Gewalt gegen Frauen ist auch in Deutschland keine Ausnahme. Jede dritte Frau wird laut Angaben des Bundesfamilienministeriums mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer und/oder sexualisierter Gewalt, etwa jede vierte durch ihren (Ex-)Partner. Eine traurige Statistik.
Die politische Haltung des Justizministers Marco Buschmann (FDP) stößt wohl auch deshalb auf Unverständnis: Er unterstützt mit seiner Partei die Blockade Deutschlands einer EU-Richtlinie zum Schutz von Frauen vor Gewalt. Eine Entscheidung, die viele Menschen nicht akzeptieren wollen. Über 100 prominente Frauen wenden sich nun deshalb in einem offenen Brief an die Bundesregierung.
Die Frauen werfen Buschmann vor, er trete die Rechte von Frauen mit Füßen. Unterzeichnet haben prominente Namen aus Kultur, Wirtschaft und Politik. Beteiligt haben sich etwa die Klimaaktivistin Luisa Neubauer, die Autorin Düzen Tekkal, die CDU-Politikerin Wiebke Winter oder die ehemalige SPD-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht.
Auch Prominente aus der Kulturbranche haben sich den Forderungen des Briefs angeschlossen, darunter Model und Schauspielerin Marie Nasemann oder die Schauspielerinnen Wolke Hegenbarth sowie Jansa Frizi Bauer. Initiiert wurde der Brief von Kristina Lunz, der Gründerin des "Center for Feminist Foreign Policy".
Die Frauen bitten in dem offenen Brief, der dem "Spiegel" vorliegt, Justizminister Buschmann und das Kabinett "dringend" darum, ihre Blockade gegenüber der EU-Richtlinie zur EU-weiten Bekämpfung gegen Vergewaltigung aufzugeben. Denn: "Mit dieser Blockade-Haltung steht der Schutz von Millionen von Frauen vor Gewalt in der EU auf dem Spiel."
Die Verfasserinnen finden klare Worte für die Haltung des Justizministeriums: "Frauenrechte werden hier mit mehr als nur Füßen getreten." Weiter steht in dem Brief:
Zu der Blockade äußert sich auch Luisa Neubauer. Sie macht auf Instagram klar, was sie davon hält: "Es ist komplett absurd: Es gäbe die historische Chance, endlich die Gewalt gegen Frauen europaweit zu bekämpfen und ausgerechnet ein deutscher Justizminister blockiert." Sie fordert den Politiker auf, Haltung zu zeigen und den Weg für die EU-Richtlinie freizumachen.
Doch warum stimmt die FDP der EU-Richtlinie zum Schutz von Frauen gegen Gewalt nicht zu? Der Grund dafür seien, wie so oft, juristische Spitzfindigkeiten. Die Bundesregierung hatte dem Beschluss bisher nicht zugestimmt, weil das deutsche Justizministerium einen ganz konkreten Abschnitt kritisiert. Mit diesem will die EU-Kommission den Tatbestand der Vergewaltigung einheitlich regeln.
Als Vergewaltigung sollte demnach jede "nicht einvernehmliche sexuelle Handlung an einer Frau" gelten. Mit dem Vorschlag würde eine "Ja heißt Ja"-Regel zum europaweiten Standard. Da stellt sich die Frage, warum das problematisch sein sollte.
Das deutsche Justizministerium glaubt, dass der Vorschlag der Kommission in diesem Wortlaut nicht mit dem Europarecht vereinbar wäre. Die EU würde mit dem Vergewaltigungsartikel demnach ihre Regelungskompetenz überschreiten. Die deutsche Blockade lässt nun womöglich die ganze Richtlinie scheitern. Für die Verfasserinnen des Offenen Briefs steht fest: Sollte Deutschland der Richtlinie nicht zustimmen, könne das Land sich nicht länger als Vorreiter für Frauenrechte positionieren.