Bild: Reuters Pool/AP / Francois Lenoir
EU
Auch am dritten Tag des
EU-Gipfels hängt eine Einigung auf das billionenschwere
Finanzpaket der Union in der Schwebe. Nachdem EU-Ratspräsident
Charles Michel am Samstagabend den Gipfel erneut unterbrochen
hatte, sollte am Sonntagnachmittag die Runde der 27 Staats- und
Regierungschefs einberufen werden.
Zuvor hatte Michel mit
Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach einem
Kompromiss gesucht. Dabei ging es vor allem um die Modalitäten
des geplanten Corona-Aufbaufonds im Volumen von bis zu 750
Milliarden Euro sowie die Frage, ob EU-Zahlungen an
Rechtsstaatsprinzipien geknüpft werden sollen.
Dabei gab es in Brüssel sowohl Ost-West-Konflikte als auch
Nord-Süd-Auseinandersetzungen. Das EU-Quartett beriet deshalb
seit Sonntagmorgen in wechselnden Runden mal mit den Südländern
wie Italien, Spanien und Portugal, mal den mit Osteuropäern wie
Polen und Ungarn, mal mit den sogenannten "Sparsamen Vier" - die
Niederlande, Österreich, Schweden und Dänemark.
Erst wenn ein Konzept auch über den EU-Finanzrahmen von 2021
bis 2027 gefunden ist, will Michel dies der großen Runde
vorlegen. Dann soll sich zeigen, ob auf diesem Gipfel noch eine
Einigung gelingen kann, ob möglicherweise eine weitere
Verlängerung bis Montag oder aber ein Abbruch und ein zweiter
EU-Gipfel nötig sind, sagten EU-Diplomaten.
Rutte "verteidigt seine Euros"
Zuletzt wurde vor allem der niederländische Regierungschef
Mark Rutte zunehmend und offen von Kollegen als Blockierer
kritisiert. In der Nacht zu Sonntag hatten Merkel und Macron
nach Angaben mehrerer EU-Diplomaten Gespräche in kleineren
Gruppen verärgert abgebrochen, weil Rutte zu wenig Bereitschaft
zu Kompromissen zeigte. Er beharrt auf ein Vetorecht und
stärkere Reformauflagen beim Corona-Aufbaufonds, den auch Länder
wie Österreich, Schweden oder Dänemark kürzen wollen.
"Rutte
verteidigt seine Euro, Merkel und Macron verteidigen Europa",
twitterte die französische Europaabgeordnete Nathalie Loiseau.
Portugals Ministerpräsident Antonio Costa nannte die Position
der "Sparsamen Vier" "nicht mehr akzeptabel". Österreichs
Regierungschef Sebastian Kurz betonte dagegen, dass sich
Finnland der Gruppe angeschlossen habe.
Michel hatte den 27 EU-Regierungen einen Kompromissvorschlag
vorgelegt, der neben einer Kürzung der Zuschüsse von 500 auf 450
Milliarden Euro auch einen Mechanismus enthielt, mit dem
Zahlungen im Streitfall auch wieder gestoppt werden können. Das
Gesamtvolumen des Pakets aus Zuschüssen und Krediten sollte aber
bei 750 Milliarden Euro bleiben. Die Kürzung reichte
den "Sparsamen Vier" aber nicht. Michel hatte versucht, eine
Zustimmung Dänemarks, Schwedens und Österreichs auch mit der
Zusage höherer nationaler Rabatte von den Zahlungen für den
EU-Haushalt zu erreichen. Zudem wurde eine weitere Kürzung der
Zuschüsse als Option erwogen.
EU-Diplomaten erklärten den Widerstand Ruttes auch damit,
dass dieser unter massiven innenpolitischen Druck stehe. Seine
Koalition verfügt im niederländischen Parlament nur über eine
knappe Mehrheit. Das Paket muss am Ende aber noch durch die
nationalen Parlamente und das Europäische Parlament.
Polen und Ungarn stellen sich auch quer
Zu dem Nord-Süd-Streit kam am Sonntag auch eine
West-Ost-Auseinandersetzung über die Frage, ob Zahlungen aus dem
EU-Haushalt künftig an rechtsstaatliche Prinzipien geknüpft
werden sollen. Dies lehnen Polens Ministerpräsident Morawiecki
und Ungarns Regierungschef Viktor Orban vehement ab. Beiden
Ländern Osteuropas wird vorgeworfen, mit umstrittenen Justiz-
und Medienreformen rechtsstaatliche Prinzipien der EU zu
verletzen.
Orban wiederum sieht eine "Politisierung" der
Debatte, weil bisher der Europäischen Gerichtshof darüber
entscheide, ob Rechtsstaatsprinzipien verletzt werden oder
nicht. Nach Angaben von EU-Diplomaten setzen die Osteuropäer
darauf, dass die südlichen EU-Länder für die Zuschüsse aus dem
Aufbaufonds einer Verwässerung der Rechtsstaatsklausel am Ende
zustimmen. Kurz und Rutte bestanden jedoch auf diese Klausel.
Orban wiederum kritisierte Rutte offen: "Ich mag keine
gegenseitigen Schuldzuweisungen, aber der Niederländer ist der
Verantwortliche für das ganze Chaos", sagte er.
Merkel und Macron hatten am Sonntag an den Einigungswillen
aller appelliert. "Wir brauchen die Einheit", sagte Macron und
verwies darauf, dass Europa durch die Corona-Pandemie in einer
unvergleichbaren Krise stecke. Merkel sagte, es gebe viel guten
Willen und auch Fortschritte in den Verhandlungen: "Aber es kann
auch sein, dass es heute zu keinem Ergebnis kommt."
(pcl/rtr)
Der Gazastreifen liegt in Schutt und Asche, das Sterben gehört dort zum Alltag, Kinder leiden massiv: Der Nahost-Konflikt und das brutale Agieren Israels im Gazastreifen spaltet die Gesellschaft. Es hagelt seit Monaten Kritik zur ungeheuren Brutalität, mit der das Land unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in der Enklave vorgeht. Auch in Israel wird der Widerstand größer.