Als sei die Wahl zum Ministerpräsidenten durch die Stimmen der AfD im Februar nicht genug gewesen, hat Thüringens FDP-Chef Thomas Kemmerich sich am Wochenende abermals mit Rechtspopulisten eingelassen. Dieses Mal bei einer Demonstration in Gera.
Bei einem "Spaziergang" waren am vergangenen Wochenende Rechtspopulisten, Corona-Leugner, Verschwörungstheoretiker und Impfgegner in der AfD-Hochburg Gera auf die Straße gegangen, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Als einer der Hauptredner hatte sich Thomas Kemmerich verpflichten lassen. Ohne zu wissen, wer da außer ihm vor Ort sei, wie er sagt.
Dass an dem "Spaziergang" auch Rechtspopulisten und Corona-Leugner beteiligt waren, sei ihm am Samstag nicht aufgefallen, versicherte Kemmerich hinterher. Erneut war es laut Kemmerichs eigenen Worten also Unwissen, das ihn in die Nähe zu Rechtspopulisten brachte. So langsam mag das keiner mehr glauben.
Watson wollte von der Vorsitzenden der Jungen Liberalen (JuLis), Ria Schröder, wissen, warum die FDP gerade so ein Problem mit Männern hat, die am rechten Rand fischen.
"Das zeigt, dass Thomas Kemmerich in den vergangenen Wochen nichts gelernt hat."
watson: Was haben Sie gedacht, als Sie die Info bekommen haben, dass Thomas Kemmerich bei einer Demo mit Rechtspopulisten und Impfgegnern aufgetreten ist?
Ria Schröder: Das zeigt, dass Thomas Kemmerich in den vergangenen Wochen nichts gelernt hat. Dass er mit Verschwörungstheoretikern, Impfgegnern und Rechtspopulisten auf einer Demo mitläuft, finde ich frustrierend, weil es die gute Arbeit der FDP im Bundestag und den Landesparlamenten überschattet und torpediert. Das ist dumm und überflüssig. Wenn jemand so eine bescheuerte Aktion macht, wird überall darüber gesprochen. Ein gemeinsames Papier zur Bekämpfung häuslicher Gewalt, das vergangene Woche von mehreren FDP-Politikern beschlossen wurde, bekäme niemals so eine Aufmerksamkeit.
Aktuell macht Ihre Partei in der Tat eher durch Negativschlagzeilen von sich reden: Die FDP in Baden-Württemberg hat am Wochenende dem Grünen-Bürgermeister Boris Palmer – der wegen seiner Äußerungen zu Corona schwer in der Kritik steht – vorgeschlagen, der FDP beizutreten. Ist das eine gute Idee?
Ich schätze den Vorsitzenden der baden-württembergischen FDP, Michael Theurer, sehr. Ich weiß aber nicht, wie er auf diese Idee gekommen ist. Wir brauchen in der FDP keine Leute, die sich aus Prinzip gegen einen vermeintlichen Mainstream stellen und angebliche Tabus brechen, indem sie menschenverachtende Äußerungen tätigen.
Es fällt auf, dass es vor allem Männer sind, die gerade für Unruhe sorgen. Müssen die Frauen innerhalb der FDP gerade retten, was die Männer an Chaos verursachen?
Das kann ich so nicht bestätigen. Es gibt durchaus auch viele Männer, die sich klar positioniert und gesagt haben, dass das so nicht geht. Es ist vielleicht eher auffällig, dass die Frauen gerade weniger mit blöden Ideen in der Öffentlichkeit stehen. Möglicherweise hält man es als Frau besser aus, einmal nicht im Rampenlicht zu stehen. Klar, als Politiker muss man seine Arbeit mit der Öffentlichkeit teilen und für seine Positionen werben, aber das rechtfertigt nicht jede Überspitzung.
Seit 2018 Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis): Ria Schröder.Bild: imago stock&people / Jens Jeske
"Es ist eine Grenze überschritten, wenn man sich mit den Impfgegnern und Aluhutträgern gemein macht."
Wo ist da die Trennlinie zwischen sinnvoller Oppositionsarbeit und sinnlosem Zündeln?
Es gibt genug Kritikpunkte an den Maßnahmen der Regierung. Man kann diese willkürliche 800-Quadratmeter-Regelung kritisieren, oder, dass die mittleren Betriebe vergessen wurden, genauso wie die Auszubildenden. Es ist richtig, das zu kritisieren. Aber es ist eine Grenze überschritten, wenn man sich mit den Impfgegnern und Aluhutträgern gemein macht.
Wie wollen Sie dem Eindruck entgegenwirken, die FDP nähere sich der AfD an?
Es ist wichtig, dass wir unsere Themen klarmachen, ohne populistisch zu werden, und uns klar von den Rechtspopulisten abgrenzen. Wir dürfen weder deren Sprache noch deren Mittel nutzen. Die FDP hat mit der AfD nichts gemein.
Die FDP kratzt wieder an der Fünf-Prozent-Hürde. Wie kann die Partei wieder aus dem Umfragetief kommen?
Da gibt es eine Menge zu tun. Wir müssen uns auf unsere Kernkompetenzen konzentrieren und in der Wirtschaftspolitik und Bildungspolitik punkten. Es wird gerade wieder sehr deutlich, wie sehr das Bildungssystem vernachlässigt wurde, etwa in Sachen politischer Bildung, aber auch bei der Digitalisierung.
Durch Corona und die Wochen im Homeoffice ist vielen klar geworden, was alles möglich ist. Wir müssen überlegen, wie wir die Digitalisierung ausbauen und gleichzeitig Bürgerrechte schützen. Themen sind für uns Liberale mehr als genug vorhanden, wir brauchen dafür keinen Populismus.
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