"Es ist vollkommen offensichtlich, dass die Ampel ein riesiges Problem hat." Mit dieser Ansicht ist Svenja Appuhn, neue Co-Sprecherin des Grünen-nahen Jugendverbands Grüne Jugend, nicht allein.
Das Bundesverfassungsgericht hat vergangene Woche ein Haushaltsmanöver der Ampelkoalition gekippt. Die Regierung hat in ihrem Nachtragshaushalt für 2021 60 Milliarden Euro an nicht genutzten Mitteln für den Kampf gegen die Pandemie rückwirkend in den Klima- und Transformationsfonds verschoben. Doch eine Klage der Unionsfraktionen im Bundestag hatte Erfolg, der entsprechende Nachtrag zum Haushalt 2021 wurde für nichtig erklärt.
Darüber hinaus könnten noch weitere Gelder, wie etwa die für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), betroffen sein. Derzeit laufen die Beratungen, woher die fehlenden Gelder nun genommen werden können – und die härtesten Sparvorschläge werden angebracht, wie etwa die von CDU-Chef Friedrich Merz. Das Geld könne etwa an der Kindergrundsicherung oder dem Bürgergeld gekürzt werden.
Inmitten dieser Zeit fällt der Bundesparteitag der Grünen. Sie haben sich ein straffes Programm vorgenommen, aber auch mehr Zeit eingeräumt. Auf vier Tage verteilt soll unter anderem die Arbeit der Grünen in der Regierung diskutiert werden.
Doch nicht etwa das Haushaltsurteil sorge aktuell unter den Grünen für Frustration, sondern die Asylpolitik der Ampel, betonen Svenja Appuhn und ihre Co-Sprecherin Katharina Stolla im Gespräch mit watson.
"Das ist eine handfeste Krise, vor der die Regierung gerade steht", sagt Svenja. Der Ampel würden mindestens 60 Milliarden Euro fehlen – unter anderem für Klimaschutz. "Jetzt – wie von der FDP gefordert – die Sozialleistungen zu kürzen, ist komplett unmenschlich. Die Menschen dürfen nicht unter den Haushaltstricks der Ampel leiden." Und sie wird noch deutlicher: "Die Ampel braucht kurzfristig eine Lösung für ihr Haushaltsloch, sonst fehlt mir die Vorstellungskraft, wie man weiterregieren möchte."
Der Druck auf Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wuchs in den vergangenen Tagen. Er gilt als eiserner Verfechter der Schuldenbremse. Eine Ansicht, die die Grüne traditionell nicht teilt. Die Regelung müsse ausgesetzt werden, um der Lage Herr zu werden, war die immer lauter werdende Forderung der vergangenen Tage. Nun steht fest: Die Schuldenbremse soll für dieses Jahr erneut ausgesetzt werden.
Lindner kündigte dazu am Donnerstag einen Nachtragshaushalt an. Einer Sprecherin zufolge wird darin die erneute "Feststellung einer außergewöhnlichen Notlage für das Jahr 2023 vorschlagen", was Voraussetzung für die Aussetzung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse ist.
"Es brodelt auf allen Ebenen der Partei", sagt Svenja. Allerdings weniger aufgrund des Haushaltslochs und der Schuldenbremse. Vielmehr aufgrund der Asylpolitik. Viele seien unzufrieden. "Wir erleben gerade die heftigsten Asylrechtsverschärfungen seit 30 Jahren und das unter grüner Regierungsbeteiligung."
Der Bundesvorstand der Grünen will auf dem Parteitag einen eigenen Dringlichkeitsantrag dazu einbringen. 130 Änderungsanträge gibt es dazu. Einer davon ist jener der Grünen Jugend. Die zentrale Forderung: Die Grünen sollen sich dazu verpflichten, keinen Asylrechtsverschärfungen mehr zuzustimmen.
"Das Asylrecht wird seit Jahren verschärft, das Leid geflüchteter Menschen nimmt kontinuierlich zu", sagt Katharina. "Deshalb fordern wir, keinen weiteren Asylrechtsverschärfungen zuzustimmen."
"Ich glaube, dass aktuell enorm viele Menschen von der Politik der Ampelkoalition sehr verunsichert sind", fügt sie hinzu. Katharina mahnt den Umgang mit der AfD an: Es sei sowohl strategisch als auch moralisch falsch, den Rechten den Rang abzulaufen, indem man deren Positionen übernehme.
Gleichzeitig gebe es gerade keine Strategie, die Mehrheit zurückzugewinnen. Die Aufgabe einer Partei sei es nicht, der gesellschaftlichen Stimmung hinterherzulaufen, sondern sich die Mehrheit für die eigenen Projekte zu organisieren. "Mehrheiten für eine menschliche Migrationspolitik organisiert man mit sozialer Politik und nicht, indem man Menschen verunsichert. Das hilft am Ende nur den Rechten."
Sollte der Antrag der Grünen Jugend erfolgreich sein, müssten die Grünen unter anderem auch ihre Zustimmung zum GEAS, dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem, zurückziehen. Oder etwa die Leistungskürzungen, die der letzte Bund-Länder-Gipfel beschlossen hat. In Anbetracht der damit einhergegangenen Debatten, kaum vorstellbar.
"Es wirft kein schlechtes Licht auf die Partei, wenn sie verbindlich zu Menschenrechten steht und gleichzeitig eine soziale Politik macht." Ein schlechtes Licht auf die Partei werfe die Zustimmung zur Entrechtung von geflüchteten Menschen, sagt Katharina.
Konkret fordert die Grüne Jugend:
(Mit Material der afp)