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EU
26.03.2019, 03:2526.03.2019, 09:40
Premierministerin Theresa May sieht noch immer keine Mehrheit für
ihren Brexit-Deal. Jetzt wollen die Abgeordneten im Unterhaus auf
eigene Faust eine Alternative finden.
- Das britische Parlament wird gegen den Willen der Regierung an diesem Mittwoch über Alternativen zum Brexit-Abkommen abstimmen.
- Ein entsprechender Antrag wurde am späten Montagabend in der Schlussabstimmung im Unterhaus mit einer Mehrheit von 327 zu 300 Stimmen angenommen.
- Für Premierministerin Theresa May ist das eine bittere Schlappe. Mehrere Staatssekretäre legten ihre Ämter nieder, um gegen die Regierung votieren zu können.
Industrie-Staatssekretär Richard Harrington gab seinen Rücktritt am Montagabend über den Kurzbotschaftendienst Twitter bekannt:
Nach Angaben aus Regierungskreisen scheiden zudem Aussenstaatssekretär Alistair Burt und Gesundheitsstaatssekretär Steve Brine aus der Regierung von Premierministern Theresa May aus.
Der Brexit-Experte der oppositionellen Labour-Partei, Keir Starmer,
bezeichnete das Ergebnis via Twitter als "weitere demütigende
Niederlage für die Premierministerin, die komplett die Kontrolle über
ihre Partei, ihr Kabinett und den Brexit-Prozess verloren hat".
Als Optionen für die Abstimmung am Mittwoch werden unter anderem eine
engere Anbindung an die EU oder auch ein zweites Referendum
gehandelt. Aber auch eine direkte Abkehr vom Brexit durch
Zurückziehen der Austrittserklärung ist im Gespräch. Ein Votum für
eine dieser Varianten wäre rechtlich zwar nicht bindend, würde aber
einen Hinweis darauf geben, wofür es eine Mehrheit im Parlament geben
könnte.
May hatte zuvor eingestanden, dass sich noch immer keine Mehrheit für
ihr Brexit-Abkommen abzeichnet. Daher wolle sie vorerst nicht erneut
über das Vertragspaket zum EU-Austritt abstimmen lassen, sagte sie am
Nachmittag vor dem Unterhaus.
"Nach jetzigem Stand gibt es noch immer keine ausreichende Unterstützung im Unterhaus, um das Abkommen für eine dritte Abstimmung vorzulegen."
Theresa May
Zuvor war spekuliert worden, das Parlament könnte bereits an diesem
Dienstag erneut über den Deal abstimmen. Sie arbeite aber daran, eine
Abstimmung noch in dieser Woche zu ermöglichen, fuhr May fort.
Die Regierung sei nicht gebunden, sollten sich die Abgeordneten auf
eine Alternative zum Brexit-Abkommen festlegen, stellte May klar. Die
automatische Folge einer Ablehnung ihres Deals sei immer noch ein
Austritt ohne Abkommen. Zugleich beschwichtigte sie aber: "Ein No
Deal wird nicht passieren, solange das Unterhaus dem nicht zustimmt."
Ein Antrag, die Regierung auf dieses Versprechen festzulegen, bekam
bei der Abstimmung am Abend jedoch keine Mehrheit.
Es dürfe aber auch keine Abkehr vom Brexit geben, sagte May. Sie
warnte zudem vor einem "langsamen" EU-Austritt mit einer Verlängerung
der Frist über den 22. Mai hinaus, womit eine Teilnahme an der
Europawahl notwendig wäre, die vom 23. bis 26. Mai stattfindet.
EU hatte Brexit-Aufschub genehmigt
Ursprünglich sollte Großbritannien die EU am 29. März verlassen. Die EU bot London in der vergangenen Woche eine Verschiebung des Brexits bis zum 22. Mai an. Bedingung dafür ist allerdings, dass das Unterhaus in dieser Woche dem Austrittsvertrag zustimmt. Andernfalls gilt die Verlängerung nur bis zum 12. April. In dem Fall soll London der EU vor diesem Termin sagen, wie es weitergehen soll.
Die EU-Kommission wollte sich am Abend nicht zu Mays Ankündigungen äußern. Eine Sprecherin verwies lediglich darauf, dass nur noch bis Freitag Zeit sei, die Abstimmung über den Brexit-Deal zu organisieren. Wenn dies nicht geschehe, müsse Großbritannien bis zum 12. April eine überzeugende Alternative präsentieren - oder dann ohne Abkommen aus der EU austreten.
Die Regierung in London will sich noch diese Woche vom Parlament den
Segen für eine Rechtsverordnung geben lassen, mit der das bisherige
Austrittsdatum 29. März auch nach nationalen Recht verschoben werden
soll. Sollte die Verordnung nicht gebilligt werden, entstehe zwar
Verwirrung und schädigende Unsicherheit, an der Verschiebung des
Brexit-Datums ändere sich aber nichts, sagte May.
Britische Medien hatten am Wochenende berichtet, May könnte von ihrem
Kabinett zu einem baldigen Rücktritt gezwungen werden. Am
Montagmorgen traf sich die Premierministerin mit ihrem Kabinett zu
einer Sondersitzung.
Theresa May muss eine weitere Schlappe einbüßen: Naht das Ende ihrer Zeit als britische Premierministerin?
Bild: reuters
Unterstützung erhielt May vor der Sondersitzung von Handelsminister
Liam Fox. Die Premierministerin genieße den Respekt der Bevölkerung,
die es überrasche, wie May mit all dem Druck umgehe, sagte Fox am
Morgen dem Radiosender BBC Radio 4. Die Aussicht auf eine Beteiligung
an der Europawahl im Fall eines längeren Brexit-Aufschubs könnte
vermutlich viele Abgeordnete davon überzeugen, das Austrittsabkommen
doch noch zu unterstützen, so Fox.
Die EU treibt unterdessen die Vorbereitungen auf einen chaotischen
Brexit weiter voran. Die EU-Kommission veröffentlichte am Montag dazu
neues Informationsmaterial für Bürger. Darin ist beispielsweise
beschrieben, was im Fall der Fälle bei Reisen ins Vereinigte
Königreich beachtet werden muss. Es werde immer wahrscheinlicher,
dass es zu einem Brexit ohne Austrittsabkommen komme, sagte eine hohe
EU-Beamtin am Montag zu den Vorbereitungen.
Für Großbritannien-Reisen wird in dem Informationsmaterial darauf
hingewiesen, dass die Europäische Krankenversicherungskarte nicht
mehr gelten würde und dass wieder Zusatzkosten für die Handynutzung
anfallen könnten. Zudem müssten EU-Bürger bei der Rückreise mit
Zollkontrollen rechnen. Ein Visum soll jedoch nach derzeitigem Stand
nur für Aufenthalte nötig werden, die länger als drei Monate dauern.
Sollte Großbritannien tatsächlich ohne Austrittsvertrag aus der EU
ausscheiden, wird mit dramatischen Folgen für die Wirtschaft und
viele andere Lebensbereiche gerechnet. Millionen EU-Bürger in
Großbritannien und Briten in der EU würden in große Unsicherheit
gestürzt.
(aj/dpa)
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