Der SPD-Epidemiologe Karl Lauterbach nennt Ausgagssperre "ultima Ratio".Bild: imago images / Christian Spicker
Deutschland
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hält
eine nächtliche Ausgangssperre zur Eindämmung der Corona-Pandemie
noch nicht für zwingend notwendig. Bei weiterhin rasant steigenden
Fallzahlen dürfte sie aber kaum zu vermeiden sein, warnte der
studierte Epidemiologe am Sonntagabend bei "Bild live". Grund dafür
sei, dass die sich ausbreitende Corona-Mutation B.1.1.7 auf einen
Monat betrachtet "vier- bis achtmal so ansteckend" sei wie das
bisherige Virus.
"Bisher ist es keinem Land gelungen, die viel schnellere Pandemie
mit dieser Mutation in den Griff zu bekommen, ohne dass es
Ausgangsbeschränkungen im Lockdown gegeben hätte", sagte Lauterbach.
Gleichwohl müsse klar sein: "Ausgangsbeschränkungen sind die Ultima
Ratio, man muss versuchen, das zu verhindern." Die einzige Chance
dazu biete ein "sehr strenges Testkonzept" mit zwei Tests pro Woche
in allen Schulen und Betrieben. Die Kapazitäten hierfür würden
"gerade fieberhaft aufgebaut".
Bei der heutigen Sitzung könnte die Ausgangssperre beschlossen werden
FDP-Chef Christian Lindner lehnt Ausgangssperren zur Eindämmung
der Pandemie hingegen grundsätzlich ab. Er sagte bei "Bild live":
"Ich halte Ausgangsbeschränkungen immer für unverhältnismäßig, für
eine zu scharfe Freiheitseinschränkung." Außerdem seien sie selbst
aus Gründen des Infektionsschutzes nicht unbedingt sinnvoll: "Wenn
sich Angehörige eines Haushalts draußen an der frischen Luft bewegen,
sehe ich keinen Grund, ihnen das zu untersagen."
Bund und Länder beraten am Montag (14.00 Uhr) über das weitere
Vorgehen in der Pandemie, es könnte auf schärfere
Corona-Beschränkungen bis in die Osterzeit hinauslaufen. Ein
Beschlussentwurf aus dem Kanzleramt mit Stand 21. März, 17.30 Uhr,
enthält auch eine besonders strittige Passage, die wegen des
exponentiellen Fallzahlenwachstums weitere Verschärfungen für
Landkreise mit einer Sieben-Tages-Inzidenz von mehr als 100 vorsieht.
Unter anderem ist dort die Rede von einer nächtlichen
Ausgangsbeschränkung bis 5 Uhr, "sofern dem nicht gewichtige
Gründe entgegenstehen". Die Anfangsuhrzeit ist hier offen gelassen –auch sie müsste verhandelt werden.
Bereits jetzt sind die Intensivstationen überfüllt
Die laut dem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Entwurf
geplante Verlängerung des Lockdowns bis zum 18. April ist nach
Überzeugung Lauterbachs "ohne Wenn und Aber nötig". Ansonsten würden
sich die Sterbezahlen verdoppeln. "Wir haben zu Beginn der dritten
Welle mehr Patienten auf den Intensivstationen mit Covid-19 als zum
Ende der ersten Welle. Wir sind also mehr oder weniger schon voll,
bevor es losgeht." Niederschlagen dürfte sich das auch bei den
Todeszahlen: "Jeder Zweite stirbt, der beatmet werden muss, auch bei
den Jüngeren."
(lfr/dpa)
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