EU
20.08.2018, 06:4520.08.2018, 07:26
An diesem Montag beginnt eine neue Zeitrechnung: Das hoch verschuldete Griechenland muss erstmals seit mehr als acht Jahren ohne internationale Finanzhilfen
auskommen.
- Der Grund: Das Kreditprogramm des Euro-Rettungsschirms ESM - das dritte Hilfspaket für Athen seit 2010 – endet. In Athen sind keine größeren Feierlichkeiten dazu geplant.
- Mit Spannung wird jedoch eine Rede des griechischen Regierungschefs Alexis Tsipras erwartet. Noch spannender wird aber sein, wie die Märkte in den kommenden Monaten reagieren werden.
Das sind die 4 wichtigsten Fragen dazu.
Kann das hoch verschuldete Griechenland ohne Finanzhilfen auskommen?
Eurogruppen-Chef Mario Centeno ist zuversichtlich, dass
Griechenland ohne weitere Hilfsprogramme finanziell auf eigenen
Beinen stehen kann. Ziel der Rettungsmaßnahmen und Reformen der
vergangenen acht Jahre sei eine neue Grundlage für gesundes
Wirtschaftswachstum gewesen, erklärte Centeno. "Es hat viel länger
gedauert als gedacht, aber ich glaube, wir haben es geschafft." Die
griechische Wirtschaft wachse, es gebe Haushalts- und
Handelsüberschüsse, und die Arbeitslosigkeit sinke stetig.
Griechenlands ehemaliger Finanzminister Gianis Varoufakis sieht
sein Land noch nicht als gerettet an.
"Griechenland steht am selben Punkt, im gleichen schwarzen Loch und es versinkt jeden Tag tiefer darin. Auch, weil die Sparvorgaben der Gläubiger Investitionen und den Konsum behindern"
Varoufakis gegenüber der "Bild"-Zeitung (Montag)
Der Staat sei aber noch immer pleite, die privaten Leute seien ärmer
geworden, Firmen gingen noch immer bankrott und das
Bruttosozialprodukt sei um 25 Prozent gesunken.
Was musste Griechenland für die internationalen Hilfen bislang tun?
Seit
2010 hatten die EU-Partner und der Internationale Währungsfonds das
überschuldete Euro-Land mit insgesamt 289 Milliarden Euro an
vergünstigten Krediten vor der Staatspleite bewahrt.
Im Gegenzug musste Athen harte Reformen, Sozialkürzungen sowie
Steuererhöhungen durchsetzen und sich verpflichten, daran
festzuhalten. Damit konnte ein Ausstieg Griechenlands aus der
Eurozone verhindert werden. Zudem wurden zahlreiche Banken in der
Eurozone gerettet. Dorthin flossen nämlich die meisten Gelder, die
zur Rettung Griechenlands ausgezahlt wurden.
Welche Perspektiven hat Griechenland auf dem Finanzmarkt?
Es wird sich zeigen, zu welchen Konditionen sich Athen künftig
frisches Geld an den Märkten beschaffen kann. Die Urteile großer
Ratingagenturen zur Kreditwürdigkeit Griechenlands fielen zuletzt
positiver aus. Dies bedeutet in der Regel sinkende Kosten bei der
Schuldenaufnahme.
Zurzeit stehen die Zinsen für zehnjährige griechische Anleihen
deutlich über vier Prozent (Stand Freitag: 4,3 Prozent). Noch vor
einem Monat lagen sie bei 3,8 Prozent. Die kleinste internationale
Turbulenz, beispielsweise in Zusammenhang mit der Finanzlage in
Italien oder in der Türkei, hat Auswirkungen auf griechische
Staatsanleihen.
Wie hat Griechenland in den vergangenen Jahren gewirtschaftet?
Nach mehreren Streitigkeiten über die Zweckmäßigkeit der
Sparprogramme setzte Athen in den vergangenen rund zweieinhalb Jahren
die Vorgaben weitgehend reibungslos um. Das Land hatte zuletzt Ende
Juni eine letzte Hilfstranche in Höhe von 15 Milliarden Euro
zugesprochen bekommen. Damit erhöhte sich der Kapitalpuffer auf rund
24 Milliarden Euro. Im äußersten Fall kann Griechenland sich damit
knapp zwei Jahre lang selbst finanzieren.
Doch die Auswirkungen der Sparprogramme sind gravierend: Die
Wirtschaftskraft des Landes hat deutlich abgenommen. Viele Einwohner
spüren bislang nichts von der Stabilisierung des Landes. Die meisten
Menschen haben rund ein Viertel ihres Einkommens verloren. Noch immer
ist jeder Fünfte arbeitslos, gut 400.000 gut ausgebildete meist junge
Menschen, darunter viele Ärzte und Ingenieure, sind ausgewandert. Die
Staatsverschuldung beträgt rund 180 Prozent der Wirtschaftsleistung – der höchste Wert in Europa.
Athen wird auch nach dem Ende des Programms verstärkt von den
Euro-Partnern überwacht. Bis 2022 muss Griechenland im Haushalt einen
jährlichen sogenannten Primärüberschuss – also ohne Zahlungen für den
Schuldendienst – von 3,5 Prozent erreichen.
Daran sind weitere
Schuldenerleichterungen geknüpft. Zudem muss Athen bis 2060 einen
Primärüberschuss von 2,2 Prozent erzielen – ein Ziel, dessen
Umsetzung viele Experten als sehr schwierig bewerten.
(pb/dpa)
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