-Umlage ist allerdings nur ein Bestandteil des Strompreises. In der Branche wird damit gerechnet, dass eine sinkende Umlage die Strompreise zwar insgesamt stabilisiert, die Stromkosten aber unterm Strich nicht sinken. Auf der anderen Seite nämlich sind etwa Beschaffungskosten, die die Energieversorger für Strom zahlen müssen, deutlich gestiegen.
Die EU-Kommission hatte am Mittwoch Empfehlungen an die Mitgliedstaaten vorgelegt, wie eine Entlastung für Verbraucher erreicht werden kann. Sie schlug etwa Gutscheine für einkommensschwache Haushalte oder gezielte Steuersenkungen vor. Außerdem müssten Erneuerbare Energien ausgebaut und die Speicherkapazitäten gestärkt werden.
Auch der Sozialverband VdK fordert von der Bundesregierung dringend einen sozialen Ausgleich für die gestiegenen Strom- und Energiepreise. Einkommensschwache bräuchten "Einmalbeihilfen für die Anschaffung von stromsparenden Elektro-Großgeräten", sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitag).
Zudem müssten die tatsächlichen Energiepreise bei der Berechnung des Wohngeldes berücksichtigt werden. Die Energiepreise seien für Menschen mit geringem Einkommen und Grundsicherungsempfänger ein riesiges Problem:
Diese Thematik geht auch an den Ampel-Sondierungen nicht vorbei. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch fordert von den Sondierern für eine Ampel-Koalition Vorschläge zur Lösung des Problems steigender Energiepreise. Hier müsse endlich gehandelt werden, sagte Bartsch am Freitag im ARD-"Morgenmagazin". Der größte Anteil etwa der Preise für Diesel und Benzin seien Steuern und Abgaben, hier könne politisch angesetzt werden müssen. Bartsch begrüßt die Senkung der Umlage zur Förderung der Erneuerbaren Energien:
Auch der noch amtierende Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte sich dafür ausgesprochen, über Steuern und Abgaben gegen die steigenden Preise vorzugehen. Bartsch warf Scheuer hingegen Untätigkeit vor. Der CSU-Politiker sei vier Jahre Minister gewesen, es verwundere, dass er nun nach der Bundestagswahl politisches Handeln fordere. "Lange hätte diese alte Koalition agieren müssen bei den Spritpreisen, bei den Strompreisen", so Bartsch.
Sollten die Energie- und vor allem Kraftstoffpreise weiter steigen, so fordert auch Andreas Scheuer Maßnahmen. Der Verkehrsminister hat Finanzminister Olaf Scholz aufgefordert, kurzfristig wirksame Gegenmaßnahmen vorzubereiten. Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen müssten dann finanziell entlastet werden, schreibt Scheuer (CSU) in einem Brief an Scholz (SPD). Dass Mobilität bezahlbar bleibt, diene einem "gemeinsamen Ansatz", so Scheuer. Das Schreiben liegt der Deutschen Presse-Agentur aus Regierungskreisen vor.
"Im Moment liegen wir beim Kraftstoffpreis zwar noch deutlich unter zwei Euro", schreibt Scheuer. Der Liter E10 etwa koste aktuell um die 1,65 Euro, der Liter Diesel um die 1,50 Euro, nur einzelne "Hochleistungskraftstoffe" kämen in die Nähe der 2-Euro-Marke. "Sollte jedoch auch der normale Benzinpreis in diesem Jahr noch die 2-Euro-Marke überschreiten, wäre dieser Anstieg in kürzester Zeit für viele Menschen nicht mehr tragbar - trotz unserer erreichten Fortschritte bei der Marktdurchdringung alternativer Antriebe."
(lc/dpa/afp)