Ein hinterhältiges Attentat auf den bekannten Kriminal-Reporter Peter R. de Vries erschüttert die Niederlande. Der Journalist liegt im Krankenhaus, sein Zustand ist kritisch.
watson hat für Euch zusammengefasst, was bisher bekannt ist:
Am Dienstagabend (6. Juli) gegen 19.30 Uhr verlässt de Vries ein Fernsehstudio in der Amsterdamer Innenstadt. Dort war er zuvor Gast in einer Talk-Show gewesen. Was dann geschieht kann laut Medienberichten von Augenzeugen rekonstruiert werden. Fünf Schüsse seien gefallen, einer habe de Vries am Kopf getroffen. Eine Anwohnerin berichtete der Tageszeitung "Het Parool", sie sei auf die Straße gegangen, als sie die Schüsse hörte.
Dort habe sie de Vries mit blutüberströmtem Gesicht auf dem Boden liegen sehen. Der Journalist habe nicht mehr sprechen können, sei aber noch am Leben gewesen. Bis zum Eintreffen der Rettungskräfte habe sie seine Hand gehalten.
Nach weiteren Berichten musste de Vries reanimiert werden. Er wurde in ein Krankenhaus eingeliefert, kämpft dort um sein Leben. Bilder zeigen, wie die Klinik "VU Medical Center" in Amsterdam von schwer bewaffneten Polizisten bewacht wird.
Peter R. de Vries gilt als einer der bekanntesten Kriminalreporter der Niederlande. Regelmäßig tritt er auch in Talk- und Live-Shows auf.
In der Vergangenheit stand der renommierte Journalist wegen seiner Recherchen in brisanten Fällen bereits unter Polizeischutz. So recherchierte er etwa zur Entführung des Bierbrauers Freddy Heineken 1983.
Sein Buch über den Fall wurde später mit Anthony Hopkins verfilmt. 2016 erstattete De Vries Anzeige, weil er von einem der Entführer, dem berüchtigten Kriminellen Willem Holleeder, eine Morddrohung erhalten hatte.
Für seine Berichterstattung über das Verschwinden einer US-Teenagerin auf der Karibikinsel Aruba 2005 erhielt er einen Emmy Award.
Kurz nach dem Anschlag auf de Vries wurden laut der niederländischen Zeitung "AD" zwei Verdächtige auf einer Autobahn festgenommen.
Bei Hausdurchsuchungen in Maurik, Rotterdam und Tiel seien Computer sowie Munition sichergestellt worden, teilte die Polizei am Mittwoch mit. Die zwei Verdächtigen sollen am Freitag dem Haftrichter vorgeführt werden. Sie waren nur wenige Stunden nach dem Anschlag auf der Autobahn A4 bei Leidschendam – etwa 60 Kilometer von Amsterdam entfernt – festgenommen worden.
Amsterdams Polizeichef Frank Paauw bestätigte, dass nach dem Angriff zwei Menschen festgenommen wurden, darunter wahrscheinlich der Schütze. Genauere Angaben zu den Festgenommenen oder einem möglichen Tatmotiv machte Paauw nicht. Laut Informationen der holländischen Zeitung "De Telegraaf" handelt es sich bei den Festgenommen um einen 35-jährigen Polen und einen 21-Jährigen aus Rotterdam. Ein dritter Tatverdächtige, ein 18-Jähriger aus Amsterdam, sei mittlerweile wieder auf freiem Fuß.
De Vries war Medienberichten zufolge zuletzt als Vertrauensperson eines Kronzeugen in einem Prozess gegen einen mutmaßlichen Drogenboss tätig gewesen. Bei diesem soll es sich nach Information des Magazin "Spiegel" um den Mafia-Boss Ridouan Taghi handeln. Dieser gilt als meistgesuchter Verbrecher der Niederlande und war im Dezember 2019 in Dubai ins Netz der Ermittler gegangen. De Vries habe selbst damals gesagt, dass er auf der Todesliste von Taghi stehe. 2019 waren bereits der Bruder und der Anwalt des Kronzeugen erschossen worden.
De Vries hatte sich durch seine Arbeit viele Feinde gemacht, lehnte jedoch offenbar Polizeischutz ab, wie "De Telegraaf"-Reporter Marcel Vink gegenüber BILD betonte. "Er hat gesagt, 'Ich will keine Polizei um mich die ganze Zeit, ich will frei arbeiten!'" Das Risiko habe er in Kauf genommen.
Über die Hintergründe der Tat wurde aber noch nichts mitgeteilt. Eine Sonderkommission wurde eingesetzt.
"Peter R. de Vries kämpft um sein Leben", sagte zutiefst bestürzt die Bürgermeisterin von Amsterdam, Femke Halsema.
Der Anschlag hat das Land geschockt, TV-Sender berichteten in Sondersendungen über die Tat. Premierminister Mark Rutte und Justizminister Ferd Grapperhaus waren mit der Anti-Terrorismusbehörde zusammengekommen. Politiker mehrerer Parteien und die Journalistengewerkschaft reagierten entsetzt.
Auch das niederländische Königspaar zeigte sich "tief geschockt". "Journalisten müssen ohne Bedrohung und frei ihre wichtige Arbeit tun können", teilten König Willem-Alexander und seine Frau Máxima auf Facebook mit. Das Paar weilt zur Zeit zu einem Staatsbesuch in Berlin.
Journalisten zeigten sich weltweit schockiert ob der brutalen Attacke. Die internationale und europäische Föderation der Journalisten sprachen am Dienstagabend von einem "neuen tragischen Schlag gegen die Pressefreiheit in Europa". Die Auftraggeber und Täter "dieses schrecklichen Angriffs" müssten so schnell wie möglich ermittelt und vor die Justiz gebracht werden.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sprach von einem "gezielten Versuch, Journalistinnen und Journalisten einzuschüchtern", die über organisierte Kriminalität berichteten. "Mit dem Attentat sollte kritischer und mutiger Journalismus mundtot gemacht werden", erklärte DJV-Chef Frank Überall. Er verwies darauf, dass de Vries als Experte auf dem Feld der organisierten Kriminalität galt und engen Kontakt zu einem mutmaßlichen Straftäter hatte, für den die Kronzeugenregelung gilt.
(Mit Material von dpa)