EU
Nach der Wahl ist vor dem Streit: Frühestens Ende Juni soll ein Vorschlag für die Nachfolge von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker vorliegen, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einem EU-Sondergipfel in Brüssel deutlich machte.
- Der Streit über die neue Besetzung der EU-Spitzenposten wird sich noch Wochen in die Länge ziehen.
- An diesem Mittwoch beraten die Abgeordneten der konservativen Parteienfamilie EVP zum ersten Mal nach der Europawahl.
- Es wird erwartet, dass die Abgeordneten ihrem Fraktionschef Manfred Weber (CSU) den Rücken stärken.
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Der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei erhebt Anspruch auf
Junckers Nachfolge, nachdem die EVP wieder stärkste Kraft im
Parlament geworden ist. Hoffnungen machen sich auch sein
sozialdemokratischer Gegenspieler Frans Timmermans und die Liberale
Margrethe Vestager.
Der Sondergipfel am Dienstagabend in Brüssel war sich aber keineswegs
einig, dass Weber oder einer der anderen Spitzenkandidaten den Posten
bekommen soll. Die Staats- und Regierungschefs setzten
EU-Ratspräsident Donald Tusk als Vermittler ein. Er soll nun mit
ihnen und mit dem EU-Parlament Gespräche führen und einen
konsensfähigen Personalvorschlag machen.
Wer will Weber verhindern?
Der französische Präsident Emmanuel Macron pochte darauf, dass nicht
nur die Spitzenkandidaten der Parteienfamilien in Frage kommen,
sondern die Staats- und Regierungschefs frei wählen können. "Wir
brauchen die Besten", sagte Macron. Es müsse jemand mit umfassender
Erfahrung sein. Zu den bekannten Namen könnten durchaus noch welche
hinzukommen, kündigte der französische Präsident an.
Merkel räumte Unstimmigkeiten ein. Macron sei kein Freund des
Spitzenkandidaten-Prinzips, sagte die CDU-Politikerin: "Wir waren uns
einig, dass wir heute noch keine Entscheidung treffen können." Über
Namen sei bewusst noch nicht gesprochen worden. Man habe aber eine
gute und ausgewogene Diskussion geführt.
Merkel erneuerte ihren Appell, die Personalentscheidungen im Konsens
zu suchen. "Jeder ist aufgefordert, tolerant und kompromissbereit zu
sein", sagte sie. Es gelte, keine Wunden zu reißen, die später
Sachenentscheidungen erschweren würden, etwa die Aufstellung eines
langjährigen Haushaltsplans.
Der künftige Kommissionspräsident braucht nicht nur im EU-Parlament, sondern auch im Rat der Staats- und Regierungschefs eine Mehrheit. EVP und Sozialdemokraten haben infolge der Europawahl erstmals gemeinsam keine Mehrheit mehr im Parlament und müssen ein Bündnis mit Liberalen oder Grünen suchen.
FDP-Chef Christian Lindner forderte die Grünen auf, die Dänin
Vestager zu unterstützen. Die bisherige EU-Wettbewerbskommissarin
wäre eine "vorzügliche, liberale Präsidentin der Kommission", sagte
Lindner der "Welt". "Als kleinere Fraktion haben die Grünen ja keinen
eigenen aussichtsreichen Kandidaten. Mit ihrem Support würden aber
Margrethes Chancen steigen."
Gesprochen wird zwischen den Parteien über inhaltliche Forderungen
ebenso wie über ein Personalpaket, bei dem alle Partner bedacht
werden könnten. Das bestätigte Merkel nach den Gesprächen. Gesucht
wird neben dem Kommissionschef auch ein Nachfolger für Tusk, für die
EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, für Parlamentspräsident
Antonio Tajani und für den Präsidenten der Europäischen Zentralbank,
Mario Draghi. Sie alle scheiden in den nächsten Wochen und Monaten
aus.
Tusk betonte aber, ein neuer EZB-Präsident solle nicht nach
parteipolitischen Erwägungen ausgewählt werden. Die Zentralbank sei
extrem unabhängig, und das sei auch allen bewusst.
(pb/dpa)
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