2023 ist das Jahr der AfD. Im thüringischen Sonneberg stellt die Partei ihren ersten Landrat, im sachsen-anhaltinischen Raguhn-Jeßnitz den Bürgermeister. In diversen anderen Städten stellten sich die Kandidaten der Partei zumindest Stichwahlen für das Amt des jeweiligen Oberbürgermeisters. An der AfD, so macht es den Anschein, führt derzeit kein Weg vorbei.
Umso drängender stellt sich nun auch immer wieder die Frage: Wie umgehen mit der Rechtsaußenpartei, die zumindest in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet wird? Nach den Landtagswahlen in Bayern und Hessen wird diese Frage wohl auch dort lauter debattiert werden – denn die AfD hat dort Rekordergebnisse eingefahren.
In Bayern liegt sie laut dem vorläufigen Ergebnis der Stimmauszählungen mit 14,6 Prozent auf Platz drei. In Hessen ist die selbsternannte Alternative sogar die zweitstärkste Kraft im Landtag mit 18,4 Prozent. Schnell stellt sich also die Frage: Woran hat es gelegen?
Laut der Nachwahlbefragung des Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap haben in Bayern 79 Prozent der AfD-Wähler:innen angegeben, ihre Wahl als Denkzettel für die Ampel getroffen zu haben. Die Wahlmotivation derer, die sich für die Freien Wähler und damit die Partei Hubert Aiwangers entschieden haben, war laut der Befragung die gleiche. Ein weiterer treibender Faktor der AfD-Wählenden: Geflüchtete.
Ein Thema, an dem sich auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Wahlkampf abgearbeitet hat. Die Regulation von Migration, die aus seiner Sicht schlechte Ampelpolitik und die woken Grünen waren seine Themen. Aus Sicht des Politikberaters und AfD-Experten Johannes Hillje ist diese Strategie wohl nach hinten losgegangen. Auf X, früher Twitter, teilt er die Wähler:innenwanderung zur AfD in Bayern.
Auffällig: Die meisten AfD-Neuwähler:innen kamen von der CSU (90.000), gefolgt von mobilisierten Nichtwähler:innen (70.000). Hillje schreibt dazu: "Söder hat seinen Wahlkampf über weite Strecken als Kulturkampf geführt. Wem das nützt, sieht man hier."
85 Prozent der bayerischen AfD-Wähler:innen gaben außerdem an, dass es ihnen egal sei, dass die AfD in Teilen als rechtsextrem gilt, solange sie die richtigen Themen anspreche. Das könnte auch daran liegen, dass viele der Anhänger:innen der Partei selbst ein rechtsextremes Menschenbild haben. Die Mittestudie aus diesem Jahr kommt zu dem Ergebnis, dass zwölf Prozent der Deutschen ein rechtsextremes Weltbild haben.
Laut einer Erhebung von Infratest dimap sind rechtsextreme Weltbilder gerade unterhalb der AfD-Anhänger:innen vertreten. 27 Prozent der Wähler:innen seien als rechtsextrem einzuordnen, weitere 25 Prozent als ausgeprägt rechts.
80 Prozent erklärten wiederum, dass die Rechtsaußenpartei die einzige Wahlentscheidung sei, mit der Protest gegen die Regierung ausgedrückt werden könnte. In Hessen gaben 87 Prozent der AfD-Wähler:innen an, dass sie durch die Wahl protestieren wollten. Und auch dort erklärten 80 Prozent, es sei ihnen egal, ob die AfD in Teilen rechtsextrem ist – Hauptsache sie gehe die richtigen Themen an.
In beiden Ländern wird der AfD außerdem besonders viel Kompetenz zugesprochen, die Migrationsfrage anzugehen. Zuwanderung sei auch das maßgebliche Thema gewesen, weshalb sich die Wähler:innen für die AfD entschieden hätten. Weniger Kompetenzen werden der Partei im Bereich Wirtschaft und soziale Gerechtigkeit angerechnet.
Außerdem auffällig: Die Wahlentscheidung für die hessische AfD erfolgte wohl eher aus Enttäuschung (54 Prozent) denn aus Überzeugung (39 Prozent). 90 Prozent der hessischen Wähler:innen geben an, die Verhältnisse in Deutschland würden Anlass zur Beunruhigung geben. Die AfD hat also wohl auch das zum Wahlerfolg verholfen, was genau ihrem Themengebiet entspricht: Angst, Protest und Trotz.
Denn wie Hillje in einem früheren Gespräch mit watson erklärte: Die AfD bindet Menschen an sich, indem sie "Wir"-Botschaften sendet. Hillje sagte damals:
Auf X erklärt Hillje außerdem: "Die AfD erreicht in Hessen und Bayern mit 16 Prozent und 15 Prozent ihr historisch bestes und zweitbestes Ergebnis bei westdeutschen Landtagswahlen. Die Strategielosigkeit der demokratischen Kräfte im Umgang mit der AfD muss dringend ein Ende haben."
Eine Einschätzung, die auch der Chef der hessischen Jungen Union, Sebastian Sommer, am Wahlabend teilte. Er meinte im Gespräch mit watson, dass das Ergebnis alle demokratischen Parteien aufwecken müsse – was es nun brauche, seien Strategien, um der AfD den Wind aus den Segeln zu nehmen.