Gerade erst fand die erste TV-Debatte von Donald Trump und Joe Biden statt. Der US-Präsident fiel dabei seinem Herausforderer permanent ins Wort. Biden wiederum nannte Trump einen "Clown" und "Lügner". Zudem bezeichnete er den Amtsinhaber als "Rassisten" und "den schlechtesten Präsidenten, den Amerika je hatte". Im Duell schockte Trump unter anderem mit seinem Statement, ob rechte Extremisten verurteilt werden sollten. Er sagte: "Ich wäre bereit dazu, aber fast alles, was ich sehe, kommt von Links, nicht von Rechts."
Bei "Markus Lanz" diskutierten Journalist Elmar Theveßen, Politiker Jürgen Trittin von den Grünen, Extremismus-Forscherin Julia Ebner und Zukunftsforscher Matthias Horx über die brisante Lage in den USA. Zudem ging es auch um die Frage, warum immer wieder in Krisenzeiten Verschwörungsfantasien eine Anlaufstelle für so viele Menschen sind.
Dabei spielte besonders die QAnon-Theorie eine große Rolle. Die Bewegung hat ihren Ursprung in den USA. Eine zentrale These der QAnon-Anhänger besagt, dass es eine Verschwörung gegen Trump in den tieferen Schichten des US-Regierungsapparats gebe. Zudem behaupten sie, dass prominente Politiker der Demokratischen Partei sich in den USA mit Hormonen behandeln ließen, die aus dem Blut von gefolterten, entführten Kindern stammen sollen. Einige Anhänger waren auch Ende August in Berlin auf der Corona-Demo unterwegs. Autorin Ebner hatte eine klare Meinung dazu.
Zunächst wurde Elmar Theveßen aus den USA zugeschaltet. Der ZDF-Amerikakorrespondent schilderte, wie er die US-Wahldebatte erlebte und erklärte, wie jetzt die Stimmung im Land sei. Theveßen meinte: "Die Journalisten sind entsetzt. Die Rede ist von einem brennenden Mülleimer. Es wurde gesagt, es sei die unterste Schublade." Eine Umfrage habe ergeben, dass 69 Prozent der Befragten der Meinung sei, der Schlagabtausch zwischen Donald Trump und Joe Biden sei eine Katastrophe gewesen. "Joe Biden hat sich auf das niedrige Niveau herabgelassen. Dennoch wundert es am Ende nicht, wenn Biden vorne liegt, weil er sich anständiger verhalten hat", so Theveßen.
Markus Lanz wollte wissen, wer für diese Veranstaltung die Verantwortung trägt und warum nicht einfach das Mikrofon abgedreht wurde. Der Journalist stellte klar: "Dafür gab es keine Vorrichtung. Chris Wallace hätte sagen können, wir unterbrechen das hier. Das hat er sich nicht getraut. Wie von einer Dampfwalze wurde er überfahren. Donald Trump hat es darauf angelegt, den demokratischen Prozess zu beschädigen und zu zerstören." Der Moderator verwies daraufhin auf die tiefe Spaltung Amerikas. Jürgen Trittin sagte prompt: "Trump ist in meinen Augen Ausdruck der Spaltung." Sein Verhalten sei vorsätzlich gewesen.
Direkt danach kam Lanz auf die sogeannten Proud Boys zu sprechen. Trump richtete während der Debatte einen direkten Appell an die rechtsradikale Miliz: "Proud Boys – haltet euch zurück und haltet euch bereit." Später signalisierte er, dass er nicht wüsste, wer sie seien und ergänzte: "Sie müssen sich zurückziehen und die Polizei ihre Arbeit machen lassen." Autorin Julia Ebner sagte dazu: "Das ist eine sehr radikale Gruppe, die sehr frauenfeindlich, homophob und rassistisch ist." Zu der Aussage während des TV-Duells stellte sie klar:
Theveßen meinte, dass die Gruppierung zu allem bereit sei. Es würden Proteste auf beiden Seiten entstehen, bei denen gleichzeitig mit gewaltsamen Ausschreitungen zu rechnen sei. Lanz war der Meinung, dass während der Debatte Joe Biden Schwäche gezeigt hätte. Daraufhin fragte er: "Ist dieser Mann gesundheitlich in der Lage, diesen harten Job zu machen?"
Eine klare Antwort konnte nicht gefunden werden. Der Amerikakorrespondent meinte vielmehr:
Zukunftsforscher Matthias Horx erklärte dann: "Es gibt Situationen, an denen die Gesellschaft an die Grenzen kommt. Es ist die Story einer Gesellschaft, die keinen Halt mehr hat indem, was passiert. Er demontiert den inneren Zusammenhalt. Die Amerikaner müssen durch das tiefe Tal. Das kann ja keiner aushalten, egal, wie alt Biden ist. Für uns ist das sehr lehrreich, weil unsere Populisten ein Schatten der Bösartigkeit sind. Das ist der Schock des Aufwachens." Trittin war sich sicher, dass Trump mit dem Auftritt Biden einen Gefallen getan hätte.
Theveßen ist allein 4000 Meilen (ca. 6.437 km) durch das Land gereist. Sein Eindruck sei, dass viele Menschen beginnen, nachzudenken: "Welches Amerika wollen wir haben? Es gibt die Sehnsucht nach einem Zusammenhalt." Wichtig sei jetzt, dass Biden am Ball bleibe. Dann sagt er, welchen Fehler Biden nun nicht machen darf:
Der nächste Diskussionspunkt der Runde war die QAnon-Bewegung. Extremismus-Forscherin Ebner klärte auf: "Das ist die größte Verschwörungstheoretiker-Community. Vor drei Jahren gab es die Anfänge, da war sie noch eine Randgruppe. Seit Ausbruch des Coronavirus ist sie gestiegen." Mittlerweile würde es 4,5 Millionen Mitglieder geben, 100.000 davon seien aus Deutschland.
Die US-amerikanische Verschwörungstheorie sei nach Europa rübergeschwappt. Innerhalb der Gruppierung gebe es widersprüchliche Theorien, sagte Ebner und führte an: "Sehr viele Mitglieder sehen Corona als Erfindung von Bill Gates. Wenn Merkel Gates trifft, dann ist das ein Hinweis für eine Weltverschwörung." Dahinter würde die Theorie stehen, dass Corona für die komplette Überwachung genutzt werde.
Pizzagate sei demnach der Kern der Verschwörungstheorie gewesen. 2016 wurden Fake News zum amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf gestreut. Angeblich hätte es in einer Pizzeria in Washington einen Kinderpornoring gegeben, bei dem auch Hillary Clinton eine Rolle gespielt haben soll. Ebner erklärte dazu:
Solche latenten Loyalitätsbekundungen würde man immer wieder von Trump sehen. Lanz wollte wissen, was für Menschen hinter den kruden Theorien stecken. Die Autorin stellte zunächst klar, dass Verschwörungstheorien zunehmen würden. Besonders stark hätten sie sich aus den Krisen heraus entwickelt und aus dem "Informationsüberschuss in den sozialen Medien. Es gibt eine Neigung, Muster im Chaos sehen zu wollen. Komplexe Strukturen erklären wir mit simplen Bildern."
Wichtig sei in jedem Fall darüber zu sprechen. Zukunftsforscher Horx sah das anders:
Trittin hingegen stand aufseiten der Autorin und machte seine Haltung deutlich: "Das erklärt nicht das gesellschaftliche Phänomen und wie stark das unterschätzt wurde. Es gibt keine chinesische Mauer zwischen verrückt und Verschwörungstheorien. Ich habe den Eindruck, wir haben einen Zustand erreicht, wo man nicht mehr schweigen kann. Manifeste Gewalt hat sich entwickelt."
(iger)