Die Idee klingt für viele Arbeitnehmende verheißungsvoll: Statt fünf Tagen nur noch vier Tage arbeiten – bei vollem Lohnausgleich. Für viele Briten ist dieser Traum schon im vergangenen Jahr Realität geworden. Im Rahmen eines Pilotprojektes mussten Tausende nur noch vier Tage arbeiten.
Das abschließende Fazit: Mehr als vier von fünf der teilnehmenden Unternehmen wollen an dem Konzept festhalten. 56 von 61 Arbeitgebern teilten nach Ende der Testphase mit, die Vier-Tage-Woche beibehalten zu wollen – 18 bestätigten das Konzept sogar bereits als dauerhaft eingeführt.
Es macht den Anschein, als sei die Arbeitszeitverkürzung keine schlechte Idee. Arbeitspsychologe Dieter Zapf erklärte in einem früheren Gespräch mit watson außerdem, dass eine Wochenarbeitszeit von mehr als 40 Stunden in der Woche enorme Auswirkungen auf die Gesundheit der Arbeitenden hätte. Gleichzeitig würden zwei Tage Wochenende oft nicht reichen, die Erschöpfung, die sich über die Woche aufgebaut hätte, wieder abzubauen. Meint: Ein Tag mehr frei hilft.
Trotzdem fällt die deutsche Wirtschaft eher mit der Forderung nach dem genauen Gegenteil auf. Im vergangenen Jahr erklärte Siegfried Russwurm, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), die Wochenarbeitszeit müsse auf 42 Stunden angehoben werden – nur so könne dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden.
Eine Idee, der sich eine Gewerkschaft nun diametral entgegenstellt. Der Verhandlungsführer der IG Metall in der nordwestdeutschen Stahlindustrie, Knut Giesler, will mit der Forderung nach Einführung der Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich in die kommende Tarifrunde gehen.
"Wir wollen eine echte Entlastung für die Beschäftigten erreichen, ohne dass sie deshalb weniger verdienen", sagte Giesler der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung". Ein solcher Schritt wäre nach seinen Worten ein großer Fortschritt für die Lebensqualität und die Gesundheit der Beschäftigten.
In der nordwestdeutschen Stahlindustrie mit den Ländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen und Bremen wird in aller Regel der Pilotabschluss für die gesamte Branche erzielt.
Die bisherigen Rückmeldungen aus den Stahlbelegschaften dazu seien ausgesprochen positiv, sagte Giesler. Gleichzeitig würde die Vier-Tage-Woche die Stahlindustrie nach seiner Einschätzung attraktiver für junge Menschen machen, die beim Umbau der kohlebasierten Schwerindustrie hin zu grünem Stahl in den kommenden Jahren dringend benötigt würden. Zugleich sei die Vier-Tage-Woche auch eine Möglichkeit, die im Zuge des grünen Umbaus der Stahlindustrie zu erwartenden Arbeitsplatzverluste zu verhindern.
Konkret schwebt Giesler dem Bericht zufolge für die Einführung der Vier-Tage-Woche in der Stahlindustrie die Senkung der Wochenarbeitszeit von 35 auf 32 Stunden vor, bei vollem Lohnausgleich. Dies sei in der Verwaltung und im Zwei-Schicht-Betrieb allerdings deutlich einfacher umzusetzen, als im Drei-Schicht-Betrieb.
Die IG Metall geht der Zeitung zufolge davon aus, dass diese Reduzierung eine längere Zeit, womöglich mehrere Jahre, in Anspruch nehmen wird – auch, um die Arbeitgeber bei der Umstellung der Dienst- und Schichtpläne nicht zu überfordern. "Wir brauchen hier längere Einschleichzeiten", sagte Giesler.
Auf Twitter verfängt sich bei vielen User:innen vor allem die Hoffnung, dass die Stahlindustrie bei einer Einführung der verkürzten Arbeitszeit nicht der einzige Sektor bleibt. Manche kündigen sogar an, ihre Profession zu wechseln.
Andere jedoch fühlen sich offensichtlich schon jetzt unfair behandelt. Eine Userin schreibt zum Beispiel: "Ich soll aber mindestens bis 67 arbeiten. Das muss wohl diese Solidarität und dieser Generationenvertrag sein." Ein anderer schimpft: "Was soll das? Alle wollen nur noch Home Office, 4 Tage Woche 25 std. Aber maximale Sozialleistungen!?!?! Wer soll das dann bezahlen? Was ist nur los in diesem Land?"
Klar ist, auch wenn die Gewerkschaft ihre Ziele umsetzen könnte, würde es noch eine Weile dauern, bis sie wirklich konkret würden.
(Mit Material der dpa)