Frankreichs Staatspräsident hat in der EU viel vor, doch was kann er wirklich erreichen?getty/imago-montage
EU
05.03.2019, 06:4505.03.2019, 09:17
Knapp drei Monate vor der Europawahl
prescht Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach vorn und fordert
tiefgreifende Reformen für die Europäische Union.
"Wir dürfen nicht zulassen, dass die Nationalisten, die keine Lösungen anzubieten haben, die Wut der Völker ausnutzen. Wir dürfen nicht Schlafwandler in einem erschlafften Europa sein."
Macron in einem Gastbeitrag, der am Dienstag zeitgleich in der Zeitung "Die Welt", der französischen Zeitung "Le Parisien" und in führenden Tageszeitungen in den 28 Mitgliedsländern der EU erscheint.
Deshalb
sei es jetzt an der Zeit, zu handeln – denn die Europawahl werde
"über die Zukunft unseres Kontinentes entscheiden".
Der französische Präsident macht sich in seinem Gastbeitrag für
einen strengeren Schutz der Grenzen stark. Er fordert, den
Schengen-Raum neu zu überdenken: "Alle, die ihm angehören wollen,
müssen Bedingungen für Verantwortung (strenge Grenzkontrollen) und
Solidarität (gemeinsame Asylpolitik mit einheitlichen Regeln für
Anerkennung und Ablehnung) erfüllen", schreibt er. Eine Grenze
bedeute "Freiheit in Sicherheit". Macron schlägt eine gemeinsame
Grenzpolizei und eine europäische Asylbehörde vor: "Ich glaube
angesichts der Migration an ein Europa, das sowohl seine Werte als
auch seine Grenzen beschützt."
Macron über die Verteidigungspolitik der EU:
Macron fordert eine Verteidigungspolitik im Einklang
mit der Nato und den europäischen Verbündeten eine Erhöhung der
Militärausgaben und einen Europäischen Sicherheitsrat unter
Einbeziehung Großbritanniens. Überhaupt reicht Macron rund drei
Wochen vor einem möglichen Austritt der Briten aus der EU die Hand.
Der Brexit sei zwar eine "Sackgasse" und ein Symbol für "die Krise in
Europa". Allerdings spricht sich Macron für ein Europa aus, in dem
Großbritannien "einen vollwertigen Platz finden wird". In der
Vergangenheit hatte sich Macron bei den Austrittsverhandlungen immer
hart gegenüber den Briten gezeigt.
Zur Verteidigung der Freiheit in Europa bringt Macron eine
europäische Agentur für den Schutz der Demokratie ins Spiel. Mit
ihrer Hilfe sollen Wahlen vor Hackerangriffen und Manipulationen
geschützt werden. Frankreich selbst hat im vergangenen Jahr ein
Gesetzespaket gegen gezielt gestreute Falschinformationen in
Wahlkampfzeiten beschlossen, das von der Opposition heftig kritisiert
wurde. Außerdem schrieb der 41-jährige Politiker: "Im Sinne dieser
Unabhängigkeit sollten wir auch die Finanzierung europäischer
politischer Parteien durch fremde Mächte verbieten."
Macron über die Wettbewerbspolitik in der EU:
Der ehemalige Investmentbanker spricht sich außerdem für eine
Reform der Wettbewerbspolitik in Europa und eine Neuausrichtung der
Handelspolitik aus. "Europa ist keine Macht zweiten Ranges", schreibt
er und will Unternehmen, die Werte und Interessen wie
Umweltstandards, Datenschutz oder das Zahlen von Steuern untergraben,
bestrafen oder verbieten. Bei öffentlichen Aufträgen gelte es nach
chinesischem oder US-amerikanischen Vorbild europäische Unternehmen
zu bevorzugen.
Auch sozialpolitisch macht der einstige Senkrechtstarter
Vorschläge: "In Europa, wo die Sozialversicherung erfunden wurde,
muss für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (...) eine soziale
Grundsicherung eingeführt werden, die ihnen gleiche Bezahlung am
gleichen Arbeitsplatz und einen an jedes Land angepassten und jedes
Jahr gemeinsam neu verhandelten europaweiten Mindestlohn
gewährleistet", schreibt er.
Macron über den Klimawandel:
Gleichzeitig müsse die EU sich der Klimakrise stellen. "Werden
wir unseren Kindern in die Augen blicken können, wenn wir nicht auch
unsere Klimaschuld begleichen?", fragt er. Macron schlägt eine
europäische Klimabank vor, die den ökologischen Wandel finanziert.
"Alle unsere Institutionen müssen den Schutz des Klimas zum Ziel
haben", so der französische Präsident.
All diese Forderungen könnten einen "Neubeginn für Europa"
bedeuten, der auf den Säulen von "Freiheit, Schutz, Fortschritt"
basiert. "Deshalb sollten wir noch vor Ende dieses Jahres mit den
Vertretern der EU-Institutionen und der Staaten eine Europakonferenz
ins Leben rufen, um alle für unser politisches Projekt erforderlichen
Änderungen vorzuschlagen, ohne Tabus, einschließlich einer
Überarbeitung der Verträge", so Macron.
Wie steht es um Macron in Frankreich?
Der Herr des Élyséepalasts kämpft in Frankreich seit Monaten
gegen schlechte Umfragewerte. Seit Mitte November haben ihn die
Demonstrationen der "Gelbwesten" im Griff, die sich gegen seine
Reformpolitik stemmen. Während Macron normalerweise außenpolitisch
immer die große internationale Bühne suchte, hielt er sich in den
vergangenen Wochen auffallend zurück. Auf seine Teilnahme bei der
Münchner Sicherheitskonferenz verzichtete er zugunsten seiner
Bürgerdebatte, mit der er die "Gelbwesten"-Krise in den Griff
bekommen will.
Auch aus Europa gab es zuletzt immer wieder Gegenwind für den
Reformer, der bereits 2017 in seiner Sorbonne-Rede ehrgeizige Pläne
für die EU vorgestellt hatte. Mit der populistischen Regierung in
Italien lag Macron jüngst im Dauer-Clinch – zeitweise wurde sogar der
Botschafter aus Rom abberufen. Und auch mit Deutschland lief es in
letzter Zeit nicht immer reibungslos – beim Thema Rüstungsexporte
oder der der russisch-deutschen Erdgaspipeline Nord Stream 2 wurden
die Differenzen besonders deutlich.
Macron, dessen Partei La République en Marche Umfragen zufolge
bei den Europawahlen in Frankreich führt, muss sich nun gegen die
populistischen und nationalistischen Kräfte innerhalb der EU stemmen
- sein größter Gegenspieler könnte dabei der rechts-nationale
ungarische Regierungschef Viktor Orban sein. "Eine nationalistische
Abschottung hat nichts anzubieten, sie bedeutet Ablehnung ohne
jegliche Perspektive", schreibt Macron in seinem Beitrag. "Noch nie
seit dem Zweiten Weltkrieg war Europa so wichtig. Und doch war Europa
noch nie in so großer Gefahr."
(pb/dpa)
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