Wer ist hier mit wem unterwegs? Mehr als eine Person zusätzlich zum eigenen Haushalt darf es nicht mehr sein. Das hat zum Beispiel folgen für die Mittagspause im Büro. Bild: SVEN SIMON / Frank Hoermann/SVEN SIMON
Exklusiv
07.01.2021, 12:5508.01.2021, 20:52
Leonard Frick, Julia Dombrowsky<br>
Einen lauschigen Pärchenabend mit Freunden können wir erst einmal vergessen, denn die Bundesregierung hat sich in Abstimmung mit den Ländern auf strengere Corona-Maßnahmen geeinigt und dabei auch die Ein-Personen-Regel eingeführt. Demnach darf sich ab dem 11. Januar der eigene Hausstand nur noch mit einer weiteren Person treffen. Vorher konnten sich noch bis zu fünf Menschen aus zwei Haushalten gleichzeitig verabreden. Das bedeutet: Ein Pärchen, das mit einem Pärchen befreundet ist, müsste sich zum Beispiel am Montag mit dem einen, am Dienstag mit dem anderen Partner treffen.
Das klingt kompliziert und wirft neue Fragen auf: Darf man weiterhin im Büro mehrere Kollegen treffen, nur privat nicht mehr? Kann die Polizei kontrollieren, wie viele Menschen in meinem Wohnzimmer sitzen? Und was macht das mit der Psyche? Watson sprach darüber mit Experten, um etwas Klarheit zu schaffen.
Was der Psychiater sagt
Michael Huppertz ist Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er forscht vor allem zum Schwerpunkt Achtsamkeit.
"Die jetzige Regel ist aus meiner Sicht in Ordnung. Ich denke aber, dass sie Fingerspitzengefühl erfordert, damit nicht Menschen, die vielleicht bei vielen anderen Menschen 'zweitrangig' sind, ganz alleine bleiben. Vor allem für Kinder kann das ein nachhaltiges Problem werden, aber nicht nur. Es ist wie in der ganzen Pandemie-Krise: Sie ist ein Test für das Einfühlungsvermögen, das Mitgefühl und die Solidarität mit den Schwächeren.
"Vor allem für Kinder kann das ein nachhaltiges Problem werden."
Michael Huppertz
Zu den Schwächeren zählen bei dieser Ein-Personen-Regel auch diejenigen, die weniger beliebt oder sozial kompetent sind und sonst schon mal einfach dabei sind, jetzt aber durchs Raster der Beliebtheit fallen. Die Situation ist ernst und Kritik an zu harten Maßnahmen scheint mir gerade unangebracht, aber es ist ein Aufruf an alle, die neue Regel nachdenklich, klug und fair umzusetzen."
Was der Anwalt sagt
Christian Solmecke ist Rechtsanwalt und Buchautor in Köln, er hat sich auf Medienrecht spezialisiert.
"Die am Dienstag beschlossenen Kontaktbeschränkungen gelten für private Zusammenkünfte, die nur noch im Kreise der Angehörigen des eigenen Hausstandes und mit maximal einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person gestattet sind. Der Beschluss muss noch in den Corona-Schutzverordnungen der Bundesländer umgesetzt werden. Zudem steht im Beschluss der Bundesregierung unter Punkt 4, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber dringend gebeten werden, großzügige Homeoffice-Möglichkeiten zu schaffen.
Allerdings ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, seinen Arbeitnehmern Homeoffice zu gewähren. Das Arbeitsgericht Augsburg entschied, dass ein Arbeitgeber aufgrund seiner gesetzlich verankerten Fürsorgepflicht aus § 618 Bürgerliches Gesetzbuch zwar alle notwendigen und erforderlichen Maßnahmen ergreifen müsse, um die Gesundheit seiner Arbeitnehmer zu schützen. Wie er diese Pflicht erfülle, liege allerdings in seiner Verantwortung. Auch das Recht auf ein Einzelbüro sah das Gericht als nicht gegeben an. Seiner Fürsorgepflicht genüge der Arbeitgeber auch dann, wenn er entsprechende Corona-Schutzmaßnahmen in einem Büro für mehrere Personen ergreife.
"Es gelten in der Pause grundsätzlich die beschlossenen Regelungen, weshalb die Ein-Personen-Regel eingehalten werden muss."
Christian Solmecke
Die Arbeitspause ist nicht Teil der Arbeitszeit. Es gelten in der Pause grundsätzlich die beschlossenen Regelungen, weshalb die Ein-Personen-Regel eingehalten werden muss. Dies gilt insbesondere dann, wenn man das Firmengelände verlässt. Verbringt man seine Mittagspause am Arbeitsplatz, muss man sich in erster Linie an das Hygienekonzept des Arbeitgebers halten. Dieses muss vorsehen, dass nicht erforderliche Kontakte unter Kollegen am Arbeitsplatz zu vermeiden und allgemeine Hygienemaßnahmen einzuhalten sind. Der Beschluss der Bundesregierung besagt zudem, dass Betriebskantinen geschlossen werden, wo immer die Arbeitsabläufe es zulassen. Zulässig bleibt die Abgabe von mitnahmefähigen Speisen und Getränken."
Was die Polizei sagt
Rainer Wendt ist deutscher Gewerkschaftsfunktionär. Seit 2007 ist er Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft.
"Die Durchsetzbarkeit der von den Regierungen beschlossenen Regeln ist nicht allein mit ordnungsbehördlichen oder polizeilichen Maßnahmen zu schaffen. Vielmehr bedarf es der Unterstützung der Bevölkerung, die dazu beitragen muss, die damit beabsichtigten Kontaktbeschränkungen zur Infektionsvermeidung zu realisieren. Glücklicherweise ist es so, dass sich die meisten Menschen in Deutschland umsichtig und auch einsichtig verhalten und sich bemühen, ihren Beitrag im Kampf gegen die Corona-Pandemie zu leisten.
"Die Ein-Personen-Regelung in einem privaten Haushalt lässt sich nur bei konkreten Hinweisen auf Verstöße kontrollieren."
Rainer Wendt
Die Polizei leistet bereits jetzt beachtliches, denkt man an die vielen Kontrollen, die schon jetzt stattfinden, die Begleitung von Impftransporten, die Sicherung von Impfeinrichtungen und viele andere mehr. Wenn es jetzt neue Regelungen gibt, führt das nicht automatisch zu mehr Kontrollen, denn Polizeikräfte sind nicht beliebig vermehrbar. Vielmehr müssen möglicherweise neue Schwerpunkte gesetzt werden; viel wahrscheinlicher aber ist, dass im Rahmen bestehender Kontrollkonzepte stichprobenweise oder bei einzelnen Schwerpunkteinsätzen auch Regelungen, wie zum Beispiel die 15-Kilometer-Regel kontrolliert werden.
Die Ein-Personen-Regelung in einem privaten Haushalt lässt sich nur bei konkreten Hinweisen auf Verstöße kontrollieren, jedenfalls ist nicht damit zu rechnen, dass die Polizei anlasslos in Privathaushalten vorstellig wird, um Kontrollen durchzuführen, das gilt auch für Ordnungsbehörden. In Fällen durchgeführter Kontrollen lässt sich lediglich anhand von Ausweispapieren und Meldeanschriften nachweisen, wer zu welchem Hausstand gehört. Die Arbeit der Polizei ist wesentlich vom Umfang der Akzeptanz der Regelungen abhängig. Insofern ist es sinnvoll, derartige Verstöße gleich zu Beginn mit spürbaren Bußgeldern zu belegen, um eine generalpräventive Wirkung zu erzielen."
Was der Epidemiologe sagt
Markus Scholz ist Epidemiologe und Professor für Biometrie an der Universität Leipzig.
"Es geht bei all diesen Maßnahmen darum, die Kontakte insgesamt weiter zu reduzieren, da die aktuelle Lockdown-Stärke offenbar nicht ausreicht, um die Pandemie deutlich zurückzudrängen. Die unten genannte Regel ist diesbezüglich meiner Einschätzung nach sinnvoller und konkreter als die 15-Kilometer-Regel, die nur indirekt durch die Einschränkung der Mobilität wirken kann. Jedoch sollte man meiner Meinung nach auch auf die Bereiche schauen, bei denen nach wie vor viele Kontakte auf engstem Raum stattfinden, wie beispielsweise im Öffentlichen Nahverkehr. Es ist nicht klar, ob die bestehende Maskenpflicht dort ausreichend ist.
"Das ist sinnvoller und konkreter als die 15-Kilometer-Regel."
Markus Scholz
Die Wirkung der aktuellen Maßnahmen lässt sich kaum abschätzen. Diese wird man erst wieder in ein bis zwei Wochen sehen können. Erschwerend bei der Bewertung der Situation wirkt sich aktuell die starke Datenverzerrung aufgrund der Feiertage aus."
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