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Verfassungsgericht kippt Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe

Das Bundesverfassungsgericht hat das 2015 eingeführte Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt.
Das Bundesverfassungsgericht hat das 2015 eingeführte Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt. Bild: dpa
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Verfassungsgericht kippt Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe

26.02.2020, 10:3526.02.2020, 12:58
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Dieses Das Bundesverfassungsgericht hat das bisher geltende Verbot von geschäftsmäßiger Sterbehilfe gekippt.

  • Das 2015 eingeführte Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe verstößt gegen das Grundgesetz, erklärte das Verfassungsgericht am Mittwoch.
  • Es gebe ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben, sagte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle. Das schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und dabei Angebote von Dritten in Anspruch zu nehmen.
  • Der 2015 eingeführte Strafrechtsparagraf 217 mache das weitgehend unmöglich.

Wie kam es zu der Entscheidung?

Paragraf 217 stellt die "geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung" unter Strafe. Damit wollte der Gesetzgeber verhindern, dass Suizidhilfe-Vereine wie Sterbehilfe Deutschland oder Dignitas aus der Schweiz gesellschaftsfähig werden.

Professionelle Sterbehelfer hatten ihre Aktivitäten in Deutschland seither weitgehend eingestellt, aber in Karlsruhe gegen das Verbot geklagt – genauso wie mehrere schwerkranke Menschen, die ihre Dienste in Anspruch nehmen möchte

Sterbehilfe-Vereine lassen sich ihre Dienste meist bezahlen. "Geschäftsmäßig" im juristischen Sinne bedeutet aber nicht gewerblich, sondern so viel wie "auf Wiederholung angelegt".

Aktive Sterbehilfe – also die Tötung auf Verlangen, zum Beispiel durch eine Spritze – ist und bleibt in Deutschland verboten. Bei der assistierten Sterbehilfe wird das tödliche Medikament nur zur Verfügung gestellt, der Patient nimmt es aber selbst ein.

Was bedeutet das Urteil nun?

Es ist nun Sache der Politik, eine verfassungsgemäße Alternative für Paragraf 217 zu entwickeln.

Das Bundesverfassungsgericht gab dem Gesetzgeber dafür auch Spielraum. Es sei der Regierung nicht untersagt, Suizidhilfe zu regulieren. Der Staat habe auch dafür Sorge zu tragen, dass die Autonomie des Einzelnen geschützt und nicht durch Dritte gefährdet wird.

Als Möglichkeiten der Regulierung nannte das Bundesverfassungsgericht etwa die Festlegung von Aufklärungs- und Wartepflichten oder "Verbote besonders gefahrenträchtiger Erscheinungsformen der Suizidhilfe".

So begründet das Verfassungsgericht seine Entscheidung

Die Verfassungsrichter begründeten ihre Entscheidung damit, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben umfasse.

"Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen", sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle. Es sei auch nicht auf schwere oder unheilbare Krankheiten beschränkt, sondern bestehe "in jeder Phase menschlicher Existenz".

Der Paragraf 217 mache es dem Einzelnen aber "faktisch weitgehend unmöglich, Suizidhilfe zu erhalten". Dieser Eingriff sei nicht gerechtfertigt. Die Regelung führe dazu, "dass das Recht auf Selbsttötung in weiten Teilen faktisch entleert ist".

So reagiert die Bundesregierung auf das Urteil

Die Bundesregierung will das Sterbehilfe-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zunächst prüfen und auswerten. Erst danach wäre über mögliche Maßnahmen zu entscheiden, wie Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin deutlich machte.

Auch das Bundesgesundheitsministerium erklärte, es solle zunächst geprüft werden, ob es mögliche Rückschlüsse auf Behörden in seinem Geschäftsbereich gebe. Eine Sprecherin verwies darauf, dass das Urteil die geschäftsmäßige Förderung der Sterbehilfe betreffe. Mit Blick auf die Abgabe von Medikamenten zur Selbsttötung gebe es ein getrenntes Verfahren beim Bundesverfassungsgericht.

Um solche Kaufmöglichkeiten gibt es seit längerem Streit. Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2017, wonach Sterbewilligen "in extremen Ausnahmesituationen" ein Zugang zu einer tödlichen Dosis Betäubungsmittel nicht verwehrt werden darf. Das Gesundheitsministerium wies 2018 aber das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte an, entsprechende Anträge von Bürgern abzulehnen.

Weitere Reaktionen auf das Urteil

Die großen Kirchen reagierten besorgt. "Das Urteil stellt einen Einschnitt in unsere auf Bejahung und Förderung des Lebens ausgerichtete Kultur dar", teilten der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, in einer gemeinsamen Erklärung mit.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie warnte vor einer Dynamik mit nicht abschätzbaren Folgen. "Beihilfe zum Suizid darf keine Alternative zu einer aufwendigen Sterbebegleitung sein", erklärte er. In einer immer älter werdenden Gesellschaft steige der finanzielle Druck auf den Gesundheitssektor und der soziale Druck auf die kranken Menschen.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte, mit dem Urteil werde die Selbsttötung zur selbstverständlichen Therapieoption. Der Gesetzgeber habe kein Instrument, dem jetzt noch einen Riegel vorzuschieben, erklärte Vorstand Eugen Brysch.

Die SPD im Bundestag verlangte Bewegung vom CDU-Gesundheitsminister. "Jens Spahn muss jetzt seinen Widerstand gegen die Abgabe der dazu notwendigen Medikamente aufgeben", sagte SPD-Fraktionsvize Bärbel Bas der Deutschen Presse-Agentur. Bisher verhindert Spahn, dass das zuständige Bundesinstitut unheilbar Kranken auf Antrag Zugang zu einem Betäubungsmittel in tödlicher Dosis ermöglicht. Dazu verpflichtet ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2017.

(ll/dpa/afp)

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