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Gender-Verbot: Sprecher relativiert Weimer-Ansage – Regierung gespalten

01.06.2025, Berlin: Wolfram Weimer, Staatsminister für Kultur und Medien, spricht beim Festakt zum 200. Jubiläum der Museumsinsel. Das Inselfest bietet sowohl ein Tagesprogramm in den Museen als auch  ...
Kulturstaatsminister Wolfgang Weimer ist ein Gegner des Genderns.Bild: dpa / Fabian Sommer
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Gender-Verbot: Sprecher relativiert Weimer-Ansage – Regierung gespalten

Wolfgang Weimer ist Kulturstaatsminister, in den Augen vielen aber vor allem Kulturkampf-Minister. Sein Sprecher hat gegenüber watson nach einer umstrittenen Aussage von ihm nun Stellung genommen.
11.08.2025, 20:5811.08.2025, 20:58
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Der parteilose und erzkonservative Kulturstaatsminister Wolfgang Weimer arbeitet sich derzeit mit Leidenschaft am Gendern ab und versucht – im Rahmen seiner Möglichkeiten – dagegen vorzugehen. Als Erstes verbot er in der offiziellen Kommunikation des Bundeskanzleramts die Gender-Sprache mit Sonderzeichen. Gemeint sind alle Schreibweisen, die nicht ausschließlich Männer und Frauen oder Bürgerinnen und Bürger einschließen.

Doch damit nicht genug: Zuletzt drängte er auch darauf, dass es ihm alle öffentlich geförderten Institutionen wie Museen, Stiftungen oder gar der öffentliche Rundfunk gleichtun. Es gehe dabei laut Weimer um die "gemeinsame Verantwortung für die Verständlichkeit staatlich geförderter Kommunikation".

Er "empfehle" die Linie seines Hauses daher auch öffentlich geförderten Institutionen. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur mahnte er dann: "Wer im öffentlichen Auftrag spricht, sollte eine Sprache wählen, die für alle nachvollziehbar ist und breite Akzeptanz findet".

Gender-"Empfehlung": Sprecher lässt Fragen offen

"Sollte"? Spätestens an dieser Stelle klang das Ganze plötzlich nicht mehr allzu sehr nach Empfehlung, sondern mehr nach einer klaren Anweisung. Watson hat deshalb beim Kulturstaatsminister nachgefragt, was es damit auf sich hat.

Ein Sprecher des Staatsministers bekräftigte daraufhin erneut, es handele sich um eine "Empfehlung". Weiter erklärte er:

"Selbstverständlich können alle Kultureinrichtungen und Rundfunkanstalten weiterhin frei und unabhängig darüber entscheiden, wie sie kommunizieren."

Dennoch blieben in der Antwort von Weimers Ressort mehr Fragen offen als beantwortet. Haben Museen und Stiftungen bei der Bewerbung um staatliche Förderung einen Nachteil gegenüber anderen Institutionen, die nicht gendern? Inwiefern ist die Unabhängigkeit der Institutionen gewährleistet, wenn sie vom Geldgeber eine Empfehlung dazu bekommen, wie sie arbeiten "sollen"? Klarheit: Fehlanzeige.

Rundfunk und Gendern: Das Ende der Unabhängigkeit?

Allem voran in Bezug auf den Rundfunk ist die Angelegenheit durchaus empfindlich: Denn dieser wird nicht einmal aus dem Bundeshaushalt finanziert – anders als so manche Museen und Stiftungen. Stattdessen beziehen die Rundfunkanstalten ihre Einnahmen über den Rundfunkbeitrag.

Wie unabhängig wären also besonders die ARD-Anstalten sowie das ZDF, wenn sie auf das Drängen des Kulturstaatsministers hin ihre Sprache verändern würden? Auch hierzu äußerte sich Weimers Sprecher nicht.

Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Mika Beuster, bezeichnete den Vorstoß des Ministers als einen "Eingriff in die Rundfunkfreiheit".

Bundesregierung gespalten: Ministerien folgen Weimer nicht

Innerhalb seiner Regierung trifft Weimer anscheinend ebenfalls keinen Nerv. Bis auf Familienministerin Karin Prien (CDU), die bereits vor ihm ein Gender-Verbot in ihrem Ministerium erlassen hatte, folgte laut einem "Tagesspiegel"-Bericht kein einziges Ressort seinem Vorbild.

Demnach hat bisher kein anderes Ministerium ein ähnliches Verbot ausgesprochen oder geplant. Die Tageszeitung hatte nach eigenen Angaben alle 15 übrigen Bundesministerien angefragt.

Auf der anderen Seite finden sich innerhalb der Bundesregierung auch nicht wirklich viele Fans des Genderns. Es gibt lediglich bereits bestehende Regelungen, etwa "die gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesregierung, in der für den amtlichen Schriftverkehr die Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung als Maßgabe definiert sind", wie ein Sprecher von Verkehrsministers Patrick Schnieder (CDU) erklärte.

Die meisten Ministerien wollen demnach durch Doppelnennungen ("Bürgerinnen und Bürger") oder etwa neutrale Formen ("Studierende") die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau gewährleisten. Immerhin: Weimers Sprecher wies gegenüber watson daraufhin, dass auch die Behörde des Kulturstaatsministers diesen Regeln folgt.

Echte Gender-Mäuse quasi, die ganz konkret mit Sonderzeichen arbeiten, gibt es dem "Tagesspiegel"-Bericht zufolge nur wenige: Das Arbeitsministerium von SPD-Chefin Bärbel Bas wies darauf hin, dass im "rein internen Schriftverkehr" auch mal das Gendersternchen benutzt wird, ebenso wie in einigen Social-Media Posts.

Einzig das Bundesentwicklungsministerium von Reem Alabali Radovan (SPD) antwortete demnach, das Gendersternchen sei auch in der externen Kommunikation der "Standard".

Grüne werfen Weimer "Kulturkampf" und "Drohung" vor

Aus der Opposition bekommt Weimer für seine "Empfehlungen" erwartbar heftigen Gegenwind. Sven Lehmann von den Grünen, Vorsitzender des Kulturausschusses im Bundestag, kritisierte Weimers Vorstoß gegenüber den geförderten Institutionen: "Ist Herr Weimer eigentlich Kulturstaatsminister oder missionarischer Kulturkämpfer?", fragte der Grünen-Politiker zynisch im Gespräch mit der dpa.

Es sei schon "schlimm genug", dass Weimer in seiner eigenen Behörde "Sprachverbote" verhänge. "Dass er nun aber sogar freie Kulturinstitutionen einschränken will, geht eindeutig zu weit. Weimers Formel für seine Kulturpolitik lautet offenbar Freiheit predigen und Verbote erlassen", polterte Lehmann.

Seine Grünen-Kollegin Misbah Khan sah in Weimers Äußerungen ebenfalls eine "implizite Drohung": "Wer nicht folgt, riskiert den Verlust relevanter Finanzmittel." Khan sprach von einem Angriff auf Freiheit von Kunst und Kultur und der Versuch, kritische Stimmen zu disziplinieren, meinte Khan.

(mit Material der dpa)

Gender-Verbot: Sprecher relativiert Weimer-Ansage – Regierung gespalten
Wolfgang Weimer ist Kulturstaatsminister, in den Augen vielen aber vor allem Kulturkampf-Minister. Sein Sprecher hat gegenüber watson nach einer umstrittenen Aussage von ihm nun Stellung genommen.
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