Die Bilder zeugen von Leid. Drei Männer versuchen, eine lahmende Kuh per Schlinge auf einen Transporter zu ziehen. Dann rammen sie dem Tier einen spitzen Gegenstand in die Flanke, um es zum Spuren zu bringen. Aber die Kuh ist zu schwach, ihre Qual zu groß. Beschafft hat das Video die Tierrechtsorganisation "Soko Tierschutz" – als erste berichteten die Süddeutsche Zeitung und Report Mainz am Dienstag über den Fall in einem Großbetrieb im Allgäu. Aufnahmen aus den Ställen belegen laut diesen Recherchen, wie einer der größten bayerischen Milchbauern auf seinem Hof seine Tiere quält und leiden lässt.
So große Aufmerksamkeit zog der Zwischenfall auf sich, dass sich das Verbraucherschutzministerium in Bayern eingeschaltet hat. Nach eigenen Angaben kontrolliert es jetzt, was das Zeug hält. Die "Soko Tierschutz" liefert derweil weiteres Material, dokumentiert noch mehr Tierquälerei. Offenbar sei sogar das Fleisch von kranken Kühen im Supermarkt gelandet – von verletzten Kühen, von ausgehungerten Kühen, von sterbenden Kühen. Man denkt sich: "Widerlich!" Man fragt sich: "Wie kann das bloß sein, dass solche Fälle immer wieder bekannt werden?" und: "Können wir als Verbraucher eigentlich etwas tun"?
All diese Fragen lassen sich zumindest zum Teil beantworten.
Die Landwirte stehen unter Druck, also auch ihre Tiere
Am anderen Ende Deutschlands arbeitet einer, der sich seit Jahren mit dem problematischen System der Kuh-Zucht in Deutschland auseinandersetzt. Edgar Schallenberger war Professor für Tierhaltung an der Universität Kiel. Heute ist der gebürtige Bayer Vertrauensmann für Tierschutz in der Landwirtschaft für das Land Schleswig-Hollstein. Er und andere Experten zeigen seit Jahren mit dem Finger auf die grotesk günstigen Preise von Fleisch und Milch im deutschen Handel.
Schallenberger kennt die dadurch entstehenden Probleme auch deshalb so gut, weil er als Vertrauensmann zwischen all jenen zu vermitteln versucht, die darauf Einfluss haben: Zwischen Verbrauchern, Bauern, Molkereien, Händlern, Landesregierungen.
Der Experte ist dabei sicher: "Die meisten Landwirte versuchen, einen guten Job zu machen." Bei vielen Bauernhöfen aber sei der wirtschaftliche Druck in den vergangenen Jahren so stark gewachsen, dass die Besitzer sich selbst und dann auch ihre Tiere vernachlässigen würden.
Schallenberger sagt:
"Erst verroht der Mensch, dann sein Tier."
watson
Der Grund: Das Milch-System ist krank
Das Problem ist lange bekannt: Lebensmittel in deutschen Supermärkten sind zu günstig. Dadurch entsteht eine bis zum Bersten gespannte Liefer-Kette. An ihrem unteren Ende steht die Kuh, am oberen Ende der Verbraucher. Dazwischen kommen als verbindende Glieder die Bauern, die Molkereien und die Händler Aldi, Lidl, Norma etc.
Die Bauern stehen vor einem Dilemma, denn ihre Milch ist immer weniger Wert. Sie müssten rund 40 Cent pro Liter verdienen, um ansatzweise wirtschaftlich produzieren zu können. Mancherorts bezahlen die Molkereien aber weniger als 30 Cent. Fazit: Die Bauern müssen immer mehr produzieren, oder sie verschwinden vom Markt. Eine Strafe für Überproduktion gibt es nicht mehr.
Die genossenschaftlich organisierten Molkereien wiederum richten ihre Preise an den Discounter-Kunden aus und kaufen selbst massenhaft zum Niedrigstpreis ein.
Aldi, Lidl und Co. bezahlen den Molkereien ebenfalls Niedrigstpreise, damit sie im harten Wettbewerb um die Kunden die günstigste Ware in die Regale stellen können.
Eine wachsende Zahl an Kunden greift zwar zur teureren Bio-Milch, die eine fairere Vergütung der Bauern verspricht. Die meisten bleiben aber bei den günstigen Angeboten. "Milch bleibt eine austauschbare Ware", sagt Schallenberger. "Die Leute haben Smartphone-Verträge für 40 Euro, sind aber nicht bereit, mehr für den Liter zu bezahlen."
Fazit
Vom Bauern bis zum Kunden sorgen alle für Druck auf die Produktionskette. Nur die Kuh selbst kann nichts dafür. Bauernhöfe müssen massiv wachsen, damit sie nicht aus dem Geschäft gedrängt werden.
Schallenberger sagt:
"Das führt zu schlechterem Personal, schlechterer Übersicht und auch ganz privatem Druck auf die Bauern"
Ganz ähnlich sehe es auch mit der Fleischproduktion aus.
"Und dann tauchen am Ende solche Fälle von Tierquälerei in der Öffentlichkeit auf. Sie sind Ausdruck dieses Drucks und der damit einhergehenden Verrohung der Landwirte."
Bio-Label alleine sind nur ein Anfang
Wer als Verbraucher in den Supermarkt geht, kann natürlich auf so genannte "Label" achten. Strenge Vorschriften zum Tierschutz gibt es etwa für alle Produkte, über denen "Heumilch" oder "Biomilch" steht.
Nicht geschützt sind dagegen Bezeichnungen wie Weidemilch, Landmilch oder Alpenmilch – bei diesen Labels handelt es sich häufig um Eigenangaben von Herstellern. Je transparenter ein Anbieter diese macht, desto eher kann man ihm beim Einkauf vertrauen. Sicherheit gibt es aber keine.
"Die Labels sind ein guter Anfang für die Verbraucher, aber mit ihnen alleine können sie nicht verhindern, dass ein Bauer in Bayern seine Tiere quält", erklärt Edna Hillmann gegenüber watson. Sie leitet die Abteilung für Tierhaltungssysteme und Ethologie an der Humboldt-Universität inBerlin und fordert:
Die Kontrollen durch die Veterinärämter müssten engmaschiger und häufiger stattfinden und im Problemfall auch Konsequenzen haben. "Die Gesetze sind da, sie müssen umgesetzt werden."
Die Bundesländer müssten ihre Tierschutzämter stärker besetzen, um sowohl die immer größer werdenden Landwirtschaftsbetriebe, als auch die unter Druck stehenden Kleinbetriebe besser unter Kontrolle zu behalten.
Auch bei den Verbrauchern müsse Fleisch und Milch mehr zu einem Statussymbol werden. "Bei einem Wein lese ich mir ja auch genau durch, wo er herkommt und ich bin bereit, seinen Preis zu bezahlen."
Nur so könne die angespannte Kette irgendwann durchbrochen werden, die am Ende mit für das Leid der Kühe verantwortlich ist. "In dem Moment, in dem sein Tier wieder wertvoll wird, passt der Landwirt oder die Landwirtin auch wieder besser darauf auf", sagt Hillmann.
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