Gegen den ausdrücklichen Willen von CDU-Chefin Annegret
Kramp-Karrenbauer stimmt die Junge Union für mehr Mitsprache der
Partei bei der Suche nach einem künftigen Kanzlerkandidaten.
Der Antrag erhielt bei dem Treffen in Saarbrücken mit 170 von 277 gültigen Stimmen
eine klare Mehrheit von gut 60 Prozent. 107 Delegierte stimmten mit
Nein. Parteichefin Kramp-Karrenbauer hatte sich klar gegen eine Urwahl gestellt.
Zuvor hatte Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) die Union im Urwahlstreit auf dem JU-Kongress zum Zusammenhalt aufgerufen und sein weiteres Engagement für die CDU angekündigt. Die Delegierten feierten ihn dafür fast wie einen Popstar. Für etliche unter ihnen gilt er offenbar weiterhin als großer Hoffnungsträger der Union.
Die Entscheidung der JU für eine Urwahl bedeutet noch nicht, dass ein solches Verfahren Wirklichkeit wird. Zum einen ist neben CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer auch der CSU-Vorsitzende Markus Söder dagegen.
Zum anderen ist unklar, wie der CDU-Parteitag Ende November über einen entsprechenden Antrag entscheiden würde. Nach dem Votum der JU dürfte aber klar sein, dass sich der Parteitag in Leipzig am 22. und 23. November mit dem Thema befassen muss.
Merz rief den JU-Delegierten zu, er habe Kramp-Karrenbauer nach deren Wahl zur CDU-Chefin im Dezember 2018 "aus fester und tiefer Überzeugung" zugesagt, ihr "bei dieser schwierigen Aufgabe (...) zu helfen und sie zu unterstützen". "Und zu dieser Zusage stehe ich uneingeschränkt." Es sei klar gewesen, dass Kramp-Karrenbauer auch Fehler machen werde. Auch er hätte im Falle einer Wahl Fehler gemacht, sagte Merz – "wie jeder andere in diesem Amt auch". Auf den Zwischenruf aus den Reihen der Delegierte, dass dies nicht der Fall gewesen wäre, antwortet Merz eindringlich: "Doch, doch."
Die CDU werde in ihrer ganzen Breite und Tiefe gebraucht, mahnte Merz, der vom Unionsnachwuchs mit großem Beifall empfangen worden war. "Und da müssen wir alle mithelfen." Vielleicht werde es irgendwann am Jahreswechsel, Anfang 2020, Ende 2020 aber spätestens Ende 2021 eine Bundestagswahl geben. "Bei dieser Bundestagswahl kommt es darauf an, dass die Union mit spannenden inhaltlichen Aussagen, mit einem überzeugenden Team sich der Verantwortung dem Wähler gegenüber stellt und um die Mehrheit in Deutschland ringt", rief Merz. "Und dazu muss jeder von uns an jedem Platz beitragen."
Merz war kurzfristig auf die Rednerliste in Saarbrücken gesetzt worden. Zum Ende seiner Rede rief der Sauerländer den Delegierten zu: "Wie freiheitlich und wie menschlich wir die Zukunft unseres Landes und der EU gestalten, diese Verantwortung liegt auf Deutschland und in Deutschland auf CDU und CSU. Wir werden die politische Auseinandersetzung darum führen müssen. Und wenn Sie wollen, dass ich dabei bin, dann bin ich dabei." Die Delegierten reagierten mit lang anhaltendem Applaus und "Friedrich, Friedrich"-Rufen. Sie sangen: "Oh, wie ist das schön. Sowas hat man lange nicht gesehen."
JU-Chef Tilman Kuban sagte: "Wir danken Ihnen, dass Sie zurück sind auf der CDU-Bühne." Merz sei ein kluger Kopf, den die CDU brauche und der der Partei gut tue.
Kramp-Karrenbauer hatte ihre Partei zuvor bei einer Auslandsreise als Verteidigungsministerin angesichts der Urwahl-Debatte vor lähmender Selbstbeschäftigung und Personaldebatten gewarnt. "Ich selbst bin eine wirklich tiefe, überzeugte Verfechterin des repräsentativen Systems", sagte sie in der lettischen Hauptstadt Riga. Ihre Ablehnung gelte "für das Parlament, das gilt aber auch für die Entscheidungen in meiner eigenen Partei. Das war so und das ist auch so."
Es stehe der JU frei, ihren Beschluss beim CDU-Bundesparteitag Ende November in Leipzig einzubringen, sagte Kramp-Karrenbauer. Im "Tagesspiegel" sagte sie ergänzend: "Im Übrigen habe ich im letzten Jahr gezeigt, dass ich vor keinem demokratischen Auswahlverfahren Angst haben muss." Im Kampf um den CDU-Vorsitz hatte sie sich gegen Friedrich Merz und Jens Spahn durchgesetzt.
Rückendeckung erhielt Kramp-Karrenbauer von CSU-Chef Markus Söder, der sich im "Spiegel" ebenfalls gegen eine Urwahl aussprach. "Sie verstößt gegen die Idee einer gemeinsamen Entscheidung von CDU und CSU." Es könne nicht sein, "dass eine Unionsschwester per Urwahl einen Kanzlerkandidaten bestimmt und die andere das nur noch abnicken kann". Zu seinen eigenen Ambitionen auf eine mögliche Kanzlerkandidatur hält sich Söder laut "Spiegel" bedeckt.
Den JU-Delegierten lagen ursprünglich mehrere Anträge zur Urwahl vor. Einer forderte etwa mehr Mitsprache der Basis, ein weiterer sprach sich für die Urwahl bei der Kanzlerkandidatur aus, und ein anderer Antrag wollte sowohl den Parteivorsitz wie auch die Kanzlerkandidatur über eine Urwahl bestimmen. Die Antragskommission des JU-Deutschlandtages, die sich aus Abgesandten aller Landesverbände zusammensetzt, hatte sich für eine Ablehnung aller entsprechenden Anträge ausgesprochen.
(pb/dpa)