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Interview

Reservistin zum Wehrdienst: "Schießübungen machen was mit einem"

Kerry Hoppe ist Reserve-Offizierin.
Kerry Hoppe ist Reserve-Offizierin.Bild: James Zabel
Interview

Reserve-Offizierin über Wehrpflicht: "Ich bin gegen jede Art von Zwang, aber..."

Viele Menschen in Deutschland beschäftigen sie, nur ein Teil wäre von ihr betroffen, die Rede ist von der Wehrpflicht. Reservistin Kerry Hoppe lehnt sie (vorerst) ab. Warum erläutert sie im Gespräch ebenso wie die Frage, was es bedeutet, Soldatin im Kriegsfall zu sein.
05.07.2025, 15:1905.07.2025, 15:19
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Wehrpflicht? Ja, nein, vielleicht? Hier gehen die Meinungen extrem auseinander. In der älteren Generation fordern viele sie, Politiker:innen sind gespalten. Ablehnung gibt es hingegen oftmals von denjenigen, die davon direkt betroffen wären, also jungen Menschen.

Kerry Hoppe ging zur Bundeswehr, ganz freiwillig. Sie machte ihren Wehrdienst und ist heute Reserve-Offizierin. In zivil studiert sie Jura und engagiert sich bei den Jungen Liberalen. Ein Gespräch über Grenzen, Moral und das Töten auf Befehl.

watson: Würdest du für Deutschland zur Waffe greifen?

Kerry Hoppe: Ja, das ist der Deal, wenn man zur Bundeswehr geht. Ich habe nach dem Abitur einen Freiwilligen Wehrdienst gemacht und anschließend die Ausbildung zur Reserveoffizierin. In diesem Zuge habe ich auch einen Eid auf unser Grundgesetz abgelegt und mich dazu verpflichtet, im Verteidigungsfall für unser Land einzustehen.

Das führt aber unweigerlich dazu, dass du andere Menschen erschießen musst. Stellt sich da für dich eine Gewissensfrage?

Natürlich. Die kam auch recht früh auf. Schon als ich das erste Mal Schießübungen machen musste, lernte ich auf bestimmte Teile des Körpers zu schießen, Bauch, Unterbauch, Brust. Das macht was mit einem. Wenn aber mein Leben bedroht ist, meine Kameraden oder gar meine Lebensumstände bedroht sind, finde ich es rechtmäßig, mich zu wehren. Kein Zweifel, dass mich das nicht vor schwierige moralische Entscheidungen stellt.

Wehrpflicht ja, nein, vielleicht?
Die Wehrpflicht ist ein gesellschaftsrelevantes Thema, eines mit ordentlich Sprengkraft. In Umfragen wird sie mehrheitlich von Menschen eingefordert, die Alterswegen nicht mehr betroffen wären. Junge Menschen sind zwiegespaltener. Neben Kerry Hoppe haben wir auch mit Politfluencer Simon David Dressler gesprochen. Er ist dagegen, warnt sogar davor. Hier das Interview.

Jetzt gibt es aber Befehlsstrukturen in allen Armeen, heißt: Du musst abdrücken, weil du den Befehl bekommen hast, bei deinem Gegenüber verhält es sich aber genauso. Fühlt sich das nicht sinnlos an?

Die Realität, in der wir leben, ist, dass es nach wie vor Diktatoren gibt, nach wie vor autoritäre Staaten, die Menschenwürde und das Völkerrecht für fiktive Konstrukte halten. Und die ziehen in illegale Angriffskriege. Solange es das gibt, müssen wir uns dem entgegenstellen. Natürlich will ich keine bewaffneten Konflikte, doch in unserer Welt ist das nicht ausgeschlossen.

Soldaten können sich aber nicht aussuchen, wo ihre Einsätze stattfinden. Beschließt Deutschland, gegen eine Gruppe wie die Huthi vorzugehen, die keinen Angriffskrieg gegen das Land plant, muss die Bundeswehr dem nachkommen. Mit Verteidigung hat das nicht viel zu tun.

Für aktive Soldaten ist die Verpflichtungslage aber relativ klar. Wir sind eine Parlamentsarmee und wenn das Parlament einen Einsatz fordert, müssen wir dem Folge leisten. Grundsätzlich vertraue ich aber dem Parlament, darin, dass sie ihre Einsätze stets im Einklang mit dem Grundgesetz beschließen. Ist es nicht der Fall, sieht die Sache wieder anders aus.

Es können sich aber parlamentarische Mehrheiten verschieben, genauso wie Grundgesetzänderungen in der Theorie möglich sind, also auch eine solche, die Angriffskriege ermöglichen.

Das wäre eine verfassungswidrige Änderung, also eine, die nicht durchs Bundesverfassungsgericht kommt. Wenn es dazu kommt, würde ich an die Verfassungstreue und Moral der Bundeswehr appellieren, eben keine Befehle auszuüben, die gegen Menschenrechte verstoßen. Wir haben kein Prinzip des unbedingten Gehorsams, sprich Soldaten dürfen verfassungswidrige Befehle nicht ausüben.

Da stellt sich aber wieder die Frage nach den individuellen Grenzen.

Die können komplett unterschiedlich ausfallen. Hier kann ich nur für mich und abstrakt antworten. Das, was ich am Ende tun kann, entscheidet sich in der Situation selbst.

Gibt es in der Ausbildung eine Reflexion über moralische Dilemmata?

Nicht wirklich. Wir gehen immer vom objektiven Standard der Verfassung aus. Wir haben Befehle besprochen, die das Völkerrecht brechen, die die Menschenwürde missachten. Aber die Moral kann aufgrund ihrer individuellen Natur kein Maßstab sein.

Jetzt ist es so, dass junge Menschen in die Pflicht genommen werden sollen, etwa über eine Wehrpflicht. Das wäre ein Zwang entgegen moralischer Vorbehalte. Wie stehst du zu dem Thema?

Ich bin erstmal gegen jede Form von Zwang. Grundsätzlich bin ich aber dafür, dass jeder sich fragt, welchen Beitrag er für die Gesellschaft leisten kann. Trotz einiger Versäumnisse in Sachen sozialer Ungleichheit, trotz Versäumnissen bei der Rentenpolitik, Versäumnissen bei der Klimapolitik, würde ich mir für uns alle wünschen, einen Schritt zurückzugehen und zu sehen, dass es uns gut geht. Ich kann zum Arzt gehen, wann ich will, kann meine Meinung äußern, kann in einen Supermarkt gehen. Deswegen wäre es wünschenswert, wenn junge Menschen sich fragen, was sie tun können, um unser Land zu verbessern. Das muss nicht der Dienst an der Waffe sein, sondern auch zivilgesellschaftliches Engagement.

In aktuellen Diskursen geht es aber immer weniger um zivilgesellschaftliches Engagement. Stattdessen steht die Wehrpflicht im Vordergrund. Du selbst hast sie bereits mehrfach abgelehnt. Warum?

Ich glaube, dass wir das Ziel Aufwuchs und Durchhaltefähigkeit der Bundeswehr erstmal durch die Reserve abdecken sollten. Da sind noch sehr viele Potentiale, aus denen wir schöpfen können. Über den Heimatschutz, sprich Menschen, die die Bundeswehr unterstützen, gibt es ebenfalls noch Möglichkeiten, vor allem, weil es für Interessenten zu wenig Plätze gibt. Sind die Strukturen ausgereizt und reicht es trotzdem nicht, dann wäre eine Wehrpflicht sinnvoll.

Genau das bestätigt doch nur die Haltung, dass Menschen lediglich Material für die Bundeswehr sind, eine Ressource, die bei Bedarf aufgefüllt werden muss.

Das ist ein groteskes Bild, aber ich will’s nicht schön malen. Du brauchst im Krieg Soldaten. Wenn diese fallen, braucht es neue. Das ist furchtbar. Doch ein Bedrohungsszenario braucht Vorbereitung. So schlimm es auch ist, dass Soldaten nicht zwangsläufig im Krieg überleben, ist der Bedarf eine bittere Realität. Wenn wir äußere Sicherheit nicht gewährleisten können, außer mit einer Pflicht, dann führt kein Weg daran vorbei.

Freiheit und Sicherheit gehen bei dir Hand in Hand. Werden Menschen nun aber in einen Krieg gezwungen, landen sie in lebensbedrohlichen Situationen. Wessen Sicherheit wird dabei genau verteidigt?

Wenn uns allen egal ist, unter welchen Umständen wir leben, brauchen wir nicht über Landesverteidigung reden. Ich persönlich bin aber nicht gewillt, auf die Freiheiten in diesem Land zu verzichten. Sind wir uns einig, dass wir auf diese Werte nicht verzichten wollen, müssen wir sie verteidigen. Und das hat seinen Preis.

Wie viel sind die Freiheiten aber wert, wenn sie mit dem Krisenfall aufgehoben werden?

In einer Demokratie brauchst du zwangsläufig Mechanismen, die diese schützen. Diese können undemokratisch ausfallen, sind aber notwendig für eine Demokratie. So ist die Möglichkeit eines Parteienverbots nicht definitionsgemäß demokratisch – ich glaube es besteht aber Einigkeit, dass wir solche Optionen für eine wehrhafte Demokratie brauchen.

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