Im Sommerinterview des RBB redete der brandenburgerische AfD-Chef Andreas Kalbitz über die Corona-Maßnahmen.bild: screenshot rbb
Exklusiv
07.07.2020, 14:2907.07.2020, 14:33
Für ein Interview mit Brandenburgs AfD-Chef Andreas Kalbitz muss sich der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) viel Kritik anhören.
Der Landes- und Fraktionschef der AfD war am vergangenen Sonntag bei "Politik am See" zu Gast, der Sommerinterview-Reihe des RBB. Dort forderte er aus dem Korbstuhl am See heraus unter anderem die sofortige Aufhebung der Corona-Maßnahmen in Brandenburg.
Kalbitz durfte in dem Interview außerdem unwidersprochen unterstellen, der Verfassungsschutz handele auf Druck der Medien. Zur Erinnerung: Der brandenburgische Verfassungsschutz stuft Kalbitz als Rechtsextremisten ein.
Das ist Andreas Kalbitz:
Er galt als führendes Mitglied des mittlerweile aufgelösten rechten "Flügels" innerhalb der AfD und stand der rechtsextremistischen und seit 2009 verbotenen "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ) nahe. Kalbitz bestreitet das nicht, sagt dazu aber, er sei nie HDJ-Mitglied im juristischen Sinne gewesen. Weil er seine Tätigkeit bei der HDJ beim Parteieintritt verschwiegen hatte, wollte ihn der Co-Vorsitzende, Jörg Meuthen, Mitte Mai aus der Partei werfen. Mit einem Eilantrag hatte Kalbitz jedoch erfolgreich gegen seinen Rausschmiss gewehrt, er bleibt weiterhin Mitglied der Partei.
"Selbst für die AfD zu extrem"
Der RBB sieht sich wegen des Interviews mit dem AfD-Politiker nun scharfer Kritik ausgesetzt. Rechtsextremisten solle man grundsätzlich keine Stimme geben, heißt es beispielsweise von Nutzern auf Twitter.
ARD-Journalist Georg Restle formulierte seine Kritik anhand der Unternehmensleitlinien des RBB und brachte damit zum Ausdruck, wofür das Kalbitz-Interview seiner Ansicht nach nicht steht:
RBB reagiert auf Kritik: "Können und wollen Fraktionschef der größten Oppositionspartei nicht ignorieren"
Watson hat den RBB um Stellungnahme zur Kritik am Interview gebeten. Wir wollten wissen, warum der Sender Kalbitz zum Gespräch einlud, wie der Sender zu der Kritik steht und ob es ein Fehler war, Kalbitz einzuladen.
Der Sender verteidigt sein Vorgehen. "Wir bilden in dieser Reihe die politische Wirklichkeit ab, die die Wählerinnen und Wähler in Brandenburg geschaffen haben. Wir sehen es als unsere Verpflichtung an, das gesamte demokratisch legitimierte Spektrum zu Wort kommen zu lassen", erklärte RBB-Chefredakteur Christoph Singelnstein gegenüber watson.
Auf die Frage, ob es das Kalbitz-Interview ein Fehler war, antwortete der RBB-Chefredakteur: "Nein. Wir können und wollen als öffentlich-rechtlicher Sender den Fraktionschef der größten Oppositionspartei und zweitstärksten politischen Kraft im Land nicht ignorieren."
Singelnstein erklärte weiter: "Die Sommer-Interviews sind nicht investigativ angelegt, sondern machen politische Positionen deutlich. Wir führen diese Interviews, damit man über die Inhalte diskutieren kann, nicht über das Interview selbst."
Die Entscheidung, Kalbitz einzuladen, sei mit dem grundsätzlichen Vorhaben gefallen, eine Sommerinterview-Reihe mit brandenburgischen Spitzenpolitikern zu führen. "Das ist angesichts der großen Themen, die das Land vom Kohleausstieg über die Ansiedlung von Tesla bis zu Corona bewegen, journalistisch sinnvoll. Wenn wir das tun, können wir aus Gründen der uns gesetzlich aufgetragenen Ausgewogenheit die AfD nicht ausklammern", erklärte der RBB-Chefredakteur weiter. "Wir laden zu den Sommerinterviews aus den Oppositionsparteien die Fraktionschefs ein, das ist bei der AfD Andreas Kalbitz."
Am Montag hatte der RBB sich zwischenzeitlich online mit dem Hinweis verteidigt, Kalbitz' Rechtsextremismus sei "nicht bewiesen". Ein Fehler, wie der RBB-Chefredakteur nun sagt: "Den Fehler eines Mitarbeiters in der Online-Diskussion zu dem Interview haben wir korrigiert. Er hatte behauptet, es sei nicht erwiesen, dass Andreas Kalbitz als Rechtsextremist zu betrachten ist. Der Brandenburger Verfassungsschutzchef Müller bezeichnet Kalbitz als Rechtsextremist."
(lau/pcl/hau)
Anmerkung der Redaktion inklusive Richtigstellung: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir behauptet, der hier formulierte Urteilsspruch würde eine Frau betreffen, die sich gegenüber Medien als Betroffene zum MeToo-Skandal bei der Linken geäußert hatte. Das war inhaltlich falsch. Wir bedauern den Fehler und haben die entsprechenden Passagen korrigiert bzw. entfernt. Richtig ist: Verurteilt wurde eine Frau, die sich als Reaktion auf die damaligen Medienberichte auf Social Media zu dem Fall äußerte.