CDU-Chef Armin Laschet hat den Machtpoker um die Kanzlerkandidatur gewonnen.Bild: dpa / Michael Kappeler
Deutschland
20.04.2021, 06:5420.04.2021, 09:32
In einer denkwürdigen Sondersitzung in der Nacht auf Dienstag hat sich der CDU-Vorstand mit
großer Mehrheit hinter seinem Parteichef versammelt.
In der digitalen Sondersitzung votierten 31 von 46 stimmberechtigten
Vorstandsmitgliedern in geheimer Wahl für den CDU-Vorsitzenden. 9
stimmten für CSU-Chef Markus Söder, 6 enthielten sich. Laut
CDU-Angaben entspricht das einer Zustimmung von 77.5 Prozent für
Laschet und 22.5 Prozent für Söder.
Damit ist der tagelange nervenaufreibende Machtkampf um den
Spitzenposten für die Bundestagswahl im September voraussichtlich
entschieden, weil die CSU diese Frage zuvor in die Hand der CDU
gelegt hatte. Dies entscheide die CDU jetzt "souverän", hatte der
CSU-Vorsitzende Markus Söder am Montag in München erklärt. "Wir als
CSU und auch ich respektieren jede Entscheidung."
CSU-Chef Markus Söder will den Entscheid der CDU akzeptieren.Bild: www.imago-images.de / Sammy_Minkoff
Ob dies aber auch für die Unionsfraktion im Bundestag und die
Laschet-Kritiker an der CDU-Basis gilt, muss sich erst noch zeigen.
Die Sitzung der Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU am Nachmittag
dürfte Klarheit bringen. Hier hatten sich vor einer Woche
mehrheitlich Befürworter einer Kandidatur von Söder zu Wort gemeldet.
Kramp-Karrenbauer stellt sich hinter Laschet
Laschet hatte noch in der laufenden Vorstandssitzung für eine
Entscheidung plädiert. Nachdem der Berliner CDU-Chef Kai Wegner dafür
geworben hatte, die Entscheidung zu verschieben und ein Votum der
Bundestagsfraktion und der Kreisvorsitzenden herbeizuführen, betonte
Laschet nach Teilnehmerangaben: "Wir sollten heute entscheiden, wie
wir es uns am Anfang vorgenommen haben." Die Berliner CDU hatte sich
klar für Söder positioniert.
Eine schnelle Entscheidung verlangten auch die frühere Parteichefin
Annegret Kramp-Karrenbauer und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident
Daniel Günther. Beide stellten sich Teilnehmern zufolge hinter
Laschet, nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP ebenso CDU-Vizechefin Julia Klöckner. Der Vorstand habe sich vor einer Woche aus guten Gründen für
ihn ausgesprochen, das müsse gelten, sagte Günther.
Kramp-Karrenbauer
warf Söder den Angaben zufolge vor, sich nicht an die Zusage gehalten
zu haben, das Votum der CDU vom vergangenen Montag zu akzeptieren.
Vieles in den vergangenen Tagen sei ruinös gewesen. CDU-Vize Thomas Strobl spricht sich mit den Worten für Laschet aus, dieser sei kein Spalter, sondern jemand, der integriere.
Wenig Unterstützung aus dem Osten
Ostdeutsche CDU-Politiker lieferten sich eine konträre Debatte über
die Stimmung in ihren Ländern. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident
Reiner Haseloff wies nach Angaben aus Teilnehmerkreisen auf eine
große Unterstützung der Parteibasis für CSU-Chef Söder im Osten hin.
Er nehme dort eine Präferenz für diesen wahr, sagte Haseloff, der
aber persönlich kein Votum für Söder abgegeben haben soll. Der
Fraktionschef der CDU in Brandenburg, Jan Redmann, habe sich
daraufhin klar für CDU-Chef Armin Laschet als Kanzlerkandidaten
eingesetzt. Insgesamt gab es in der Sitzung gut 60 Wortmeldungen.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff wies auf eine Präferenz für Söder im Osten hin.Bild: dpa / Ronny Hartmann
Laschet hatte Söder
angeboten, an der Sitzung teilzunehmen. "Gerade in diesen Tagen
müssen wir sehr viel miteinander reden", argumentierte er. Söder
lehnte dies jedoch ab.
Votum gegen den Einbezug der Kreisvorsitzenden
Vor der Abstimmung über die Kanzlerkandidatur wurde in der Sitzung schließlich auch über den Vorschlag abgestimmt, zunächst eine Konferenz der Kreisvorsitzenden einzuberufen, um dort ein Bild zur Stimmung an der Basis einzuholen. Dies lehnte eine deutliche Mehrheit der Vorstandsmitglieder ab.
Nach Parteiangaben wurde für die geheimen Abstimmungen per Email ein Online-Tool an die Teilnehmer verschickt. Dabei gab es zunächst technische Probleme, die eine Unterbrechung der Sitzung erforderlich machten.
"Es geht alles schief"
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble soll laut Informationen der "Welt" deswegen genervt gewesen sein. Die Technik war offenbar nicht auf die geheime Abstimmung vorbereitet. Schäuble soll zweimal gerufen haben: "Es geht alles schief!" Bis 00:10 Uhr wurde die Sitzung unterbrochen, danach ging es dann doch noch weiter.
Seit vorvergangenem Sonntag hatten sich Laschet und Söder eine zunehmend härter werdende Auseinandersetzung geliefert. Dabei
führte Söder immer wieder - auch am Montag - seine erheblich besseren
Umfragewerte ins Feld, aus denen er größere Erfolgsaussichten bei der
Bundestagswahl am 26. September ableitete. Seinen vorläufigen
Höhepunkt fand der Machtkampf in der Nacht zum Montag, als Laschet
und Söder in einem Bundestagsgebäude rund dreieinhalb Stunden im
kleinen Kreis miteinander verhandelten - ohne Ergebnis.
Die Union steht nicht nur wegen der internen Folgen des Streits fünf
Monate vor der Bundestagswahl maximal unter Druck. Hinzu kommt, dass
die Grünen - nach aktuellen Umfragen stärkste Kraft hinter der Union
- Parteichefin Annalena Baerbock als ihre Kanzlerkandidatin
präsentierten. Dass für die SPD Olaf Scholz antritt, steht seit
längerem fest. Einzig die Union, die mit Angela Merkel seit fast 16
Jahren die Kanzlerin stellt, hat diese Personalie wegen des internen
Streits noch nicht entschieden.
(ogo/dpa/AFP)
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