CDU-Chef Armin Laschet (l.) und CSU-Chef Markus Söder präsentieren ihr gemeinsames Wahlprogramm. Fridays-for-Future-Aktivistin Carla Reemtsma kritisiert das Papier. Bild: dpa / Kay Nietfeld
Deutschland
Armin Laschet lächelt ein etwas schiefes Lächeln.
Mehrfach hat Markus Söder schon ausführlich begründet, warum der
knallharte zehntägige Machtkampf mit dem CDU-Chef von Mitte April nun
aber wirklich Vergangenheit sei. Und man jetzt Seit' an Seit' das
Kanzleramt verteidigen werde. Der mächtige Bayer beschwört bei der
Pressekonferenz nach dem einstimmigen Beschluss über das gemeinsame
Programm von CDU und CSU am Montag gleich mehrfach die neue
Einigkeit. Doch manchmal wirkt es so, als ob Laschet, der Sieger im
Ringen um die K-Frage, den Versprechungen nicht wirklich traut.
Dabei dürften die Siegchancen der Union bei der Bundestagswahl am 26.
September tatsächlich ganz entscheidend davon abhängen, dass Laschet
und Söder in den verbleibenden nicht einmal 100 Tagen Schulter an
Schulter um jede Stimme kämpfen. Andere Mehrheiten sind nach den
aktuellen Umfragen möglich, eine Ampel von Grünen, SPD und
FDP beispielsweise. Nicht ausgeschlossen, dass am Ende die FDP von
Christian Lindner das Zünglein an der Waage sein könnte.
Das Ziel von CDU und CSU ist klar - auch nach der Wahl soll die
Bundesregierung wieder von der Union angeführt werden. Doch auch wenn
die Grünen als Hauptkonkurrent um die Kanzlerschaft derzeit in
Umfragen schwächeln, dass Laschet das Erbe von Kanzlerin Angela
Merkel (CDU) wirklich antreten kann, ist keineswegs ausgemacht.
Söders Bayern-Plan werde "nicht kontra laufen"
Im jüngsten Sonntagstrend des Umfrageinstituts Insa für die "Bild am
Sonntag" kommen CDU und CSU gerade mal auf 28 Prozent. Das ist zwar
im Vergleich zur Vorwoche ein Punkt mehr - die Union liegt damit aber
noch weit hinter dem Ergebnis von 2017 (32.9 Prozent). Bei dieser
Ausgangslage ist es kein Wunder, dass Laschet und Söder die Messlatte
für den Urnengang gerade einmal bei 30 Prozent plus x ansetzen.
Trotz einigkeit wird Markus Söder für die CSU einen eigenen "Bayern-Plan" lancieren.Bild: reuters / Peter Kneffel
Auch Söder weiß natürlich, wie wichtig Geschlossenheit im Wahlkampf
für die Anhänger der Union traditionell ist. Immerhin war auch er
2017 beteiligt, als die CSU im Streit um die Zuwanderung einen Bruch
der Union riskierte. Wohl auch genau deswegen bemüht er sich, Sorgen
zu zerstreuen, er könne Laschet doch weiterhin mit der einen oder
anderen Nickeligkeit den Wahlkampf schwer machen.
Zwar werde es - so Söder - wieder einen eigenen Bayernplan der
CSU als Ergänzung zum gemeinsamen Wahlprogramm geben. Dieser werde
aber "nicht kontra laufen" zum Regierungsprogramm, sondern lediglich
Vertiefungen und Ergänzungen beinhalten, wiegelt der Franke ab. Die
Mütterrente meint er beispielsweise, das Herzensprojekt der CSU, das
im gemeinsamen Programm wegen des Widerstands der CDU nicht vorkommt.
Bem Benzinpreis kommt Laschet ins Schlingern
Zur Erinnerung: Vor zwei Monaten stritten Laschet und Söder zehn Tage
über die Frage, wer von beiden als Kanzlerkandidat ins Rennen ziehen
sollte. Söder berief sich sowohl auf Rückendeckung der Basis auch aus
der CDU und auf seine guten Umfragewerte. Der Streit belastete trotz
aller späterer Bekundungen das Verhältnis der Unionsparteien schwer.
Laut Söder (r.) soll der Wahlkampf der Union "aus einem Guss" kommen. Laschet (l.) gibt den Staatsmann.Bild: dpa / Kay Nietfeld
Nun verspricht Söder, Wahlkampf "aus einem Guss zu machen". Es werde
etliche gemeinsame Termine geben, man stimme sich ab, "Armin Laschet
wird bei uns ausführlichst plakatiert". Es sei der "Versuch, aber ich
glaube der erfolgreiche Versuch", nach diesen schwierigen Wochen zu
zeigen, "dass zwischen uns nichts geblieben ist. Im Gegenteil."
Nur einmal, als es um den aktuellen Benzinpreis geht, kommt Laschet
ins Schlingern und flüchtet sich zunächst ins Argument, dieser
schwanke ja selbst innerhalb eines Tages und innerhalb einer Stadt.
Er denke, der Dieselpreis liege derzeit bei 1,30, 1.33 Euro,
antwortet er dann doch noch, der Preis für Superbenzin entsprechend
höher. Da kann es sich Söder doch nicht ganz verkneifen, Laschet ein
wenig vorzuführen. Der Preis liege bei 1.55 Euro für Benzin und bei
1.25 Euro bei Diesel ungefähr, sagt Söder ins Mikrofon.
Die Frage der Finanzierung
Nachdem nun das Wahlprogramm mit dem Titel "Das Programm für
Stabilität und Erneuerung. Gemeinsam für ein modernes Deutschland"
vorliegt, stellt sich auch die Frage, wie die Union die Wähler
inhaltlich für sich gewinnen will. Wer die rund 140 Seiten liest,
findet darin ein großes Bündel an Ideen und Plänen. Das hat einen
Grund: die vagen Ziele dürften bei Koalitionsverhandlungen anderen
Parteien Anknüpfungspunkte ermöglichen.
Als es in der Pressekonferenz wiederholt um die nach Ansicht von
Kritikern reichlich unkonkreten Festlegungen von CDU und CSU geht und
die Frage, wie die ganzen Vorhaben finanziert werden sollen, wenn man
zugleich auf Steuererhöhungen verzichten wolle, gibt es eher
ausweichende Repliken. Laschet antwortet, es gehe doch um die
"grundsätzliche Frage: Glaubt man, dass man durch Steuererhöhungen
mehr Geld einnimmt?" Oder trage die Erfahrung aus der Zeit vor der
Pandemie, wo man jahrelang ohne Steuererhöhung ausgekommen sei, und
der Staat trotzdem immer mehr Geld eingenommen habe. Weil es
Wirtschaftswachstum gegeben und viele Menschen Arbeit gehabt hätten.
Und auch auf die Nachfrage, ob man sich in der Klimapolitik dem
Vorwurf der Beliebigkeit aussetze, wenn man sich hier etwa beim
CO2-Preis nicht festlege, entgegnet Laschet, ein Wahlprogramm
beschreibe doch die Richtung, wo es hingehen solle. Und geht zum
Gegenangriff auf die Grünen über: Er habe auch noch nicht gehört,
"wie die 500 Milliarden der Grünen finanziert werden" sollten. Man
könne "nicht selbst Luftballons in die Luft steigen lassen und den
anderen das dann vorwerfen", teilt der CDU-Chef aus.
Fridays for Future gegenüber watson: "Klimapolitischer Stillstand"
Nach Publikation des Programms hat sich auch die Organisation Fridays for Future das 140 Seiten starke Papier angeschaut. Das Fazit der jungen Klima-Aktivistinnen und -Aktivisten ist deutlich: "Mit ihrem Wahlprogramm hat sich die Union gegen jede einzelne Maßnahme entschieden, die die Emissionen senken würde", kritisiert Carla Reemtsma, FFF-Sprecherin, gegenüber watson.
Carla Reemtsma, Sprecherin von Fridays for Future. (Archivbild)Bild: www.imago-images.de / bR\xc3\xbcdiger W\xc3\xb6lk
Das angekündigte und bereits beschlossene Ziel Klimaneutralität 2045 reiche für die Eindämmung der Klimakrise auf maximal 1,5 Grad nicht aus. „Die Union hält weiterhin am Kohleausstieg 2038, Steuererleichterungen für Kohle, Öl und Gas sowie Erdgas als ,Brückentechnologie‘ fest. Stattdessen will sie die Klimaziele allen Ernstes mit Vorhaben wie Flugtaxen einhalten.“
Reemtsma vermisst einen Fortschritt im Programm: „Dieses Wahlprogramm ist nicht mehr als der jahrelange klimapolitische Stillstand, der uns in die aktuelle Klimakrise hineingeführt hat und diese weiter eskalieren wird.“
Unterschrift auf dem Ipad
In seinem Statement hatte Laschet meist das Staatstragende
übernommen: Die Außenpolitik, China, Europa und so. Er will ja
Kanzler werden. Söder gehört an diesem Tag eher weniger zum Team
"Vorsicht und Umsicht", wie bei vielen gemeinsamen Auftritten mit
Laschet zur Corona-Pandemie, sondern zum Team Attacke. Die Grünen
bekommen ihr Fett weg, die SPD und deren Vizekanzler und
Finanzminister Olaf Scholz genauso. Zur Rollenverteilung passt auch
die Garderobe: Laschet sehr korrekt im zugeknöpften Anzug mit
Krawatte, Söder locker-lässig mit offenen Hemd und Jackett.
Söder lobt, die Ausgangslage für die Union habe sich deutlich
verbessert - "es hellt sich auf". "Der Grüne Höhenflug, der Ansatz
der Unbesiegbarkeit, der ist zumindest vorbei." Das liege zum einen
"an einer sehr guten Performance unseres Kanzlerkandidaten Armin
Laschet", der auch nach außen gezeigten Geschlossenheit der Union und
den Fehlern der Grünen. Er sei fest überzeugt: "Die Deutschen trauen
den Grünen das Kanzleramt nicht zu."
Am Ende ihrer Reden unterschreiben Laschet und Söder das Wahlprogramm
jeweils symbolisch auf einen Ipad. Ganz so, als ob sie sich
gegenseitig doch (noch) nicht so ganz vertrauten und das Manifest
lieber noch per Namenszug bekräftigen wollten.
(ogo/lw/Mit Material der dpa)