Am Mittwoch hielt das österreichische Bundeskanzleramt um Kanzler Sebastian Kurz eine Pressekonferenz zur Virus-Mutation in Tirol ab.Bild: IMAGO / photonews.at
EU
12.02.2021, 07:5812.02.2021, 07:57
Im Kampf gegen die sich ausbreitende
südafrikanische Corona-Variante hat das österreichische Bundesland
Tirol in der Nacht auf Donnerstag neue Ausreisebeschränkungen in
Kraft gesetzt. Ein Verlassen des Bundeslands in Richtung Deutschland
oder in angrenzende österreichische Bundesländer ist in den nächsten
zehn Tagen nur mit einem negativen Corona-Test möglich, der nicht
älter als 48 Stunden sein darf. Deutschland will ab Sonntag mit
eigenen Maßnahmen auf die Ausbreitung der Corona-Varianten reagieren.
Am Freitagmorgen (10.15 Uhr) wollen Gesundheitsminister Jens Spahn
(CDU) und Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts, über
die Corona-Lage informieren.
Neue Maßnahmen in Tirol – Kontrolle durch Polizei und Militär
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums wurden Tschechien und
Tirol am Donnerstag als sogenannte Virusmutationsgebiete eingestuft.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) habe entschieden, ab Sonntag
neben den seit der Flüchtlingskrise bestehenden Binnengrenzkontrollen
zu Österreich auch an den Grenzen zu Tschechien vorübergehende
Grenzkontrollen einzuführen, teilte ein Sprecher mit. Die
Bundesregierung stimme sich derzeit mit allen beteiligten Partnern
ab, "insbesondere zu etwaigen Ausnahmetatbeständen" und werde bald
darüber informieren.
In Tirol bereitet vor allem die südafrikanische Corona-Variante
große Sorgen. Zwischen dem 23. Dezember und dem 9. Februar wurden
dort 438 bestätigte und teils unbestätigte Fälle dieser Virusvariante
festgestellt. Die Variante gilt als ansteckender. Die Einhaltung der
neuen Maßnahme soll von rund 1200 Polizisten und Soldaten engmaschig
kontrolliert werden. Ein Verstoß kann bis zu 1450 Euro kosten.
Ausgenommen von dieser Vorschrift sind Kinder sowie der Güterverkehr
und die Durchreise ohne Zwischenstopp.
Unter den bislang als Virusmutationsgebiete eingestuften Staaten,
für die ein Beförderungsverbot nach Deutschland gilt, ist bislang
kein Nachbarland. Aus den bereits festgelegten Mutationsgebieten im
Ausland dürfen derzeit fast nur noch Deutsche und Ausländer mit
Wohnsitz in Deutschland einreisen. Außerdem gibt es Sonderregeln für
medizinisches Personal, Transit-Passagiere und den Warenverkehr.
Deutschlands Nachbarn: Hochrisikogebiete
Tschechien ist stark von der Corona-Krise betroffen. Landesweit
meldeten die Behörden am Donnerstag 9446 neue Fälle. Der
EU-Mitgliedstaat mit seinen rund 10,7 Millionen Einwohnern war
bereits als Hochrisikogebiet eingestuft. Reisende aus Tschechien
müssen schon jetzt bei der Einreise einen negativen Corona-Test
vorlegen. Die Ausweisung als Virus-Variantengebiet würde die
Reisemöglichkeiten noch weiter einengen.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) verwahrte sich am
Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" gegen die
Formulierung, die Grenzen zu Tirol und Tschechien würden "dicht"
gemacht. Er sagte, dass jeder, der aus Tirol oder Tschechien
einreisen wolle, künftig einen negativen Corona-Test vorlegen müsse.
Es gebe dabei keine Ausnahmen.
Die ansteckendere Coronavirus-Variante aus Großbritannien hat
nach Angaben der bayerischen Landesregierung in einigen
ostbayerischen Regionen bei Pendlern aus Tschechien bereits die
Oberhand gewonnen. Der Anteil der mutierten Variante bei positiven
Corona-Tests betrage in Tirschenreuth rund 70 Prozent, in Wunsiedel
mehr als 40 Prozent, sagte Söder bei "Markus Lanz". Beide Städte
liegen nahe der tschechischen Grenze. Sachsen hatte zuvor angesichts
drastischer Corona-Zahlen in Tschechien bereits vor der Entscheidung
Seehofers eine deutliche Einschränkung des Pendlerverkehrs
angekündigt.
Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Thomas Strobl (CDU),
begrüßte die Entscheidung des Bundesinnenministers. "Wir haben alle
im vergangenen Frühjahr erfahren, wie schmerzhaft Grenzschließungen
sind. Aber sie sind als Ultima Ratio notwendig, wenn es darum geht,
Leib und Leben von Menschen zu schützen", sagte der
baden-württembergische Innenminister den Zeitungen der Funke
Mediengruppe (Freitag).
Bei Verschärfen der Krise: Grenzkontrollen in Europa denkbar
Ähnlich äußerten sich die beiden SPD-Politiker Achim Post und
Dirk Wiese. Die offenen Grenzen in Europa seien ein hohes Gut, das es
auch in dieser Krise weiter zu schützen gelte. "Angesichts der
aktuellen Ausbreitung der hochansteckenden Virus-Mutationen,
insbesondere auch in Grenzregionen in Tschechien sowie Österreich
sind zeitweilige Beschränkungen bis hin auch zu stationären
Grenzkontrollen gegenüber diesen Nachbarstaaten in der akuten
Krisenlage grundsätzlich angemessen. Sie müssen aber mit Augenmaß
ausgestaltet werden."
Tschechien kündigte an, ab diesem Freitag drei Grenzbezirke von
der Außenwelt abzuschotten. Betroffen sind die Bezirke Cheb (Eger)
und Sokolov (Falkenau) an der Grenze zu Bayern sowie Trutnov
(Trautenau). Wer dort wohne, dürfe den jeweiligen Bezirk nicht mehr
verlassen, sagte Gesundheitsminister Jan Blatny in Prag. Leute von
außerhalb würden nicht hereingelassen. Ausnahmen gelten für den Weg
zur Arbeitsstätte.
Beim ersten Lockdown im Frühjahr waren für drei Monate nationale
Grenzkontrollen eingeführt worden, um das Einschleppen des Virus aus
dem Ausland so weit wie möglich zu verhindern. Damals hatte es in
einigen Bundesländern Kritik an dieser Maßnahme gegeben, weil
Pendler, Familien und Unternehmen darunter litten.
Der Bundestag beschäftigt sich am Freitag mit dem Vorhaben der
großen Koalition, die Grundlage dafür zu schaffen, dass mehrere
Corona-Regelungen etwa zu Impfungen und Tests über Ende März hinaus
weiterlaufen. Sie beruhen darauf, dass der Bundestag auch weiterhin
eine "epidemische Lage von nationaler Tragweite" feststellt – darüber
soll das Parlament künftig aber regelmäßig neu entscheiden
müssen.
(vdv/dpa)
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