Nicht nur die Artikel 13-Gegner laufen gerade Sturm gegen hochrangige CDU-Vertreter im Europaparlament. Die Kritik kommt mittlerweile auch aus den eigenen Reihen. Dort wird sich offenbar gerade reihenweise fremdgeschämt.
Lukas Kilian etwa, CDU-Landtagsabgeordneter in Schleswig-Holstein, findet die CDU-Performance rund um die geplante EU-Urheberrechtsreform "unerträglich". "Ich fordere einen #Uploadfilter für Posts von @CDU_CSU_EP", twitterte er.
Kritik an der Außendarstellung hochrangiger CDU-Europa-Parlamentarier und Artikel-13-Befürworter äußerte auch der unionsnahe Digitalverein C-Netz.
Der CDU-Europaabgeordnete Daniel Caspary hat den Verdacht geäußert, dass US-Internetkonzerne mit "gekauften Demonstranten" die Reform des EU-Urheberrechts verhindern wollten: "Nun wird offensichtlich versucht, auch mit gekauften Demonstranten die Verabschiedung des Urheberrechts zu verhindern", sagte der Vorsitzende der deutschen CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament gegenüber der "Bild". "Bis zu 450 Euro werden von einer sogenannten NGO für die Demoteilnahme geboten."
Die CDU/CSU-Fraktion im Europaparlament verbreitete das Zitat am Samstagvormittag über ihren Twitteraccount – kurz bevor in vielen deutschen Städten Zehntausende gegen die EU-Urheberrechtsreform demonstrierten, die am Dienstag im Europaparlament verabschiedet werden soll.
Caspary warf Internetkonzernen in den USA in dem Interview vor, den Kampf gegen die Urheberrechtsreform mit allen Mitteln zu führen. Bis zu 450 Euro habe eine Nichtregierungsorganisation für die Teilnahme an den Demonstrationen geboten, sagte er. "Das Geld scheint zumindest teilweise von großen amerikanischen Internetkonzernen zu stammen."
Am Sonntag ruderte Caspary dann zurück: "Vor den vielen Menschen, die für ihre Meinung auf die Straße gehen, habe ich großen Respekt. Immer werde ich mich für Freiheit, Demokratie und das Recht auf Demonstration einsetzen. Ich bedauere, wenn ein anderer Eindruck entstanden sein sollte."
Vor der Abstimmung über das neue EU-Urheberrecht steht die Mehrheit im Europaparlament womöglich auf der Kippe. "Ich habe die Sorge, dass das am Dienstag schiefgeht", sagte der CDU-Europapolitiker Elmar Brok am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. Im Falle einer Ablehnung wäre diese Reform nach Broks Einschätzung tot. Vor der Europawahl im Mai gäbe es keine Möglichkeit der Nachbesserung, und danach müsste man von vorne anfangen.
Das Europaparlament will am Dienstag über die Reform entscheiden, die Urhebern für ihre Inhalte im Internet eine bessere Vergütung sichern soll. Kritiker wenden ein, dass Anbieter-Plattformen wie YouTube in Zukunft bereits beim Hochladen überprüfen sollen, ob Inhalte urheberrechtlich geschütztes Material enthalten. Das ist nach ihrer Meinung nur über automatisierte Filter möglich, bei denen die Gefahr bestehe, dass viel mehr als nötig aussortiert werde.
Aus Protest dagegen gingen am Samstag Zehntausende vorwiegend junge Menschen in zahlreichen deutschen Städten auf die Straße. Sie verlangen vor allem die Streichung des entsprechenden Artikels 13. In München demonstrierten laut Polizei rund 40.000 Menschen unter dem Motto "Rette Dein Internet", die Veranstalter sprachen von mehr als 50.000. "Macht unser Internet nicht kaputt" und "Das Internet bleibt wie es ist", hieß es auf den Plakaten.
In Berlin zogen die Demonstranten an der deutschen Wikipedia-Zentrale vorbei zum Brandenburger Tor und skandierten "Stoppt die Zensur". Die Polizei sprach von mehr als 10.000 Teilnehmern, die Veranstalter von 30 000. Auch in Köln, Düsseldorf, Hamburg, Stuttgart, Leipzig und anderen Städten waren Tausende auf den Beinen.
(ts/dpa)