SPD-Chefin Saskia Esken hatte im Bundestag Anfang März gegen einen Grünen-Antrag zur Aufnahme von Flüchtlingen aus griechischen Lagern gestimmt.Bild: dpa / Gregor Fischer
Deutschland
09.09.2020, 15:1909.09.2020, 17:16
Der Brand, der das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Mittelmeerinsel Lesbos weitgehend zerstört hat, sorgt europaweit für Entsetzen. Die dramatischen Zustände in dem Lager sind seit Monaten bekannt: Für 2800 Personen ist Moria eigentlich gebaut. Laut dem griechischen Migrationsministerium waren es zuletzt 12.600 Menschen, die dort ausharrten.
Die hygienischen Bedingungen sind katastrophal: Bis zu 1300 Menschen mussten sich dort laut "Ärzte ohne Grenzen" eine Wasserquelle teilen, bis zu 160 Menschen eine Toilette. Im März starb bei einem Brand ein sechsjähriges Mädchen. Nichtregierungsorganisationen berichten seit Monaten übereinstimmend, dass in Moria sogar Kinder von Selbstmord redeten und sich selbst verletzten, weil ihr Alltag so düster und ihre Lage so ausweglos seien.
Vor diesem Hintergrund hat die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken nach dem Brand in Moria auf Twitter gefordert, "umgehend Hilfe vor Ort" zu leisten, man müsse die Menschen "da rausholen".
Für diesen Tweet erntete Esken Empörung. Der Vorwurf: Heuchelei. Denn die Bundestagsabgeordnete Esken, darauf wiesen mehrere Menschen hin, hatte am 4. März im Bundestag gegen einen Antrag der Grünen-Fraktion zur Aufnahme von Geflüchteten aus Moria gestimmt.
Was hinter der Empörung steckt
Eine der Forderungen im damaligen Grünen-Antrag: die Aufnahme von 5.000 besonders schutzbedürftiger Menschen aus dem Lager Moria, "beispielsweise unbegleitete Kinder, Schwangere, alleinreisende Frauen, Alleinerziehende und schwer Traumatisierte", wie im Antrag steht. Esken stimmte – wie fast die gesamte SPD-Fraktion und die allermeisten Abgeordneten von CDU/CSU, FDP und AfD – gegen den Antrag.
Der Antrag (hier das Originaldokument) umfasste damals außerdem Forderungen, den Familiennachzug für Flüchtlinge in griechischen Lagern "zügig und unbürokratisch" zu ermöglichen und die griechischen Behörden vor Ort besser zu unterstützen.
Warum die Partei dagegen stimmte? Dafür führen SPD-Abgeordnete vor allem zwei Gründe an.
Zum einen hätte ein Votum für den Antrag der Grünen, also einer Oppositionsfraktion und gegen die Union, also den Regierungspartner, wohl eine schwere Krise in der großen Koalition ausgelöst. Mit diesem Argument hat Esken am Mittwoch ihre damalige Entscheidung verteidigt.
Der zweite Grund, mit dem SPD-Politiker ihre damalige Ablehnung des Grünen-Antrags erklären: Eine Aufnahme von Flüchtlingen nur seitens Deutschlands wäre ein nationaler Alleingang gewesen. Und ein solcher Alleingang hätte ein Abkommen mehrerer europäischer Länder behindert.
Die SPD-Abgeordnete Eva Högl sagte am 4. März in der Debatte über den Antrag (hier das Bundestagsprotokoll):
"So eine europäische Lösung ist überhaupt nicht in ab-soluter Ferne. Einzelne Mitgliedstaaten haben sich schon bereit erklärt. Frankreich, Portugal, Finnland haben schon ihre Bereitschaft erklärt. Das ist eine gute Basis, um in Europa weiter daran zu arbeiten. Deswegen stimmen wir heute dem Antrag der Grünen explizit nicht zu. Da steht zwar viel Richtiges drin, in der jetzigen Situation hilft es aber überhaupt nicht weiter, diesen Antrag zu beschließen."
Außerdem warf Högl den Grünen "taktische Spielchen" vor, weil die Fraktion eine namentliche Abstimmung beantragt hatte. Solche "Spielchen" lehne man ab.
SPD-Chefin Esken selbst schrieb damals auf Twitter:
Die Abkürzung EU-IMK steht hier für das damalige Treffen der Innenminister der EU-Staaten, an dem Horst Seehofer teilnahm.
Seit Monaten gibt es weitere politische Initiativen aus Deutschland, um Menschen aus Moria aufzunehmen. Im April wurden dann tatsächlich 50 Kinder aus dem Lager nach Deutschland gebracht. Mehrere Bundesländer und Kommunen haben sich dazu bereiterklärt, weitere Menschen aufzunehmen.
SPD-Chefin Esken fordert weiterhin beides: Dass die Bundesregierung Menschen aus Moria aufnimmt – und dass Innenminister Seehofer mit den Kollegen aus anderen EU-Staaten an einer europäischen Lösung arbeitet.
(se)
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