EU
16.07.2019, 11:2516.07.2019, 11:28
An diesem Dienstag geht es für Ursula von der Leyen um alles. Erhält sie die notwendige Mehrheit von 374 Abgeordneten im EU-Parlament, um tatsächlich Präsidentin der Europäischen Kommission zu werden? Es wird knapp. Umso wichtiger sind die letzten Stunden vor der Abstimmung. Und da erinnerte jetzt ausgerechnet ein Satire-Politiker prominent an einen Makel, der der Noch-Verteidigungsministerin Deutschlands anhaftet.
Was war passiert? Gerade hatte Ursula von der Leyen am Dienstag ihre entscheidende Bewerbungsrede im EU-Parlament gehalten. Im Anschluss durften Politiker aller Fraktionen etwas sagen und auch Fragen an von der Leyen stellen. Nachdem die erste Runde rum war, fragte der neue Präsident des EU-Parlaments, David Sassoli: "Gibt es eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung?" Und ja, es meldete sich jemand: "Herr Semsrott bitte..."
Nico Semsrott war den meisten bisher wohl durch seine unregelmäßigen Auftritte in der "Heute-Show" (ZDF) bekannt. Im Mai wurde der Satiriker nun ins Europaparlament gewählt – für die Spaß-Partei "Die Partei". Dort sitzt er nun neben Martin Sonneborn, dem früheren Titanic-Chef (und ebenfalls Ex-"Heute Show"-Darsteller).
Nach der Rede von der Leyens steht Nico Semsrott auf
Semsrott erhob sich. Er sprach darüber, dass finanzielle Interessen in der Politik offenzulegen seien. "Ich habe da auch schon einen Vorschlag", sagte er – und öffnete den Reißverschluss seines schwarzen Kapuzenpullis.
Und schwupps:
Unter dem Pulli trug Semsrott einen weiteren schwarzen Pulli. Der war jedoch übersäht mit Firmenlogos, unter anderem von KMPG, PCW, McKinsey, Accenture.
Nico Semsrott kritisiert Berateraffäre von der Leyens
Was hat es damit auf sich? Nun ja, all diese Unternehmen sind Beraterfirmen. Gemeint war das offenbar als Anspielung auf die Beschäftigung teurer Berater in von der Leyens Verteidigungsministerium und auf die europäische Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen. Der Einsatz von Beratern für die Bundeswehr etwa hat unter Verteidigungsministerin von der Leyen einen dreistelligen Millionenbetrag gekostet.
Damit war Semsrotts Satire-Aktion ein klares Statement gegen Ursula von der Leyen, wie er später auch auf Twitter klarstellte.
Er hoffe, von der Leyen folgt seinem Beispiel, twitterte Semsrott weiter. Wie die Verteidigungsministerin reagierte, die im EU-Parlament die Aktion live mitverfolgte? Relativ entspannt. Womöglich sah sie aber auch gar nicht, was auf den kleinen Logos des Kapuzen-Pullis abgebildet war.
Wenig später meldet sich auch Martin Sonneborn zu Wort
Wenig später trat übrigens noch Semsrotts Kollege, Martin Sonneborn, auf. Auch er teilte gegen Ursula von der Leyen aus, und das nicht ganz so subtil wie sein "Die Partei"-Kollege. Sonneborn nannte von der Leyen "eine europapolitisch völlig kenntnisfreie deutsche Ministerin, die lediglich durch einen irren Hang zu überteuerten Beratern, Missmanagement und Euphemismen auffällig geworden ist."
Er sprach im Zusammenhang mit der CDU-Politikerin von einer "Parade von Inkompetenz und moralischer Wurstigkeit" und warf ihr vor, mit dem "Möchtegern-Faschisten Orban" und Italiens Innenminister Matteo Salvini zu paktieren.
Sonneborn schloss mit den Worten, dass man Europa nicht den Laien überlassen dürfe. "Zwinkersmiley."
Und von der Leyen so:
Ob sie am Abend auch noch freudig grinsen wird, wird die Abstimmung zeigen.
(hau)
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