Führt die CDU in den Bundestagswahlkampf 2021: Generalsekretär Paul Ziemiak.Bild: Getty Images Europe / Sascha Schuermann
Exklusiv
CDU-Generalsekretär über den Fall Michael Wendler: "Ich mache mir Sorgen"
Der CDU-Generalsekretär spricht im watson-Interview über die Gefahr durch Promis, die Verschwörungsmythen verbreiten. Er redet darüber, was die Partei aus dem Debakel um das YouTube-Video von Rezo gelernt hat – und sagt, warum er Klimaschützern rät, CDU zu wählen.
Im Februar noch schien die CDU im Sinkflug zu sein: Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer kündigte ihren Rückzug an, die Umfragewerte waren schlecht, das Ergebnis bei der Wahl in Hamburg noch schlechter. Dann erreichte die Corona-Krise Deutschland – und die CDU sprang wieder nach vorne in den Umfragen.
Wie geht es jetzt weiter mit der Partei? Wie will die CDU ihre Schwäche bei jungen Wählern ausbügeln – und Menschen von ihrer Klimapolitik überzeugen? Und warum kandidieren nur ältere, weiße Männer für den Parteivorsitz?
Watson hat darüber mit Paul Ziemiak gesprochen, seit 2018 Generalsekretär der CDU. Wir treffen Ziemiak an einem verregneten Oktobernachmittag in seinem Büro im Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Zentrale.
Im Interview zeigt er sich auch besorgt über Prominente, die Verschwörungsmythen über die Corona-Pandemie verbreiten. Zum Fall des Schlagersängers Michael Wendler, der seit vergangener Woche über den Messengerdienst Telegram entsprechende Falschinformationen in Umlauf bringt, sagt Ziemiak: "Ich gehöre nicht zu denen, die Witze über Michael Wendler machen. Ich mache mir Sorgen, wenn jemand in einer solchen Position mit entsprechender Reichweite und Verantwortung diese Dinge verbreitet und dadurch junge Menschen beeinflusst."
Fake News und Desinformation seien "ein großes Problem". Um insbesondere junge Menschen besser vor Desinformation zu schützen, fordert Ziemiak, dass an Schulen mehr Medienkompetenz vermittelt wird.
Hier das ganze Interview.
watson: Herr Ziemiak, zu ihrem Job als Generalsekretär gehört es, der CDU mehr Aufmerksamkeit und Popularität zu verschaffen. Warum tun Sie sich damit bei jungen Menschen so schwer?
Paul Ziemiak: Wenn wir uns das vergangene Jahr anschauen, sehen wir eine sehr positive Entwicklung. Wir haben wesentlich mehr junge Neumitglieder in der Partei. Bei der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen haben uns etwa in Düsseldorf deutlich mehr junge Menschen gewählt, als wir das vor einem Jahr vermutet hätten. Und in der Pandemie sehen gerade auch jüngere Menschen: Wenn es darauf ankommt, ist auf die CDU Verlass. Wir müssen den Weg weitergehen, den wir als Partei eingeschlagen haben: Im vergangenen Jahr haben wir unsere Strategie der digitalen Kommunikation umgestellt. Dazu zählt auch der Umgang mit Influencern und die Art und Weise wie wir als Partei auf bestimmte Dinge in der digitalen Welt reagieren. Wir wissen, dass unsere digitalen Formate gerade von Jüngeren gut angenommen werden.
"Mein Ziel ist klar: Die Union muss mit Abstand die Nummer eins auch bei der Gruppe der Erstwähler sein."
Bei der Europawahl 2019 haben aber nur 13 Prozent der Unter-30-Jährigen die Unionsparteien gewählt, laut einer Forsa-Umfrage aus dem Juni 2020 kommen Sie bei den Erstwählern nur auf 24 Prozent, die Grünen auf 42.
An diesen Zahlen sieht man ja gerade die Bewegung nach oben. Wir haben den Anteil der Stimmen bei den Erstwählern binnen eines Jahres fast verdoppelt. Mein Ziel ist aber klar: Die Union muss mit Abstand die Nummer eins auch bei der Gruppe der Erstwähler sein. Also: Ihre Analyse teile ich. Richtig ist aber auch, dass sich schon viel verändert hat und wir auf einem guten Weg sind. So muss es weitergehen.
Das Video "Die Zerstörung der CDU" des YouTubers Rezo, hat Ihnen vor der Europawahl 2019 ziemlich geschadet. Sie haben damals mit einer mehrseitigen PDF geantwortet. Hätten Sie heute auf ein solches Video eine bessere Antwort?
Fakt ist, dass wir heute in der Art und Weise, wie wir reagieren, viel besser aufgestellt sind. Wir haben unsere Kommunikation in der Partei umgebaut. Wir sind kommunikativ viel souveräner, schlagfertiger, schneller und vor allem digitaler geworden.
Also würden Sie diesmal ein Antwortvideo hinbekommen? Und wie sähe das dann aus?
Entscheidend ist doch vor allem, dass wir bei den Themen, die junge Menschen beschäftigen, konkrete Antworten geben. Beispielsweise beim Thema Klimaschutz oder dem Umgang mit Menschenrechten weltweit und in Europa. Als erster westlicher Politiker habe ich mich mit der belarussischen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja getroffen, dafür habe ich gerade von jungen Menschen unheimlich viel Zuspruch bekommen. Im dreißigsten Jahr nach dem Fall der Mauer ist es unsere Verantwortung, den Freiheitsdrang der Menschen in Belarus zu unterstützen und uns weiterhin weltweit für Demokratie und Menschenrechte einzusetzen.
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak (l.) im Gespräch mit watson-Politikredakteur Sebastian Heinrich.CDU/Sophia Nückel
"Weil wir die Partei sind, die dafür sorgt, dass beim Thema Klimaschutz die gesamte Gesellschaft mitgenommen wird."
Trotzdem, der Klimaschutz ist für eine Mehrheit der jungen Menschen in Deutschland das wichtigste Thema: Zwei Dritteln der Jugendlichen macht der Klimawandel laut Shell-Studie 2019 Angst. Warum sollte jemand, der sich darum sorgt und der vielleicht bei Fridays for Future mitmarschiert, die CDU wählen?
Weil wir die Partei sind, die dafür sorgt, dass beim Thema Klimaschutz die gesamte Gesellschaft mitgenommen wird. Nur wenn wir für breite Akzeptanz sorgen, werden wir auf Dauer beim Klimaschutz vorankommen.
Das heißt? Wir dürfen zum Beispiel Klimaschutz und den Schutz von Arbeitsplätzen nicht gegeneinander ausspielen, sondern müssen mit realistischen Vorschlägen und einem ganzheitlichen Ansatz dafür sorgen, dass beides zusammengeht. Wie ernst wir es meinen, wird dadurch deutlich, dass wir aus der Kernenergie und aus der Kohleverstromung gleichzeitig aussteigen. Als einziges Industrieland auf der Welt! Jetzt geht es um die Frage, wie wir diesen Wandel gestalten.
Was schwebt Ihnen denn konkret vor? Mit der Reform des Emissionshandels sorgen wir dafür, dass auch im Verkehrs- und Gebäudesektor der CO2-Ausstoß noch stärker reduziert werden wird. Die Idee ist hier ganz klar: Je mehr es kostet, CO2 in die Luft zu blasen, desto größer ist der Anreiz, es nicht zu tun. Und deshalb muss der CO2-Ausstoß schrittweise teurer werden. Wichtig ist aber, dass wir auf das Prinzip der Technologieoffenheit setzen. Die Politik kann nicht vorschreiben, welche Technologie am besten das Klima schützt. Hier brauchen wir diese Offenheit. Wir haben ein klares Ziel: 55 Prozent CO2-Reduktion bis 2030. Das ist ambitioniert. Wenn aber weltweit solche Ziele gelten würden, dann müssten wir uns alle weniger Sorgen machen. Unser größtes Problem ist der Anstieg der globalen Emissionen. Deswegen wissen wir, welche Verantwortung wir haben. Und deshalb wollen wir Vorbild sein.
"Es gibt keinen Wissenschaftler der behauptet, dass Deutschland alleine die Erderwärmung aufhalten kann, wenn in anderen Teilen der Welt sich nichts ändert."
55 Prozent Reduktion bis 2030: Viele Klimaschützer sagen, dass das einfach nicht reicht. Am Dienstag hat das Wuppertal Institut eine Studie veröffentlicht, die Fridays for Future beauftragt hatte. Der Tenor: Deutschland müsste schon bis 2035 CO2-neutral sein. Warum halten Sie an 2050 als Ziel fest?
Das Ziel von höchstens 1,5 Grad globaler Temperaturerhöhung erreichen wir nur, wenn auch andere Staaten mitmachen. In Europa können wir nur gemeinsame Ziele festlegen, so wie die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das ja bereits gesagt hat. Wenn sich am 55-Prozent-Ziel alle europäischen Staaten beteiligen, bringt das mehr, als wenn wir sagen: Wir entkoppeln uns davon. Dann hätten wir das Ergebnis, dass die anderen nicht mitziehen. Die Prognose für den Klimaschutz wäre schlechter.
Aber die Wissenschaftler sagen eben, dass wir das 1,5-Grad-Ziel mit diesem Tempo nicht schaffen. Wollen Sie da Ihre Ziele nicht nachjustieren?
Nochmal: Es funktioniert nur, wenn andere auch mitmachen. Das ist wissenschaftlich unstrittig. Es gibt keinen Wissenschaftler der behauptet, dass Deutschland alleine die Erderwärmung aufhalten kann, wenn in anderen Teilen der Welt sich nichts ändert. Das hehre Ziel, 55 Prozent CO2-Reduktion bis 2030, müssen wir aufrechterhalten. Und das wird herausfordernd angesichts des Strukturwandels, der Sicherung von Arbeitsplätzen und des sozialen Ausgleichs in Deutschland.
Ein anderes Problem, das junge Menschen gerade in ländlichen Regionen massiv in ihrer Lebensqualität einschränkt, sind Funklöcher, schlechte Breitband-Internetverbindungen, sprich: die digitale Infrastruktur. Viele Experten halten Deutschland für ein digitales Entwicklungsland. Warum ist das so, nachdem die CDU in 31 der letzten 40 Jahren den Kanzler oder die Kanzlerin gestellt hat?
Das Problem liegt nicht am Geld: Wir haben vom Bund 11 Milliarden Euro für die digitale Infrastruktur bereitgestellt. Unser großes Problem ist die Umsetzung der Infrastrukturvorhaben, wie wir also zum Beispiel Mobilfunkmasten bauen und Breitbandleitungen verlegen. Wir werden die Planung solcher Vorhaben beschleunigen. Wir brauchen Vorfahrt für digitale Infrastruktur. Wir müssen uns überlegen, wie wir das Planungsrecht so vereinfachen können, dass solche Projekte in viel kürzerer Zeit als bisher umgesetzt werden können.
Seit Dezember 2018 Generalsekretär der Union: Paul Ziemiak in seinem Büro im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin.CDU/Sophia Nückel
"Wenn wir etwa für ein Autobahnverbindungsstück oder eine Bahnstrecke 30 Jahre benötigen, dann ist klar, dass wir auf diese Weise den Anschluss in Deutschland verlieren."
Aber warum knabbern wir dann seit Jahrzehnten an diesem Problem? Sie sprechen von den Bundesländern, aber in den 1980ern lagen ja schon in der Schublade von SPD-Kanzler Helmut Schmidt die Pläne, in Deutschland flächendeckend Glasfaserleitungen zu verlegen...
Ich habe ein 12-Punkte-Papier zur Planungsbeschleunigung zusammen mit anderen entworfen. In der Theorie sind sich die meisten einig, dass es schneller gehen muss. Aber wenn es konkret wird, funktioniert es oft nicht. Klagen und Gutachten verzögern wichtige Infrastrukturprojekte. Das ist nicht nur bei Breitbandleitungen so, sondern auch bei Autobahnen und Ortsumgehungen, die Menschen im ländlichen Raum dringend benötigen, damit der Verkehr und vor allem klimaschädlicher Stau aus den Orten rauskommt. Übrigens fahren auch Elektroautos auf solchen Autobahnen. Bei solchen Projekten heißt es vor Ort oftmals: Es muss noch mehr Beteiligung geben, noch mehr Gutachten, alle dürfen klagen. Das kann man fordern. Man darf sich dann aber nicht wundern, wenn nichts vorangeht.
Das heißt, für Sie hat die demokratische Beteiligung ihre Grenzen, wenn es um Mobilfunkmasten und Autobahnen geht.
Die Verhältnismäßigkeit muss stimmen. Direkt Betroffene müssen das Recht haben, gegen eine Straße oder einen Mobilfunkmast zu klagen. Aber es müssen Urteile zu Lebzeiten fallen. Wir brauchen heute für Masten, Bahnstrecken und Straßenverbindungen Jahrzehnte. Wenn wir etwa für ein Autobahnverbindungsstück oder eine Bahnstrecke 30 Jahre benötigen, dann ist klar, dass wir auf diese Weise den Anschluss in Deutschland verlieren.
"Ich mache mir Sorgen, wenn jemand in einer solchen Position wie Michael Wendler mit entsprechender Reichweite und Verantwortung diese Dinge verbreitet und dadurch junge Menschen beeinflusst."
Über digitale Plattformen verbreiten sich in der Corona-Krise Verschwörungsmythen. Jetzt haben wir mit Michael Wendler wieder einen Promi gesehen, der beschließt, über Telegram krude Thesen zu verschicken. Wie sieht Ihre Antwort auf dieses Problem aus?
Fake News und Desinformation sind ein großes Problem. Ich gehöre nicht zu denen, die Witze über Michael Wendler machen. Ich mache mir Sorgen, wenn jemand in einer solchen Position mit entsprechender Reichweite und Verantwortung diese Dinge verbreitet und dadurch junge Menschen beeinflusst. Anders als im klassischen Journalismus kennen soziale Medien keine "Gatekeeper"-Funktion. Es gibt also keinen Automatismus, dass Meldungen vor der Veröffentlichung überprüft werden. Jeder kann Sender sein. Gleichzeitig bewegen sich die Nutzer oft in ihrer eigenen Filterblase; Algorithmen und das eigene Nutzungsverhalten bestimmen die Inhalte, die angezeigt werden. Das wiederum verfestigt die eigene Meinung. Es ist ein virtuelles Hamsterrad. Ich halte das für eine brandgefährliche Entwicklung. Wir müssen durch Dialog und Aufklärung entgegenwirken.
Oft ploppen ja auch im eigenen Youtube-Feed Informationen zum Beispiel von Russia Today auf. Es gibt ausländische Regierungen, die gezielt Informationen streuen. Wie muss man dem beikommen?
Durch Aufklärung. Indem wir hinterfragen, wer welches Interesse an der Verbreitung bestimmter Informationen hat. Ich kann niemandem empfehlen, sich bei Russia Today zu informieren. Das ist einseitige Berichterstattung, die zum Teil falsche Informationen verbreitet. Deshalb wäre es wichtig, dass wir auch in der Schule junge Menschen dafür sensibilisieren, dass gut oder schlüssig klingende Inhalte noch lange keine vertrauenswürdigen Quellen sind.
Was meinen Sie konkret? Wie wollen Sie genau verhindern, dass junge Menschen durch Inhalte in WhatsApp- oder Telegram-Gruppen in die Welt der Verschwörungserzählungen hineingezogen werden?
Der erste Schritt wäre, Lehrerinnen und Lehrern Medienkompetenz noch besser zu vermitteln. Wir dürfen Lehrerinnen und Lehrer nicht allein lassen. Daraus muss dann informatorische Bildung in der Schule werden. Das kann man im Prinzip in jedes Schulfach implementieren, weil es in fast allen Bereichen auch Fake News gibt. Es geht um eine innere Haltung: So wie Kinder beim Fahrradführerschein lernen, links, rechts und wieder links zu schauen, bevor sie eine Kreuzung überqueren, müssen wir es auch in Sachen Mediennutzung machen. Was wird gezeigt? Kenne ich die Quelle? Wenn nicht, kann ich Informationen über die Quelle recherchieren? Wer könnte ein Interesse haben, das zu verbreiten?
Sie wollen eine Art Medienführerschein für Kinder und Jugendliche.
Wenn Sie in dem Bild bleiben wollen: Bevor wir den Medienführerschein einführen, brauchen wir Fahrlehrer in Sachen Mediennutzung. Und dazu müssen wir unsere Lehrerinnen und Lehrer befähigen.
Corona-Verschwörungsmythen können am Vertrauen der Menschen nagen. Momentan stimmen laut Umfragen über 80 Prozent der Menschen den Maßnahmen gegen die Pandemie zu. Die Verwirrung um Beherbergungsverbote hat aber viele Menschen verärgert. Was tun Sie, um zu vermeiden, dass die Stimmung umschlägt?
Die Beschlüsse von Bund und Ländern zeigen, in was für einer schwierigen Lage wir uns befinden. Die Zahl der Neuinfektionen ist zuletzt dramatisch angestiegen und deshalb müssen wir konsequent gegensteuern: Ergänzende Maskenpflicht an Orten, wo viele Menschen dicht beieinander sind, Kontaktbeschränkungen und auch weniger Feiern und weniger Alkohol. Das alles ist leider notwendig, um die Verbreitung des Virus wieder einzudämmen, wie wir es in den letzten Monaten so gut hinbekommen haben. Wir dürfen jetzt nicht das verspielen, was wir in den letzten Monaten alle gemeinsam mit viel Eigenverantwortung erreicht haben.
"Es gibt momentan keine Dinge, auf die man bei der SPD neidisch sein könnte."
Sprechen wir über Ihre Partei. Bis Dezember läuft in der Union der Kampf um den Parteivorsitz, der um die Kanzlerkandidatur vielleicht noch länger. Danach sollen CDU und CSU gemeinsam einen starken Wahlkampf führen. Wie soll das denn funktionieren?
Innerparteilicher Wettbewerb ist demokratische Normalität. Wir haben drei sehr gute Bewerber für den Parteivorsitz. Wenn der Parteivorsitzende feststeht, werden wir zu einem geeigneten Zeitpunkt mit der CSU darüber sprechen, wer Kanzlerkandidat wird. Danach ziehen wir gemeinsam in den Wahlkampf. Die Stimmung ist gut, in beiden Parteien.
Ist laut eigenen Angaben nicht neidisch auf die SPD: Paul Ziemiak.Bild: www.imago-images.de / M. Popow
Sind Sie ein bisschen neidisch auf die SPD, weil die Olaf Scholz schon im Hochsommer zum Kanzlerkandidaten erklärt hat?
Nein. Das sage ich ohne Häme: Es gibt momentan keine Dinge, auf die man bei der SPD neidisch sein könnte.
"Ich kann das denjenigen, die sich für das Amt bewerben, nicht zum Vorwurf machen, dass sie ein Mann sind."
Norbert Röttgen, Armin Laschet, Friedrich Merz: Die einzigen Kandidaten auf den Parteivorsitz sind drei ältere, weiße Männer. Warum ist keine Frau im Rennen?
Das müssen Sie diejenigen fragen, die sich nicht für eine Kandidatur entschieden haben. Ich kann das denjenigen, die sich für das Amt bewerben, jedenfalls nicht zum Vorwurf machen.
Aber es kann ja Sie als Generalsekretär, der die Partei jünger und weiblicher machen will, nicht zufrieden stellen.
Wir sind uns alle in der Partei einig, dass der Anteil von Frauen in der CDU steigen soll und wir mehr Frauen in Verantwortung brauchen. Das hängt aber nicht davon ab, ob eine Frau oder ein Mann CDU Vorsitzender ist. Wir haben gerade erst mit einer Reformkommission viele Vorschläge erarbeitet, wie das gelingen kann. Wir sind nicht am Ziel, aber auf einem guten Weg. Im Übrigen sind wir stolz darauf, dass die CDU die erste Bundeskanzlerin, die erste EU-Kommissionspräsidentin und die Verteidigungsministerin stellt. Wir haben mit Annegret Kramp-Karrenbauer bereits die zweite Frau in Folge an der Parteispitze.
Für Sie ist ein männlicher Chef also eine willkommene Abwechslung.
Das ist doch nicht der Punkt. Die CDU zeigt, dass es für uns völlig selbstverständlich ist, dass Frauen in Führungspositionen sind. Während andere noch von Gleichberechtigung geredet haben, wurde die CDU längst von einer Frau geführt, die aufgrund ihrer souveränen Arbeit als Bundeskanzlerin zu Recht von vielen als "Leader of the Free World" gesehen wird.
Und warum hat sich kein jüngerer Politiker nach vorne getraut?
Aber nochmal: Wir haben drei starke Kandidaten. Mitglieder in anderen Parteien wären froh, wenn sie solch eine Auswahl hätten.
Sie machte Ziemiak 2018 zum Generalsekretär: (Noch) Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer (r.). Bild: www.imago-images.de / Emmanuele Contini
"Wir werden zur Bundestagswahl nur erfolgreich sein, wenn wir geschlossen und gemeinsam für den Erfolg kämpfen. Das ist allen klar und genau deshalb habe ich gar keine Zweifel, dass das gelingen wird."
In mehreren Medien wird das Modell kolportiert, dass Armin Laschet zurückzieht und stattdessen doch noch Gesundheitsminister Jens Spahn als Parteichef kandidiert, der bisher Laschets Vize werden will. Spahn ist ja deutlich populärer als die anderen drei Kandidaten.
Mir ist das nicht bekannt.
Glauben Sie, dass sich die Gräben zwischen Lagern in der CDU wieder schließen lassen, nachdem einer der Kandidaten gewonnen hat?
Wieso ist ein demokratischer Wettbewerb eigentlich immer gleich ein Lagerkampf? Klar ist, wir werden zur Bundestagswahl nur erfolgreich sein, wenn wir geschlossen und gemeinsam für den Erfolg kämpfen. Das ist allen klar und genau deshalb habe ich gar keine Zweifel, dass das gelingen wird.
Ihre Noch-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich ja selbst von der Parteispitze zurückgezogen, nach nur gut einem Jahr. Was muss AKKs Nachfolger tun, damit ihm das nicht passiert?
Wir gehen jetzt auf eine Bundestagswahl zu, die schon aufgrund der Corona-Krise nicht einfach wird. Es geht um die ernsthafte Frage, wie geht es weiter in Deutschland und in Europa. Diese Wahl ist kein Schönheitswettbewerb, sondern es geht um Verantwortung für das größte Land in Europa. Da kommt es auf die Union an. Dieser Aufgabe sind sich alle in der CDU und CSU bewusst.
Sie selbst sind von Annegret Kramp-Karrenbauer als Generalsekretär vorgeschlagen worden. Glauben Sie, dass Sie unter einem neuen Chef Ihre Position behalten können?
Mich hat der Parteitag 2018 für vier Jahre gewählt. Ich habe große Freude an dem, was ich mache und bereite gerade mit viel Elan unsere Partei intensiv auf den Wahlkampf nächstes Jahr vor. Ich beschäftige mich weniger mit meiner Person als mit der Frage, was wir in Deutschland tun müssen, um durch diese Krise zu kommen. Auch als Bundestagsabgeordneter weiß ich, dass für viele in unserem Land gerade andere Debatten eine Rolle spielen. Viele Menschen sind in Kurzarbeit, machen sich Sorgen, ob der Schulunterricht ausfällt. Das beschäftigt mich viel mehr als die Frage, was mit Parteiposten passiert.
Tradwives for Trump: Die Macht der Religion auf junge Frauen in den USA
Die Küche ist ihr Revier. Hier zaubern sie Brot, Eintöpfe und Torten. Mit einer Schürze schützen sie ihre schönen Kleider; das Haar ist kunstvoll frisiert.