Populist, Autokrat, geistiger Brandstifter, kurzum: eine Gefahr für die Demokratie. So lautet die Meinung vieler demokratischer Politiker zum kürzlich aus dem Amt geschiedenen US-Präsidenten Donald Trump. Nach dem Sturm auf das Kapitol in Washington Anfang Januar soll Trump nun die politische Verantwortung für die Entweihung der heiligen Hallen des Kongresses tragen.
In einem historisch einmaligen zweiten Amtsenthebungsverfahren wird Trump in dieser Woche im Senat der Prozess gemacht. Es geht nicht mehr darum, einen Präsidenten abzusetzen, der seinem Amt nicht gewachsen ist. Sondern darum, zu verhindern, dass er ein zweites Mal für die Präsidentschaft kandidiert.
Die meisten Republikaner wehren sich vehement gegen ein zweites Amtsenthebungsverfahren. Aus ihrer Sicht wird es aus rein parteitaktischen Gründen vorangetrieben. Es ist unsicher, ob sich genug republikanische Senatoren finden werden für die Zweidrittelmehrheit, die nötig ist, um eine zweite Präsidentschaftskandidatur Trumps unmöglich zu machen.
Einer, der den ehemaligen US-Präsidenten während seiner Amtszeit aus unmittelbarer Nähe verfolgt hat und in einem viel beachteten Buch eindringlich vor ihm warnt, ist dessen ehemaliger Sicherheitsberater John Bolton. Im Interview mit watson erklärt er, warum er trotzdem nichts von einem zweiten Amtsenthebungsverfahren hält und welche Rolle Verschwörungsmythen für die Republikanische Partei spielen.
Watson: Mr. Bolton, Ihre Parteikollegin Marjorie Taylor Greene wurde von allen Ausschüssen im Kongress ausgeschlossen. Sie war zuvor in der Kritik, Teile des QAnon-Verschwörungsmythos zu propagieren. Wie stehen Sie zu der Entscheidung des Kongresses?
John Bolton: Es ist richtig, dass so jemand in einem Parlament keinen Einfluss haben darf. Ich hätte es aber begrüßt, wenn die republikanische Partei diese Entscheidung selbst getroffen hätte.
Der Fraktionsführer der Republikaner hatte die Möglichkeit dazu gehabt, sich aber geweigert, Greene aus den Ausschüssen zu verbannen ...
Das ist bedauerlich. Wenn so etwas durch die Mehrheit der Demokraten im Kongress entschieden wird, vertieft das nur die Gräben zwischen den Parteien. Sie können sicher sein, dass die Republikaner die nächstmögliche Chance nutzen werden, um auch demokratische Abgeordnete aus Ausschüssen auszuschließen.
Für Anhänger von QAnon ist Donald Trump eine Art Messias. Wie sehr nutzt er diese rechtsextremen Verschwörungsmythen?
Für ihn ist das natürlich praktisch. Er akzeptiert diese Unterstützung und befeuert solche Verschwörungsmythen teilweise auch selbst aktiv, wie er es zum Beispiel bei der Birther-Bewegung getan hat, die glaubt, dass Barack Obama nicht in den USA geboren worden ist und somit gar nicht Präsident hätte werden dürfen. Trump hat sogar einen Detektiv beauftragt, um diese These zu bestätigen.
Ist es richtig, dass solche Menschen innerhalb der Republikanischen Partei geduldet werden?
Ich bin ein Konservativer und für mich ist die Republikanische Partei dann am stärksten gewesen, wenn sie auch wirklich konservativ war. Radikale Kräfte haben uns immer geschadet, wir brauchen eine Rückbesinnung zu einer wirklich konservativen Politik.
Wer könnte die Partei nun wieder dorthin führen?
Die Partei formiert sich neu und das tut sie schon eine ganze Weile. Wir haben fähige Leute wie Mike Pence oder Ted Cruz.
Aber sie genießen nicht so eine breite Unterstützung in der Bevölkerung, wie es ein Populist wie Donald Trump tut.
Donald Trump ist kein Populist.
Was denn sonst?
Diese ganze Idee von "Trumpismus" ist in meinen Augen inhaltslos. Dafür müsste irgendeine Form von politischer Agenda oder Konzept dagewesen sein. Ist es aber nicht. Donald Trump ist nur eines: Donald Trump. Alles, was er getan hat, war, er selbst zu sein. Deshalb wird aus seiner Amtszeit auch kein politisches Erbe erwachsen.
Nun, er selbst könnte nochmals kandidieren ...
Ich verrate Ihnen etwas: Donald Trump wird 2024 nicht mehr antreten. Er wird sich so eine Schmach wie bei der vergangenen Wahl nicht noch einmal antun, davor hat er viel zu viel Angst.
Es könnte durchaus auch sein, dass er das gar nicht mehr darf. Diese Woche startet das zweite Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump. Sollte diesem Erfolg beschieden sein, darf er nicht mehr als Präsident kandidieren.
Dieses Verfahren ist zum Scheitern verurteilt und eine rein parteitaktische Angelegenheit, ebenso wie das erste Verfahren. Ich sehe wenig Sinn darin, den Präsidenten, der sowieso schon aus dem Amt geschieden ist, noch einmal anzuklagen.
Irgendeine Konsequenz muss der Sturm auf das Kapitol doch haben.
Wird er auch: Diejenigen, die das verübt haben, werden angeklagt und verurteilt werden. Aber ein Impeachment gegen einen abgewählten Präsidenten verstärkt nur die Spaltung in diesem Land. Das ist nicht das, was wir gerade brauchen.
Dann lassen Sie uns den Blick nach vorne richten. Der neue US-Präsident Joe Biden wurde jüngst vereidigt und hat seine Minister ernannt. In Ihrem Buch "The Room Where It Happened" schildern Sie das Personenkarussell im Weißen Haus unter Donald Trump. Können Sie sich vorstellen, dass es unter seinem Nachfolger ähnlich turbulent zugehen wird?
Nein. Bei Donald Trump herrschte Chaos und ein Organisationsvakuum unterhalb seiner Position. Wo Chaos herrscht, entsteht Streit und daraus resultieren dann wechselnde Personalien. Joe Biden ist nun eher langweilig und beständig. Ich glaube nicht, dass wir bei ihm auch nur annähernd ähnlich chaotische Zustände erleben werden, wie es bei Donald Trump der Fall war.
Wie bewerten Sie als außenpolitischer Experte Bidens Wahl bei der Besetzung der Kabinettsposten?
Sein Außenminister Antony Blinken ist ein professioneller und erfahrener Experte, der eben auch lange als Berater für Biden gearbeitet hat. Es sind im Großen und Ganzen dieselben Personen und Haltungen, die auch die Außenpolitik unter Barack Obama geprägt haben. Die werden genau da ansetzen, wo sie vor vier Jahren aufgehört haben. Das bedeutet eine Rückkehr zum Multilateralismus und internationaler Zusammenarbeit.
Was bedeutet das in Bezug auf Deutschland und Europa?
Es wird wieder Dialog stattfinden, aber die Europäer müssen sich klar werden, dass das Zwei-Prozent-Ziel der Nato nach wie vor nicht vom Tisch ist. Wenn Emmanuel Macron erklärt, dass die Europäer ein eigenes Verteidigungsbündnis brauchen, dann ist das interessant, aber ich bin gespannt, was daraus für Konsequenzen folgen.
Welchen Herausforderungen wird die neue US-Regierung außenpolitisch begegnen müssen?
Ich werde nicht müde zu erklären, dass der Umgang mit China die große Herausforderung der kommenden Jahre sein wird. Das sollten auch die Europäer langsam begreifen und sich auf eine gemeinsame Politik gegenüber China verständigen.
Apropos China, ich habe gelesen, Sie wurden dort mit einem Einreiseverbot belegt. Wissen Sie inzwischen weshalb?
Am Tag der Vereidigung Joe Bidens wurden mehrere Minister von Trumps Kabinett, auch Außenminister Mike Pompeo, mit einem Einreiseverbot belegt. Warum genau das zu diesem Zeitpunkt passiert ist, weiß ich nicht, aber ich kann meine deutschen Kollegen nur warnen: Das passiert, wenn man zu kritisch gegenüber China ist. Ich war damals auch schon seit Monaten nicht mehr im Amt. Warum ich als einziges ehemaliges Mitglied der US-Regierung betroffen bin, weiß ich auch nicht.
Vielleicht hat Ihre Popularität nach dem Erscheinen Ihres Buches über Donald Trump Sie noch einmal ins Gedächtnis gerufen?
(lacht) Das kann natürlich sein.