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Was die Jusos von einem Kanzler Olaf Scholz und der Regierung erwarten

Olaf Scholz, Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat, spricht bei einer Wahlkampfveranstaltung und dem offiziellen Abschluss des Wahlkampfes der SPD auf dem Heumarkt. Bundesfinanzminister Scholz will n ...
Der Kanzlerkandidat der SPD, Olaf Scholz, bei seinem diesjährigen Wahlkampf.Bild: dpa / Rolf Vennenbernd
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"Mit Sicherheit wird es auch Gegenwind geben": Was die Jusos von einem Kanzler Olaf Scholz und der Regierung erwarten

27.11.2021, 12:0227.11.2021, 14:11
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An diesem Wochenende treffen sich die Jungsozialistinnen und Jungsozialisten (Jusos) – also der Jugendverband der SPD – in Frankfurt am Main zum Bundeskongress. Der findet unter dem Motto: "Dem Morgen entgegen" statt. Wegen der aktuellen Coronalage findet die Zusammenkunft in diesem Jahr als Hybrid-Veranstaltung statt: digital und mit strengem 2G-Plus-Konzept vor Ort.

Einer der Programmpunkte ist eine Rede des designierten Bundeskanzlers Olaf Scholz. Im Anschluss daran ist eine Diskussion geplant. Thema der Debatte dürfte auch der Koalitionsvertrag sein, den SPD, Grüne und FDP in dieser Woche vorgestellt haben.

watson hat mit Manon Luther, der stellvertretenden Vorsitzenden der Jusos, über den Kanzler in spe gesprochen. Und darüber, was die Jungsozialistinnen von der neuen Regierung erwarten.

Manon Luther ist stellvertretende Vorsitzende der Jusos.
Manon Luther ist stellvertretende Vorsitzende der Jusos.Bild: Jusos

watson: Als Vorsitzenden wolltet ihr Olaf Scholz 2019 nicht haben. Als Kanzler aber schon – was hat sich geändert?

Manon Luther: Vieles hat sich seither verändert: Wir sind als Partei durch einen inhaltlichen Aufbereitungsprozess gegangen. Wir haben uns neu positioniert.

Inwiefern?

Hartz IV, Investitionen, Infrastruktur: All das sind Themen, die die Partei hart verhandelt hat und zu einem Ergebnis gekommen ist. Und Olaf Scholz war ein großer Teil davon. Wir haben die Neupositionierung gemeinsam vorgenommen und er ist mit einem Programm in den Wahlkampf gezogen, das genau diese Neupositionierung widergespiegelt hat. Es ist also viel Wasser den Fluss heruntergelaufen und trotzdem muss ich sagen, die Jusos sind nicht in jeder kleinen Frage mit Olaf Scholz auf einer Linie. Das ist etwas, das sich auch jetzt nicht verändert hat.

Du hast es gerade schon angesprochen: das Thema Hartz IV. Die Ampelkoalition will das Arbeitslosgengeld II nun durch das sogenannte Bürgergeld ersetzen. Die Sozialverbände beschweren sich, weil sich dadurch an der prekären Situation der Armen im Land nichts verändern werde. Was haltet ihr vom Hartz IV im neuen Gewand?

Da muss man unterscheiden: Das, von dem ich gerade gesprochen habe, das war das Konzept der Partei, mit dem wir in den Wahlkampf gegangen sind. Jetzt haben wir einen Kompromiss, insbesondere mit der FDP. Die Grünen waren näher an unserem Konzept dran.

"Man sieht ja, was plötzlich gesellschaftspolitisch möglich ist, wenn der Bremsklotz Union nicht mehr da ist"

Das heißt, du bist von dem Kompromiss weniger begeistert?

Wir sind als Jusos nicht vollständig überzeugt von dem Konzept. Was gut ist, ist das Sanktionsmoratorium. Die Kürzung des Existenzminimums ist unmenschlich, weil so Menschen in eine prekäre Lebenssituation versetzt werden. Wir Jusos sagen auch weiterhin, Sanktionen darf es nicht geben und wir werden auch nach dem Ende des Moratoriums dafür eintreten, dass Sanktionen nicht das richtige Mittel sind, um Menschen zurück ins Arbeitsleben zu bringen. Eine andere große Frage sind die Regelsätze. Wir Jusos sagen, die müssen dringend erhöht werden – das ist eine Forderung, die der Koalitionsvertrag bisher nicht erfüllt.

Was erwartet ihr von Olaf Scholz als Kanzler in den nächsten vier Jahren?

Das, was auch über dem Koalitionsvertrag steht: Fortschritt und Aufbruch. Und das hält der Vertrag auch ein. Man sieht ja, was plötzlich gesellschaftspolitisch möglich ist, wenn der Bremsklotz Union nicht mehr da ist.

Was denn zum Beispiel?

Die längst überfällige Legalisierung von Cannabis, die Abschaffung des Blutspendeverbotes für homosexuelle Männer, das Streichen von Paragraf 219a Strafgesetzbuch – der Paragraf, der das Werben für Schwangerschaftsabbrüche verbietet und damit in die Selbstbestimmung der Frau eingreift. Also kurz und knapp: gesellschaftspolitische Fragen, bei denen wir als Bundesrepublik so lange hinter den Zeichen der Zeit standen. Das war jetzt möglich und es sind nur Beispiele für den Aufbruch.

March 20, 2021, Munich, Bavaria, Germany: Pro Choice demonstrators standing against the Munich March for Life demonstration organized by radical Christian groups and associated with Querdenken. The Ma ...
Den oft kritisierten Artikel 219a im Strafgesetzbuch wollen die Ampelparteien abschaffen – und damit Frauen den Weg zu einer sicheren Abtreibung erleichtern.Bild: ZUMA Wire / Sachelle Babbar

Wo findet sich der Aufbruch denn sonst noch?

Auch wirtschaftspolitisch und umweltpolitisch sehen wir den Aufbruch. Die Transformationsfonds zum Beispiel werden noch eine große Rolle spielen, wenn es um die Frage geht, wie wir Industrie klimagerecht transformieren können. Damit sind direkte Investitionen in und Beteiligungen an Unternehmen möglich, um die dringend notwendigen Transformationsprozesse zu forcieren. Das wird eine der zentralen Aufgaben sein, an der sich die neue Regierung messen wird. Das sind so die positiven Dinge, die ich mir erwarte, auch wenn es natürlich auch Kritikpunkte gibt. Zum Beispiel im Bereich der Migrationspolitik.

Auf der gesellschaftspolitischen Ebene war zu erwarten, dass sich die drei Parteien bei vielen Punkten gut einigen können. Wie sieht es sozialpolitisch aus, sind euch da genug Punkte im Vertrag untergekommen?

Grundsätzlich merkt man dort die Handschrift der SPD. So war zum Beispiel die Erhöhung des Mindestlohns eine längst überfällige Angelegenheit. Das Bürgergeld ist der Ankerpunkt der Sozialpolitik – da wird noch Nachbesserungsbedarf sein. Auch in der Rentenpolitik ist uns wichtig, dass das Versprechen der Sozialdemokratie eingehalten wurde. Mit der Stabilisierung des Rentenniveaus können wir die Zusage machen, dass sich die Menschen keine Sorgen machen müssen. Wir können jetzt aber auch nicht so tun, als ob Deutschland in den kommenden vier Jahren das sozialpolitische Nirvana wird.

Nirvana ist der buddhistische Zustand der Vollkommenheit. Warum wird der nicht erreicht?

Das ist mit der FDP nicht machbar. Weil die FDP am Ende eine Partei ist, die für einen sehr kleinen Teil der Gesellschaft steht und für diese Menschen Politik macht. In einer solchen Konstellation das sozialpolitische Nirvana auszurufen ist unmöglich. Wir werden aber trotzdem die Partei daran messen müssen und uns weiterhin dafür einsetzen.

"Es wäre für einen zukünftigen Kanzler unüblich, würde er bei unserem Bundeskongress nicht stark auftreten"

Wie meinst du das?

Viele Punkte im Koalitionsvertrag sind am Ende nicht ausbuchstabiert. Gerade bei Fragen der Finanzierung und der Steuern – auch hier muss man sagen, das ist noch nicht zufriedenstellend. Das sind Fragen, die jetzt in der Regierung geklärt werden, weil der Koalitionsvertrag hier nicht ins Klein-Klein geht. Unterm Strich lässt sich aber sagen, dass der Koalitionsvertrag viele Möglichkeiten bietet und eine gute Arbeitsgrundlage dafür ist, dass wir für unsere Generation wirkliche Veränderungen sehen. Dass wir einen gesellschaftlichen Fortschritt erreichen können.

Olaf Scholz wird nachgesagt, dass er sehr dominant auftreten kann in Diskussionen. Wie groß sind deine Bauchschmerzen, wenn du an die Debatte mit ihm auf eurem Bundeskongress denkst?

Ich habe keine Bauchschmerzen. Es ist eine sehr ehrliche Debatte, der Juso-Verband ist sehr gut darin, darauf hinzuweisen, was wir uns noch wünschen. Wo es noch Verbesserungen geben muss. Ich glaube, das ist ein guter Spiegel – auch für Olaf – wie unsere Generation auf den Vertrag guckt. Es wäre für einen zukünftigen Kanzler unüblich, würde er bei unserem Bundeskongress nicht stark auftreten. Die aktuelle Situation ist nicht vergleichbar mit vergangenen Jahren und der Großen Koalition, in denen der Verband häufig gar nichts mit der Politik anfangen konnte, die gemacht wurde.

"Ich kenne Olaf Scholz aber nicht als jemanden, der Angst davor hat"

Die Erwartungen sind hoch, jetzt muss die neue Regierung in den kommenden vier Jahren liefern. 49 Jusos haben es in den Bundestag geschafft – während des Wahlkampfes wart ihr so brav wie noch nie. Bleibt das so, oder muss sich Olaf Scholz dick anziehen?

Ich würde gar nicht unterschreiben, dass wir so brav waren.

Nicht?

Wir waren überzeugt von einem Programm und haben überzeugend Wahlkampf für Jusos gemacht, die in Wahlkreisen kandidiert haben. Es wird natürlich frischer Wind durch die Fraktion wehen, das ist aber unabhängig von Olaf Scholz. Außerdem ist die Annahme, dass alle jungen Menschen grundsätzlich in die gleiche Richtung laufen, falsch.

Auch bei allen jungen Jusos?

Das ist nicht immer zwangsläufig der Fall. Die 49 Jusos sind kein monolithischer Block. Aber natürlich sind wir sehr stolz darauf, dass wir so breit im Parlament vertreten sind. Und sie werden einen frischen Wind hereinbringen, in der Fraktion werden andere Schwerpunkte gesetzt werden. Und mit Sicherheit wird es auch mal Gegenwind geben, aber nicht nur von den Jusos, sondern auch von anderen Progressiven über dem Juso-Alter, die es ins Parlament geschafft haben. Ich kenne Olaf Scholz aber nicht als jemanden, der Angst davor hat.

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