Es gilt als Binsenweißheit, dass deutsche Politiker unbeliebte Gesetze dann durchboxen, wenn die Leute Fußball schauen. An diesem Freitag aber gibt es Empirie für diese Regel.
Im Schatten der Weltmeisterschaft und im Hauruck-Verfahren soll im Bundestag eine satte Erhöhung der von den Steuerzahlern finanzierten Zuschüsse für Parteien beschlossen werden.
Den Entwurf zur Änderung des Parteiengesetzes haben die Fraktionen CDU/CSU und SPD eingebracht. Unter Punkt C, Alternativen, heißt es im Entwurf nur: "Keine".
Mit ihrer Mehrheit wollen Union und SPD im Bundestag eine Anhebung der Parteienfinanzierung um rund 15 Prozent von der Höchstgrenze 165 Millionen Euro auf dann 190 Millionen Euro beschließen.
Gerade die SPD hat mit einem Millionenloch zu kämpfen. Allein die schwierige Regierungsbildung mit zwei Sonderparteitagen, Mitgliedervotum und Regionalkonferenzen habe rund vier Millionen Euro gekostet, sagte SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan der Deutschen Presse-Agentur.
Der reguläre Bundesparteitag im Dezember habe nochmals mehr als zwei Millionen gekostet. Und wegen des historisch schlechten Wahlergebnisses von 20,5 Prozent bekomme die SPD derzeit im Jahr etwa 1,6 Millionen Euro weniger aus der Parteienfinanzierung.
SPD-Chefin Andrea Nahles hatte in kleiner Runde mit ihren Koalitionskollegen Volker Kauder (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU) beschlossen, dass die Geldsorgen gelindert werden.
Begründet wird die Rekorderhöhung der Zuschüsse von Union und SPD denn auch primär mit gestiegenen Ausgaben für soziale Medien – die Kommunikation mit Kanälen wie Facebook, Twitter und YouTube ist aufwendiger geworden, zudem steigen Ausgaben zum Schutz gegen Hackerangriffe.
SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan betonte, er habe er seit seinem Amtsantritt im Jahr 2013 einen zweistelligen Millionenbetrag allein in die Computertechnik und Digitalisierung gesteckt. Mit immer mehr Informationskanälen wächst auch der Sicherheitsaufwand der SPD, etwa gegen Hackerangriffe.
Aus dem CDU-Vorstand heißt es, ohne mehr Mittel werde auch die Verankerung in der Fläche mit eigenen Geschäftsstellen schwieriger, da man mehr Hauptamtliche bezahlen muss, Ehrenamtliche werden weniger.
Der Opposition. FDP, AfD, Linken und Grünen kritisieren vor allem das Hauruck-Verfahren im Schatten der WM scharf.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion der Linkspartei, Jan Korte, sagte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur:
Darüber hinaus droht die Linkspartei mit einer Klage gegen das Gesetz. "Die Koalition muss den Gesetzentwurf zurückziehen", sagte Jan Korte. "Wenn sie es nicht tut, werden wir eine Normenkontrollklage prüfen."
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, nannte den Zeitplan der Gesetzesänderung mit Blick auf die WM "einfach nur dreist". Britta Haßelmann von den Grünen richtete ihren Zorn direkt an die Regierungsfraktionen von Union und SPD: "Sie beide tragen die Verantwortung für dieses Verfahren aber letztlich trifft die negative Bewertung im Kern alle demokratischen Parteien und deshalb bin ich so sauer auf Sie. Weil Sie es eigentlich hätten wissen müssen."
Der AfD-Abgeordnete Thomas Seitz warf den Regierungsparteien eine "Selbstbedienungsmentalität" vor. Und sprach von einem "Griff in den Geldbeutel des Steuerzahlers". Im Bundestag konterte SPD-Mann Carsten Schneider, dass man sich halt nicht wie die AfD "von russischen Gönnern den Privatjet bezahlen lässt". Worauf AfD-Fraktionschefin Alice Weidel rief: "Sie brechen die Verfassung! Sie gehören alle auf die Anklagebank und eingelocht."
FDP-Schatzmeister Hermann Otto Solms rät Union und SPD:
Der Bundestagsabgeordnete der FDP, Lukas Köhler, findet das Vorgehen der Großen Koalition "demokratieverachtend".
Die Liberalen schafften es trotz eines drastischen Sparkurses zurück in den Bundestag.
Die Staatsrechtlerin Sophie Schönberger von der Universität Konstanz hält das Ganze für verfassungswidrig. So eine starke Anhebung wäre "nur bei einschneidenden Veränderungen" rechtens, die es nicht gebe. Zudem könne der Eindruck einer "Selbstbedienungs-Mentalität" entstehen.
Der Zeitplan ist auch so eng getaktet, weil bis Anfang Juli der Haushalt verabschiedet werden soll, die ab Anfang 2019 geplante Aufstockung muss noch eingepreist werden.
(ts/dpa)