Nach dem Koalitionskrach ist vor dem Koalitionskrach. Vor wenigen Tagen hatten sich die Spitzen der Regierungsparteien im Kanzleramt eingeschlossen, um die aktuellen Knackpunkte und Zankereien beiseite zu legen. Herausgekommen ist ein 16-seitiges-Papier, für das die Ampel von allen Seiten mit Kritik überhäuft wurde.
Aber immerhin: Die Koalitionäre haben die Kompromisse gefunden. Die Eintracht allerdings hat nicht lange angehalten. Vor allem die Grünen zeigten sich unzufrieden mit den abgespeckten Klimazielen. Jetzt aber ist Finanzminister Christian Lindner (FDP) noch einen Schritt weitergegangen – und hat damit erneut die Gemüter der Grünen zum Kochen gebracht.
Der Grund: Lindner will in seinem Haushaltsplan kein Geld für die Kindergrundsicherung freimachen – und hat den Plänen der Familienministerin damit eine Absage erteilt. Im Interview mit der "Bild am Sonntag" nannte Lindner die Kindergrundsicherung als eines der haushaltspolitischen Vorhaben, die "wünschenswert, aber derzeit nicht realisierbar" seien.
Ab 2025 soll die Kindergrundsicherung die staatlichen Leistungen für Familien und Kinder bündeln. Umstritten ist in der Koalition weiterhin, was alles dazugehören soll. Familienministerin Paus will eine Aufstockung, weil die bisherigen Hilfen ihrer Meinung nach Kinderarmut nicht ausreichend bekämpfen. Sie hat deshalb einen Bedarf von zwölf Milliarden Euro angemeldet.
Im Interview mit der Zeitung sagte Lindner:
Da Kinderarmut außerdem vor allem mit Arbeitslosigkeit der Eltern zusammenhänge, sei es wichtiger, diese wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Nach der aktuellen Gesetzeslage wird das Kindergeld, das allen Familien zusteht, bei Bürgergeld-Beziehenden als Einkommen des Kindes angerechnet – also vom Bürgergeld abgezogen. Ein höheres Kindergeld kommt bei armutsbetroffenen Familien im Leistungsbezug also gar nicht an.
Gerade für Armutsbetroffene könnte die Kindergrundsicherung also eine Entlastung sein – zumindest dann, wenn mit ihr auch diese Regel fallen sollte. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung ist in Deutschland mehr als jedes fünfte Kind von Armut bedroht.
Für die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt ist das Argument, es sei aktuell kein Geld da, um das Vorhaben ordentlich umzusetzen, offensichtlich zu schwammig. In einem Tweet macht sie ihrem Ärger Luft und zählt auf, wofür Geld aus dem Finanzamt sehr wohl da ist – und wie Lindner die Familien sonst vertrösten möchte. Sie schreibt: "Es heißt aus Gründen KinderGRUNDsicherung." Und fügt an:
Auch die Umweltaktivistin Luisa Neubauer (Grüne) findet deutliche Worte für das "Nein" des Finanzministers. Sie schreibt, mit dem Verweis auf das Papier aus dem Koalitionsausschuss, mit der klaren Handschrift der FDP:
Der Chef des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, bringt seinen Unmut ebenfalls in einem Tweet auf den Punkt: Es sei "zum Fremdschämen", wenn in Deutschland der Finanzminister erklärt, es sei kein Geld zur Beseitigung von Kinderarmut da – und der SPD-Kanzler dazu schweigt.
Führende SPD-Politiker:innen geben derweil Entwarnung: "Die Kindergrundsicherung kommt", schreibt Katja Mast auf Twitter. Sie ist die erste parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion. Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert erklärte in der Sendung "Frühstart" von RTL/ntv: "Die Kindergrundsicherung soll kommen und wird kommen. Es ist ein zentrales sozialpolitisches Projekt der Koalition."
Dass sich etwas in Sachen Kindersicherung tun muss, darin ist sich die Koalition einig – doch ganz offensichtlich kriselt es in der Umsetzung. Eine Sprecherin des Finanzministeriums sagte am Montag, es gelte jetzt die Verhandlungen zur Kindergrundsicherung abzuwarten. "Es geht ja auch darum, dass man sich darüber verständigt, was versteht man darunter."
(Mit Material der dpa)