Die Inzidenz schnellt nach oben, die Belegung der Intensivbetten sowieso: Die dritte Corona-Welle ist in Deutschland angekommen. Darauf muss die Politik reagieren. Robert-Koch-Institut-Chef Lothar Wieler mahnt: "Ohne Lockdown werden viele Menschen ihr Leben verlieren".
Nun steht er wieder zur Debatte, der härtere, schärfere, krassere Lockdown. Inklusive bundesweiter Ausgangssperren, für die auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach seit Wochen plädiert. In vielen Bundesländern sind sie bereits in Kraft.
Das Bundeskabinett hat am Dienstagmorgen die Änderung des Infektionsschutzgesetzes beschlossen, die Corona-"Notbremse". Inklusive einer Ausgangsbeschränkung zwischen 21 und 5 Uhr sowie einer Kontaktbeschränkung auf den eigenen Haushalt und einer weiteren Person, wenn in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinanderfolgenden Tagen die Inzidenz über 100 liegt.
"Die bundeseinheitlich geltende Notbremse ist überfällig, denn die Lage ist ernst", sagte Merkel am Dienstag in einer Pressekonferenz zur Notbremse. Sie sei sich bewusst, dass es harte Einschränkungen seien, die das Gesetz bei einer Inzidenz von über 100 vorsehe. Doch sie würden einem einzigen Ziel dienen: die Corona-Zahlen zu senken. Die Gesetzesänderung muss Bundestag und Bundesrat passieren, erfordert aber nicht die Zustimmung der Länderkammer.
Watson hat in verschiedenen deutschen Großstädten und bei der Polizei nachgefragt, wie eine Ausgangssperre durchgesetzt werden könnte.
In Leipzig liegt die 7-Tage-Inzidenz bei 129,6 und überschreitet dadurch die von der Bundesregierung festgesetzte Obergrenze. Aktuell gelten in der Stadt Ausgangsbeschränkungen. Das Verlassen der Unterkunft sei "ohne triftigen Grund untersagt", formuliert die Regelung.
"Die Polizeidirektion Leipzig hat bereits Erfahrung mit Ausgangssperren über Nacht, da diese in der Vergangenheit im Zuständigkeitsbereich in Kraft waren", sagte der Leipziger Polizeisprecher Olaf Hoppe.
"Veranlassungen zu besonderen Maßnahmen" sehe er aber aktuell nicht, da die sächsische Corona-Schutzverordnung bereits durchgesetzt werde. "Dazu finden beispielsweise durch unseren Streifendienst (...) ständig Kontrollen zur Verkehrsüberwachung, zu Durchsetzung von Polizeiverordnungen und eben auch die zur sächsischen Corona-Schutzverordnung statt", so Hoppe.
Falls es eine Änderung der Regelungen geben sollte "wird dies in den Kontrollen berücksichtigt", sagte Hoppe und fügte hinzu: "Die Kontrollgründe bzw. die mit Bußgeld bewährten Tatbestände steigen oder fallen auch weg."
Laut Hoppe habe die Polizei ihr Aufgebot bereits verstärkt. In den Landkreisen Nordsachsen und Leipzig sowie in der Stadt Leipzig wurde bereits "Unterstützung durch die sächsische Bereitschaftspolizei angefordert." Der Polizeisprecher teilte mit: "Deren Einsatzkräfte werden unter Verantwortung der Polizeidirektion Leipzig vorwiegend in den Nachmittags-, Abend- und Nachtstunden speziell für Kontrollen im Fragezusammenhang eingesetzt."
Das Vorgehen der Polizei bei einem Verdacht gegen die Corona-Schutzverordnungen beinhalte "eine Kontrolle, die Identitätsfeststellung sowie die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens." Und weiter: "Je nach Verstoß können mündliche Verwarnungen ausgesprochen oder Anzeigen an die Bußgeldbehörde übermittelt werden."
Die entsprechende Behörde – die Stadt, oder das Landratsamt – wird die Sanktionierung dann durchsetzen.
Die Polizei werde "Hinweise von Bürgerinnen und Bürgern" nachgehen, so Hoppe. Durch solche Anzeigen kann es auch zu einem Bußgeld im Rahmen der Corona-Schutzverordnung kommen. Hoppe erklärt: "So wurden in der Vergangenheit beispielsweise bei der Feststellung von Tatverdächtigen in Zusammenhang mit Einbrüchen in den Nachtstunden auch Anzeigen wegen des Verstoßes gegen die Ausgangssperre gefertigt, da kein triftiger Grund fürs Verlassen der eigenen Wohnung vorlag."
Der Polizeisprecher betonte, es geht um "die Unterbrechung der Infektionsketten und damit um den Gesundheitsschutz für die Bevölkerung." Dafür könne sich die Polizei auch verstärkt auf die "Durchsetzung der Sanktionierung" fokussieren.
In Dresden ist die 7-Tage-Inzidenz in den letzten Tagen stark angestiegen. Lag der Wert am 7. April noch bei 75,1 ist er mittlerweile auf 144,9 gestiegen. Auch hier ist das Verlassen der eigenen Unterkunft "nur mit triftigem Grund erlaubt", heißt es von der Stadt.
"Grundsätzlich wird die Polizeidirektion Dresden täglich von der sächsischen Bereitschaftspolizei unterstützt", sagte der Polizeisprecher Marko Laske. Er formulierte die Kontrolle einer möglichen nächtlichen Ausgangssperre in drei Punkten.
"Die Einsatzbeamten kontrollieren gezielt die Einhaltung der sächsischen Corona-Schutz-Verordnung und würden dies auch mit Blick auf eine Ausgangssperre realisieren", heißt es von Laske.
Als zweiten Punkt merkte er an: "Gleichzeitig achtet der normale Streifendienst auf die Einhaltung der Corona-Regeln."
Laske sagte: "Letztlich geht die Polizei auch entsprechenden Bürgerhinweisen nach. Die konkrete Kontrolle würde auf ein gezieltes Ansprechen der Betroffenen hinauslaufen."
In der norddeutschen Stadt gelten bereits seit dem 2. April nächtliche Ausgangsbeschränkungen von 21 Uhr bis 5 Uhr. Ausnahmen hierbei sind beispielsweise ein Krankenhausbesuch, oder der Weg zur Arbeit. Auch körperliche Bewegung und das Ausführen von Haustieren ist ein ausreichender Grund für das Verlassen der Wohnung. Derzeit hat Hamburg eine 7-Tage-Inzidenz von 142,7.
Der Polizeisprecher Florian Abbenseth gab sich zuversichtlich: "In Hamburg kontrollieren wir als Landespolizei schon seit über einem Jahr die Einhaltung der Corona-Regeln. Unsere Kontrollen orientieren wir immer an der jeweils gültigen Eindämmungsverordnung."
Seit Ostern und dem Beginn der Ausgangssperren hat die Hamburger Polizei einen Fokus besonders auf "beliebte Örtlichkeiten" gelegt. Auch in Hamburg wurde Verstärkung angefordert. "Wir hatten aber auch eine größere Reserve der Bereitschaftspolizei vorgehalten, um flexibel auf festgestellte Brennpunkte reagieren zu können", so Abbenseth
Zu den Alltagskontrollen der Corona-Schutzverordnung sagte der Polizeisprecher: "Unsere Kontrollintensität ist hoch und sie wird es auch weiter bleiben." Er betonte aber ebenfalls, dass die Polizei nicht grundlos Abmahnungen vornehme. "Die Kolleginnen und Kollegen bleiben dabei menschlich und gehen mit Augenmaß vor und suchen immer erst das Gespräch", sagte Abbenseth und fügte hinzu: "Wo eine Ermahnung im Einzelfall ausreichend erscheint, wird es auch bei einer Ermahnung bleiben."
Dennoch werden entsprechende Verstöße bestraft, sagte Abbenseth. "Wer bewusst und gewollt gegen die Corona-Regeln verstößt, sollte nicht davon ausgehen, dass die Einsatzkräfte von ihrem Ermessen Gebrauch machen. Solche Verstöße werden konsequent verfolgt", hieß es vom Polizeisprecher.
Ab Mittwoch gibt es auch in München wieder Ausgangssperren von 22 Uhr bis 5 Uhr. Die Inzidenz liegt in der bayrischen Landeshauptstadt derzeit bei 126,9.
Laut dem Münchner Polizeisprecher Sven Müller sei die Polizei bereits seit Mitte März bereits "rund um die Uhr mit einem starken Kräfteansatz in der Stadt und im Landkreis München unterwegs". Dabei werde "in verschiedenen Zeiträumen unterschiedlichen Regelungslagen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie" überwacht. Dadurch falle es der Polizei leicht das "einsatztaktische Verhalten" an die veränderte Vorschriftslage anzupassen.
In München gab es bereits in den letzten Monaten ähnliche Ausgangssperren. Müller erklärte: "Personen, die in den Zeiten der Ausgangssperre gegen diese Regel verstoßen haben und keine plausiblen Gründe angeben und nachweisen konnten, die sie davon befreien würden, wurden auch entsprechend verwarnt." Doch die Polizei ist in ihrer Arbeit nicht auf sich alleine gestellt. Die Einhaltung der Regeln werde "in München auch vom kommunalen Außendienst der Stadt und von den Bezirksinspektionen unternommen", so Müller.
Über das genaue Vorgehen sagte der Polizeisprecher: "Gruppen von Personen, die sich nicht coronakonform verhalten, werden von uns angesprochen und um eine Einhaltung der Regeln gebeten." Falls dies nicht zum Erfolg führt, werde der Platz geräumt und eine Verwarnung ausgestellt. "Dies sind natürlich nur pauschale Aussagen zu unserem Einsatzverhalten. Unser genaues einsatztaktisches Verhalten, hängt auch immer von der individuellen Fallkonstellation vor Ort ab", so Müller.
Auch in Stuttgart ist die Obergrenze bereits überschritten – die 7-Tage-Inzidenz liegt derzeit bei 140,9. Laut dem Bundesland Baden-Württemberg solle dadurch eine Ausgangssperre von 21 Uhr bis 5 Uhr verhängt werden.
Bereits um Weihnachten herum gab es in Stuttgart nächtliche Ausgangsbeschränkungen. "Auf diese Erfahrung können wir zurückgreifen", sagte der Polizeisprecher Stephan Widmann.
Wenn die Temperaturen steigen, halten sich die Leute vermehrt im Freien auf, stellte Widmann fest. "Diese Leute würden wir natürlich vorrangig überwachen", sagte er und beschrieb eine mögliche Kontrolle: "Wir schauen: Wer ist berechtigt unterwegs und wer nicht. Dementsprechend wird das dann auch sanktioniert."
Widmann sagte, "bei der Berechtigung schauen wir schon genauer hin, eine fadenscheinige Ausrede zählt nicht." Man müsse "schlüssig erklären können" weshalb man auf den Straßen unterwegs sei. "Natürlich, wenn man im Auto mit zehn Kumpels sitzt, da kann man sagen, was man will, das glaubt dann niemand", stellte er fest.
Der Polizeisprecher sagte im Hinblick auf die Ausnahmen bei den Ausgangssperren: "Teilweise müssen die Personen auch Dokumente mitführen, beispielsweise, wenn sie von der Arbeit kommen, oder zur Arbeit gehen. Wir lassen uns nicht einfach mit irgendeiner Antwort abspeisen."
Wenn sich Jugendliche in großen Gruppen im Freien treffen, könne man die Situation nicht pauschal bewerten. "Wir haben ja verschiedene Möglichkeiten", so Widmann.
"Wenn sich die Leute einsichtig zeigen und es ist nicht drei Uhr morgens, dann schickt man die weg, oder bringt sie nach Hause", erklärte er das kulante Vorgehen der Polizei. Auf der anderen Seite könne die Polizei aber auch durchgreifen: "Wer nicht einsichtig ist und auf Provokation aus ist, der wird schon entsprechend angezeigt. Dann legen wir eine Anzeige an die Bußgeldstelle vor und die legt dann ein Bußgeld fest."
Die Bundeshauptstadt liegt derzeit bei einer 7-Tage-Inzidenz von 115,4 und führte ebenfalls eine Ausgangssperre ein, wenn auch in abgeschwächter Form. In Berlin ist es erlaubt sich zwischen 21 Uhr und 5 Uhr im Freien aufzuhalten, aber nur alleine, oder mit einer weiteren Person. Kinder bis 14 Jahre werden hierbei nicht berücksichtigt.
Die Überwachung dieser Maßnahmen obliege "in erster Linie den Bezirken, bzw. den jeweiligen Ordnungsämtern", sagte der Berliner Polizeisprecher Michael Gassen. Die Polizei überprüfe die Einhaltung "im Rahmen des Streifendienstes." Auch in Berlin setzt die Polizei gezielt Einsatzkräfte ein – an "sogenannte Brennpunktstreifen" – schon seit der Beginn der Pandemie im Jahr 2020. "An Tagen (z.B. Wochenfeiertagen) und Wochenenden, bei denen im Besonderen mit Personenansammlungen zu rechnen ist, wird der Kräfteansatz grundsätzlich erhöht", sagte Gassen.
Beim Aufenthalt im öffentlichen Raum müsse jeder Einzelfall geprüft werden. "Sollte der Verdacht eines Verstoßes gegen die Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vorliegen, so kann der Betroffene sich auch vor Ort zu den Vorwürfen äußern", so Gassen
Dies gelte beispielsweise auch für Parks, sagte Gassen und erklärte: "Die Überwachung der Grün- und Erholungsanlagen obliegt grundsätzlich den zuständigen Bezirken." Dabei werden bei der Feststellung von Verstößen "die notwendigen rechtlichen Maßnahmen getroffen."
"Die Maßnahmen werden am jeweiligen Einzelfall orientiert ausgerichtet und getroffen. In Betracht kommen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr (z.B. Platzverweisung) sowie notwendige Maßnahmen zur Durchführung/Gewährleistung des Ordnungswidrigkeitsverfahrens (z.B. Identitätsfeststellung)", erklärte der Polizeisprecher.
Das vorrangige Ziel der Polizei sei es "die Gefahr einer SARS-CoV-2-Erkrankung und Verbreitung der Erkrankung zu minimieren", so Gassen.
Die Polizei in Frankfurt und Magdeburg, sowie das Nordreinwestfälische Innenministerium waren für ein Statement nicht verfügbar. Die Polizei der Stadt Köln sowie das Ordnungsamt wollten sich nicht dazu äußern.