Die Schändung eines muslimischen Friedhofs in Iserlohn in der Silvesternacht sorgt bundesweit für Empörung.
"Das ist nun schon zum dritten Mal passiert: 2013, 2020 und 2021, und zwar immer in der Silvesternacht", sagt die Bundestagsabgeordnete der Grünen Lamya Kaddor, auf watson-Anfrage.
Sie hat den Friedhof in der Stadt im Sauerland in Nordrhein-Westfalen am Montag persönlich besucht, um sich ein Bild vom Ausmaß der Zerstörung zu machen. Dabei kam sie auch mit Betroffenen ins Gespräch.
Es gebe viel Frust und Resignation, aber auch Wut auf die Stadtverwaltung in Iserlohn, weil diese zu wenig tue.
"Die Menschen fragen sich, ob es nicht vielleicht klüger gewesen wäre, ihre Angehörigen im Herkunftsland der Großeltern zu beerdigen", sagt Kaddor.
Die Schändung des Friedhofs hat bundesweit für Empörung gesorgt. In der Silvesternacht wurden 30 Gräber auf dem muslimischen Teil des Hauptfriedhofs von Unbekannten zerstört, umgestoßen und Dekoration beschädigt.
"Die Stadt macht immer noch nichts", sagt Lamya Kaddor. "Ich frage mich, warum es keine Videoüberwachung gibt, das darf jedenfalls nicht an den Kosten scheitern.“
Auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler ist entsetzt über die Vorfälle.
Die ehemalige NRW-Staatsekretärin für Integration sagte watson am Montag:
Gesellschaft und Politik müssten gemeinsam gegen diesen Hass und diese Hetze vorgehen, "allen voran, indem wir dies verurteilen". Güler fordert eine stärkere Sensibilisierung in Sachen Islamhass und Muslimfeindlichkeit.
Es handele sich bei solchen Taten nicht um Kritik oder Meinungsäußerung, sondern um Hass und antimuslimischen Rassismus, sagt Serap Güler.
Sie ergänzt: "Es gibt noch zu viele, die solche Taten als Kavaliersdelikte sehen, zu oft wird hier auch weggeschaut, weil man denkt 'es erwischt die Richtigen'. Genau da fängt das Problem an."
Volker Beck ruft ebenfalls zu Solidarität mit den Betroffenen aus der Zivilgesellschaft auf.
Beck – der bis 2017 für die Grünen im Bundestag saß und heute Lehrbeauftragter am Centrum für Religionswissenschaftliche Studien (CERES) der Ruhr-Universität in Bochum ist – gibt auf watson-Anfrage zu bedenken, islamfeindliche Taten gegen Moscheen und islamische Friedhöfe würden nicht nur von ursprünglich aus Deutschland stammenden Nazis und Islamhassern begangen.
Verantwortlich könnten etwa auch kurdische Militante sein, die sich an Moscheen des türkischen Islamverbands Ditib als Repräsentanzen des türkischen Staates, der sie unterdrückt, stören.
Dies könne auch bei Friedhöfen mit türkischen Symbolen der Fall sein. "Beides dürfen wir gleichermaßen nicht dulden", sagt Volker Beck.
Beck kritisiert den Besuch eines Politikers der türkischen Regierungspartei AKP am Montag auf dem Friedhof. "Das hat mich ein bisschen geschmerzt, denn es sind unsere Bürger und unsere Nachbarn, und nicht in erster Linie die der Türkei."
Natürlich sei es okay, wenn der Abgeordnete den Friedhof besucht. Aber die Tat werde politisch missbraucht. Dem dürfe man keinen Raum geben, in dem man den Eindruck erwecke, es kümmere sich sonst niemand.
Volker Beck ergänzt gegenüber watson:
Der Psychologe und Islamismus-Experte Ahmad Mansour sagt auf watson-Anfrage:
Die Zerstörung von muslimischen Gräbern sei "ein No Go, welches wir in einer Demokratie nicht akzeptieren dürfen". Muslimfeindlichkeit sei in Deutschland weit verbreitet. Diese müsse juristisch konsequent verfolgt werden.
Im Jahr 2020 wurden insgesamt 1.026 Straften mit islamfeindlichem Hintergrund erfasst. Das geht aus offiziellen Angaben des Bundeskriminalamtes hervor. Der Wert entspreche einem Anstieg um acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
945 Straftaten davon würden rechtsextremen Tätern zugeordnet, dies entspreche einem Anteil von 92,11 Prozent. Es seien insgesamt 71 Gewaltdelikte gemeldet, 2019 waren es 60. 66 Taten waren Körperverletzungen, im Vorjahr wurden 49 Delikte erfasst.
Die restlichen Taten ordnet das Bundeskriminalamt dem Phänomenbereich "links" (eine Tat), "ausländischer" (sieben Taten) und religiöser Ideologie (24 Taten), zu. 49 Taten ließen sich nicht zuordnen.