Man vergisst es beim aktuellen Hype gerne. Aber es ist noch keine zwei Jahre her, da sorgte FaceApp für einen handfesten Skandal. Damals ging es um die Foto-Filter der Spaß-App. Sie erlaubten es einem, verschiedene "Rassen" anzunehmen: Weiß, Schwarz, Indisch, Asiatisch.
Das Tech-Magazin "The Verge" bezeichnete das damals als rassistisches "digitales Blackfacing". Allerdings denkt gerade kaum jemand mehr an diese Vorwürfe. Seit rund einer Woche können User – darunter bekannte Politiker, Popstars und Sportler – das eigene Gesicht per Tap auf den Bildschirm entweder um dutzende Jahre altern lassen. Oder sie verwandeln sich selbst in Kleinkinder. FaceApp ist gerade die weltweit wohl erfolgreichste App, die #FaceAppChallenge hat hunderttausende Teilnehmer.
Oder so:
Ok, das alles ist tatsächlich ziemlich lustig. Einige Kritiker aber haben nicht vergessen, dass FaceApp und vor allem das dahinterstehende russische Unternehmen "Wireless Lab" aus St. Petersburg durchaus seine schwierigen Zeiten hatte.
Sie schauten sich das Programm hinter den witzigen Bildschen noch einmal genauer an – und dann schlugen sie einen folgenschweren Alarm.
Um FaceApp ist eine Sicherheitsdebatte entbrannt
Einer der ersten, die lautstark Kritik an FaceApp übten, war die "New York Post". Sie tittelte "Die Russen besitzen jetzt alle eure alten Fotos". Im Text heißt es: "Seien Sie gewarnt: FaceApp hat nicht nur Zugriff auf Ihre Foto-Gallerie. In den Geschäftsbedingungen steht auch, dass der Anbieter das Recht hat, jegliches Bild zu reproduzieren, zu veröffentlichen und zu verändern."
Auch bekannte Privacy-Aktivisten verbreiten eine Warnung vor FaceApp:
Quelle der Aussagen ist ursprünglich der britische Sicherheitsexperte James Whatley.
Der bekannte Sicherheitsexperte und Unternehmer Ariel Hochstadt sagte außerdem gegenüber der "Daily Mail": Hacker hätten durch FaceApp unter Umständen sowohl Zugriff auf die Kamera von Smartphones, als auch auf private Informationen. Diese könnten sie dann mit dem jeweiligen User-Verhalten im Internet abgleichen und so komplette Persönlichkeitsprofile erstellen. Hochstadt weiter: Hinter solchen Hackern stecke häufig die russische Regierung, die versuche persönliche Informationen für die eigenen Zwecke zu missbrauchen.
Schließlich sorgte auch ein mittlerweile gelöschter Post eines US-App-Entwicklers für Aufsehen, der behauptete: FaceApp lade alle Fotos eines Users im Hintergrund hoch, ohne zu fragen.
So groß ist die Angst in den USA vor dem russischen Datenklau, dass der republikanische Oppositionsführer im Senat am Mittwoch sogar forderte, das FBI in die Ermittlungen gegen die App einzuschalten. "Persönliche Daten von Millionen Amerikanern könnten gerade auf dem Weg in die Händer der russischen Regierung sein", schrieb Chuck Schumer in einem Brief an den Direktor des FBIs. Ebenfalls am Mittwoch soll das Nationale Demokratische Committee laut CNN Warnungen vor FaceApp an all seine Präsidentschaftskandidaten geschickt haben. Kurz um: Während die Amerikaner altern, heißt es bei ihren Politikern: Panic!
Wohl kein FaceApp-Horror, aber Vorsicht!
Mittlerweile haben allerdings bekannte Sicherheitsforscher heftige Kritik an den Einschätzungen ihrer Kollegen geübt. So lässt das Tech-Magazin "WIRED" unter anderem den Firewall-Unternehmer Will Strafach zu Wort kommen: Die App lade keineswegs alle Fotos hoch, sondern beschränke sich nur auf jeweils die Bilder, die auch einen Filter bekommen solle, sagt er. Datenpakete würden zwar an Google und Facebook geschickt, keineswegs aber an irgendwelche dritte, geschweige denn russische Stellen.
Zwar würden auch Informationen über das jeweilige Smartphone hochgeladen, der Datenverbrauch der App aber halte sich in Grenzen.
Was allerdings mit den Bildern passiert, wenn diese erst einmal auf den Servern von FaceApp liegen, das sagen auch diese Experten, lasse sich nicht wirklich nachverfolgen.
Datenschützer bemängeln auch bei anderen Social-Media-Plattformen immer wieder, dass sie dazu benutzt werden, um automatische Bilderkennungsprogramme zu verbessern. Microsoft etwa musste im vergangenen Monat eine solche Bilder-Datenbank mit zehn Milliionen Pics von Prominenten löschen. Die diente dazu Bilderkennungsprogramme der Polizei zu trainieren.
So reagiert FaceApp auf die Vorwürfe
Gegenüber dem Magazin "9toMac" meldete sich das Unternehmen mittlerweile auch selbst zu Wort. "Wir laden Fotos in die Cloud hoch", heißt es in einem Statement. Die Gründe dafür seien aber einfach: Performance und Traffic auf der App.
"Die meisten Bilder werden nach 48 Stunden wieder von unseren Servern gelöscht", heißt es weiter und: Man lade immer nur diejenigen Bilder hoch, die auch bearbeitet würden. Nicht mehr.
Nur weil das Kernteam der Firma in Russland sitzen würde, heiße das außerdem nicht, dass auch Daten nach Russland transferiert würden. Gegenüber WIRED versprach das Unternehmen, auf Wunsch die Fotos eines jeden Nutzers wieder löschen zu wollen.
Ob das dann auch wirklich passiert, lässt sich von Außen kaum nachvollziehen. Es stimmt ja: Die Datenschutz-Vorgaben und geschäftsbedingungen von FaceApp sind in diesem Punkt mehr als schwammig formuliert.
Klar ist aber auch: Eine russische Verschwörung steckt kaum hinter der Spaß-App. Wladimir Putin wird vermutlich nicht sehen, wie euer altes Alter-Ego aussieht.
Apple sperrt offenbar unabhängige News-Podcasts in Russland
Seit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine liefert Apple keine Produkte mehr nach Russland. Auch Apple Pay und Apple Maps stellte das Unternehmen dort ein. Trotzdem stand Apple schon häufiger in der Kritik, inoffiziell mit dem Kreml zu kooperieren.