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Deutschland
Die Regierung will unsere Nachrichtendienste professionalisieren. Jetzt gibt es einen neuen Studiengang. Was steckt hinter dem Geheim-Projekt "MISS"?
06.07.2019, 18:5311.04.2024, 16:00
Luisa W. ist 29, seit zehn Jahren arbeitet sie
beim Bundesnachrichtendienst (BND). Die junge Frau hat Analysen im
Bereich islamistischer Terrorismus geschrieben, als Agentin im
Ausland gearbeitet und auch in einer Stabsstelle in der BND-Zentrale.
"MISS" – das neue Projekt
Seit kurzem ist sie eine von 50 Studentinnen und Studenten im
geheimsten Masterstudiengang Deutschlands: "Intelligence and Security
Studies" (MISS) nennt sich das neue Projekt – auf Deutsch:
"Geheimdienst- und Sicherheitsstudien".
Am 1. Juli hat das
Kernstudium am Rande des hochgesicherten BND-Neubaukomplexes mitten
in Berlin begonnen.
Luisa W. und ihre Kommilitonen sind nicht ganz normale Studenten,
wie sie sonst in den Hörsälen sitzen. Zum neuen Masterstudium sind
nur Mitarbeiter der Geheimdienste oder Bundeswehrsoldaten zugelassen,
die vor allem im militärischen Nachrichtendienst eingesetzt sind und
deswegen Schnittpunkte zur Arbeit der Geheimdienste haben.
Wenn die jungen Frauen und Männer in ihre hochmodernen Hörsäle
wollen, müssen sie sich durch spezielle Sicherheitsschleusen in das
Gebäude an der Berliner Chausseestraße zwängen.
Zugang erhält ohnehin
nur, wer die schärfste Sicherheitsüberprüfung bestanden hat, die es
für deutsche Geheimdienste und Behörden gibt: Ü3. Die gilt für
Personen, die Zugang zu als "streng geheim" eingestuften Akten oder
Daten haben. Nicht nur das persönliche Umfeld wird dabei überprüft,
zusätzlich werden auch Referenzpersonen befragt.
Konsequenz aus Skandalen
Im Kanzleramt hat man vor etwa vier Jahren angefangen, den
Studiengang zu planen. Er ist auch Konsequenz aus den Skandalen, die
es damals etwa beim BND gegeben hat - zum Beispiel den recht laxen
Umgang mit der Überwachung elektronischer Kommunikation und
weltweiter Datenströme.
"Anforderungen sind riesig"
Kanzleramtschef Helge Braun sieht in dem Studiengang einen
"zentralen Beitrag zur Professionalisierung unserer
Nachrichtendienste".
Helge Braun (CDU), Chef des BundeskanzleramtesBild: dpa-Zentralbild
Die Anforderungen seien riesig, sagte er bei
einem Festakt zu dessen Start am Mittwoch. Die Bevölkerung erwarte,
dass sie große Sicherheitsrisiken aufklärten. Dabei werde auf einer
komplexen rechtlichen Grundlage gearbeitet. Hinzu kämen die immer
komplexer werdende technische Aufklärung, Psychologiekenntnisse und
analytische Fähigkeiten. Das Zusammenwirken unterschiedlichster
Sicherheitsbehörden gebe es sonst in keinem Land in dieser Form.
Bruno Kahl, Präsident des BND), spricht bei der Eröffnungsfeier.Bild: www.imago-images.de
BND-Präsident Bruno Kahl lobte, mit dem Studiengang entstehe der
"wichtigste Ausbildungshub der deutschen Geheimdienst-Gemeinschaft".
Er leiste einen Beitrag zum fruchtbaren Austausch zwischen Theorie
und Nachrichtendienst-Praxis.
Jan-Hendrik Dietrich von der Hochschule des Bundes (HS Bund)
schlägt in die gleiche Kerbe:
"Es geht um mehr professionelle und kritische Auseinandersetzung mit den Aufgaben der Nachrichtendienste im Spannungsfeld zu immer lauteren Forderung nach Transparenz."
Der
Professor leitet den Studiengang – ein Gemeinschaftsprojekt der HS
Bund mit der Universität der Bundeswehr München. 23 Professoren
bilden die Nachwuchs-Spione in Berlin weiter, 5 sind es in München.
Insgesamt 9 neue Professuren sind für den neuen Studiengang
eingerichtet worden, sagt Dietrich. Vor allem Juristen, Psychologen,
Politologen, Historiker und Islamwissenschaftler sind darunter.
Von den 50 Studentinnen und Studenten, die in den neu
eingerichteten Räumen in Berlin ihr Studium aufgenommen haben, kommen
30 aus der Bundeswehr, 10 aus dem BND, 6 aus dem Bundesamt für
Verfassungsschutz und 3 aus Landesämtern für Verfassungsschutz. In
den kommenden Jahren soll die Zahl der Studierenden auf bis zu 80
wachsen.
So läuft das Spionage-Studium ab
Im Propädeutikum – eine Art sechsmonatiges Grundstudium, das in
München stattfindet und für alle Pflicht ist – gibt es eine
Einführung in die Geheimdienstarbeit. Die Studenten müssen sich mit
ethischen Fragen wie Menschenrechten und Sicherheit befassen oder
einer Einführung in technische Fragen der Digitalisierung.
Im Hauptstudium können die angehenden Spione dann unter Modulen
wählen, die vor allem an der Geheimdienstpraxis ausgerichtet sind. Da
geht es unter anderem um die Methoden der Agentenarbeit wie das
Sammeln und Auswerten von Informationen oder die Frage, wie Kanzlerin
Angela Merkel oder andere Regierungsmitglieder mit den Informationen
arbeiten, die der BND für sie zusammenstellt.
Vor allem auf praktische Anwendungen der Spionage wird auch im
Hauptteil des Studiums Wert gelegt: Es gibt ein voll eingerichtetes
Studio, in dem die Studenten üben können, wie sie richtig und
einfühlsam mit menschlichen Quellen umgehen. Fingerspitzengefühl und
psychologisches Wissen sind gefragt, wenn sie später in der Realität
mit solchen Informanten umgehen. Drei Kameras nehmen die
Gesprächssituation auf, später kann mit den angehenden Master-Spionen
besprochen werden, was sie hätten besser machen können.
Im Modul "Cyber Security" sollen bei den Geheimdiensten
angestellte Hacker zeigen, was so alles im Dienst des Staates möglich
ist. Auch wenn sich der Nachrichtendienst-Nachwuchs später im Studium
auf spezielle Bereiche konzentriert, stehen Themen auf dem Lehrplan,
die aus der Praxis kommen: Die Abwehr von Cyber-Angriffen
beispielsweise, politischer Extremismus, Terrorismusbekämpfung oder
Terrorismusforschung.
Luisa W. sieht den neuen Studiengang vor allem als Chance. "Ich
möchte noch besser werden bei meiner Arbeit", sagt sie. Mehr
Grundlagenwissen sei dafür nötig und mehr theoretischer Hintergrund,
um die Dinge wirklich einordnen zu können.
Schon als Abiturientin
habe sie gewusst, dass sie Agentin werden wolle, sagt die junge Frau.
Und was macht den Reiz an der Arbeit aus, von der aus
Sicherheitsgründen nur die engsten Familienangehörigen wissen dürfen?
"Für mich war immer klar: Ich möchte einen Job haben, bei dem ich mir sicher bin, dass ich jeden Tag etwas tue, das Bedeutung hat."
Angehende Agentin Luisa W.
(lj/dpa)
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