Die Geschichten über jungen Apachen Winnetou gehören bei vielen zu den Kindheitserinnerungen. In den Erzählungen von Autor Karl May kämpft der Held gemeinsam mit seinem Freund "Old Shatterhand" für Gerechtigkeit und Frieden.
Nun soll der Verkauf mehrerer Kinderbücher zum aktuellen Film "Der junge Häuptling Winnetou" gestoppt werden. Das löst eine hitzige Debatte in den sozialen Medien aus – zahlreiche Politiker:innen und bekannte Persönlichkeiten halten ihre Meinung dazu nicht zurück.
Der Verlag Ravensburger hatte bereits Mitte August angekündigt, die "Winnetou"-Bücher zu dem gleichnamigen Kinofilm nicht mehr auszuliefern. Grund dafür sei das Feedback der Nutzer:innen in den sozialen Medien, wie Ravensburger auf Instagram mitteilte. Die "negativen Rückmeldungen" hätten gezeigt, dass man mit den Titeln die Gefühle anderer verletzt habe, da sie "verharmlosende Klischees" über die Behandlung der indigenen Bevölkerung enthielten.
Weiter heißt es in dem Instagram-Post des Verlages, dass die Redakteur:innen sich intensiv mit Themen wie Diversität oder kultureller Aneignung beschäftigten. Mit kultureller Aneignung ist gemeint, dass Menschen sich einer Kultur aneignen, die nicht ihre eigene ist. Bei den "Winnetou"-Büchern habe Ravensburger einen Fehler gemacht.
Die Kommentare unter dem Post zeigen, dass der Schritt des Verlags, die Bücher aus dem Verkauf zu nehmen, mehrheitlich negativ aufgefasst wird. Zahlreiche Kommentare drücken große Empörung aus.
Es sei eine lächerliche Entscheidung, dass der Verlag den Forderungen einer kleinen Gruppe von Wirrköpfen und Ideologen nachgebe, schreibt ein Nutzer. Ravensburger schade sich mit dieser Entscheidung und werde viele Kunden:innen verlieren, heißt es unter anderem.
Auf Twitter melden sich auch zahlreiche bekannten Politiker:innen zu Wort, darunter auch Sigmar Gabriel (SPD). Winnetou sei sein Held gewesen. Als er starb, seien bei ihm die Tränen geflossen. Die Bücher von Karl May hätten ihn nicht zum Rassisten gemacht, daher bleibe "Winnetou" im Bücherregal für seine Kinder, schreibt Gabriel weiter.
Der stellvertretende Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPoIG), Manuel Ostermann, sieht auch nichts Rassistisches an den "Winnetou"-Büchern. "Es ist eine ungesunde Entwicklung, wenn ein paar linke Meinungsmacher der breiten Mehrheit Ihre verdrehte Welt der Empörung aufzwingen wollen", beklagt Ostermann.
Fernsehmoderator Frank Buschmann beklagt, die extreme Linke würde die Gesellschaft kaputt moralisieren und warnt "die extremen Rechten sammeln ein."Leute, hört bitte auf mit diesem Wahnsinn. Bitte, bitte!", fordert er.
Die Bildungsministerin Karin Prien von Schleswig-Holstein (CDU) nennt die Entscheidung des Verlages falsch und bedauerlich. "Verletzte Gefühle machen kontroverse Debatten, im Kontext Antidiskriminierung Kontextualisierung notwendig, nicht mehr und nicht weniger", teilt die Politikerin auf Twitter mit.
Auch Thüringens Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) übt Kritik. Der Verkaufsstopp der Bücher sei "nicht richtig, weil hier eine Debatte letztlich dadurch beendet wird, dass man sich zurückzieht", sagt Hoff am Dienstag dem Radiosender MDR Aktuell. Er hätte sich vom Verlag eine ernsthaftere Auseinandersetzung gewünscht.
"Der Verlag hat ein ökonomisches Interesse und reagiert darauf. Für die Debatte ist das nicht gut", meint Hoff. Im Fall der Kinderbücher sei die Kritik an den Kinderbüchern aus den sozialen Netzwerken gekommen. Diese seien jedoch mit ihrer oft klaren "Frontstellung – schwarz – weiß, Verbotsforderung, Ablehnung, Kritik" keine Arena für eine wirkliche Debatte.
Zustimmung erhält Ravensburger dagegen von dem Historiker Jürgen Zimmerer, der zur Geschichte des Kolonialismus forscht. Der Professor von der Universität Hamburg nennt die "Winnetou"-Romane von Karl May zutiefst kolonial – "vom enthaltenen Rassismus und Antisemitismus ganz zu schweigen." Auf Twitter erklärt er, "Winnetou ist der 'unindianische Indianer', deshalb kann er sich mit 'Old Shatterhand' anfreunden. Andere 'Native Americans' kommen weit schlechter weg."
Die Romanfigur "Old Shatterhand" beschreibt Zimmerer als "imperialer Supermann", der alle Sprachen spreche und allen überlegen sei. Hier zeige sich dem Wissenschaftler zufolge ein Kolonisator, der die Kultur der Kolonisierten besser als diese selbst kenne.
Für Zimmerer sei Karl May eine faszinierende Quelle, aber als Kinderbuch ungeeignet. "Deshalb war Ravensburger schlecht beraten, gerade das neu erzählen zu lassen", folgert Zimmerer.
(akh /mit Material von dpa)