Die Corona-Impfungen von Kinder und Jugendlichen ab zwölf Jahren sollen in Deutschland am 7. Juni starten. Sofern die europäische Arzneimittelbehörde (EMA) den Impfstoff von Biontech/Pfizer für die jüngere Altersgruppe zulasse, könnten sich die Jugendlichen ab diesem Tag um einen Impftermin bemühen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag nach Beratungen mit den Bundesländern.
Bis Ende des Sommers sollten dann alle Menschen ab zwölf Jahren in Deutschland ein Impfangebot bekommen, fügte Merkel hinzu. Eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) zur Impfung der Jugendlichen werde "in absehbarer Zeit" kommen.
Der Termin 7. Juni orientiert sich an der dann generell wegfallenden Priorisierung für die Corona-Impfungen. Die Impfungen für die Jugendlichen sollten entweder bei niedergelassenen Ärzten oder in den Impfzentren erfolgen, sagte Merkel. Das konkrete Vorgehen sei den Ländern überlassen.
Merkel betonte, die Frage des sicheren Schulbetriebs sei "unabhängig" davon, ob die Schülerinnen und Schüler geimpft seien. Dies bekräftigte auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) auf der gemeinsamen Pressekonferenz. Die "Einrichtung des neuen Schuljahrs" erfolge unabhängig von den Impfungen der Jugendlichen. Müller unterstrich außerdem, dass es "keine eigene Impfkampagne für Kinder und Jugendliche" geben werde. Es müsse offen gesagt werden: "Wir haben dafür keine zusätzlichen Impfstoffe."
Die Vorsitzende der Jugendorganisation der SPD, Jessica Rosenthal, kritisiert die Beschlüsse der Bund-Länder-Runde. "Der Impfgipfel zeigt: Man ist auch dieses Jahr nicht bereit, den Sommer zu nutzen und jungen Menschen im politischen Handeln Priorität einzuräumen", sagt sie gegenüber watson.
Noch immer gebe es nicht ausreichend Impfstoff für alle Impfwilligen über 16 Jahren:
Als Lehrerin wisse sie selbst, wie wichtig es sei, dass Schüler wieder in Sicherheit in die Schule gehen, so die Juso-Vorsitzende weiter. Bisher seien die Bildungsminister jedoch nicht in der Lage gewesen, auf andere Weise für diese Sicherheit zu sorgen. "Ein Impfangebot für alle Schüler*innen ab 12 Jahren über die Sommerferien ist also wichtig, um sicheres Lernen endlich möglich zu machen."
Weiter fordert Rosenthal, dass sich der Bundesgesundheitsminister entschuldigen solle. "Bei der steigenden psychischen Belastung für junge Menschen und der besorgniserregend steigenden Zahl an Missbrauchsfällen von Kindern in ihrem Zuhause wäre aber nicht nur eine eigene Impfkampagne überfällig, sondern auch eine ehrliche Entschuldigung von Jens Spahn." Auch die Eltern junger Kinder dürfe man nicht vergessen. Diese seien oft selbst noch jung und gesund – "und der Impftermin noch in weiter Ferne." Es brauche jetzt vor allem eins: "Möglichst schnell möglichst viel weiteren Impfstoff, der an Impfzentren, Hausärzt*innen und vor allem auch Kinder- und Jugendärzt*innen gehen soll."
Kritisch äußert sich auch eine Bundessprecherin der Linksjugend. "Wir begrüßen den Vorstoß der Bundesregierung, den Impfstoff auch Jugendlichen zugänglich machen zu wollen. Allerdings ist eine flächendeckende Versorgung mit zuverlässigen Impfstoffen nur möglich, wenn das Patentrecht endlich zugunsten des Allgemeinwohls ausgesetzt wird", sagt Selin Gören gegenüber watson.
Gerade als junge Mutter und Schülerin sei sie sich sehr bewusst, welche Einschränkungen das Coronavirus auf das Leben von Familien, Kindern und Schülern haben könne, und sei erleichtert, dass eine baldige Normalität in greifbare Nähe rückt. "Schulen und Kindergärten haben sich im Verlauf der Pandemie oft als risikoreiche Infektionsstätten erwiesen – je höher die Impfrate auch in dieser Gruppe ist, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit für ähnlich starke Einschränkungen im nächsten Schuljahr." Das sei insbesondere für Kinder aus Nicht-Akademikerfamilien wichtig, um die Bildungsungleichheit nicht weiter zu verstärken.
Die Berichterstatterin für Infektionsschutz der grünen Bundestagsfraktion, Kordula Schulz-Asche, ortet in Spahns Äußerungen einen "bitteren Beigeschmack", wenn der Gesundheitsminister selbst Zuversichtlichkeit predige, aber diese durch "irreführende Rhetorik" selbst wieder zerstöre. Gegenüber watson sagt Schulz-Asche:
"Es wird zu weiterem Frust bei allen Beteiligten der Impfkampagnen führen, wenn der Gesundheitsminister zusätzliche Dosen für die Impfungen von Kindern- und Jugendlichen verspricht, damit tatsächlich aber meint, dass diese nur vom Kontingent der Arztpraxen abgezogen werden. Das ist eine Mogelpackung, die sich einmal mehr in die überaus schlechte Krisenkommunikation der Bundesregierung einreiht.“
Katja Suding, die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, weist darauf hin, dass die Abwägung von Risiko und Nutzen einer Impfung für Kinder wissenschaftlich noch nicht abgeschlossen sei. Gegenüber watson sagt Suding:
"Klar ist: Kinder profitieren, wenn möglichst viele Erwachsene in ihrer Umgebung gegen Corona geimpft sind. Alle Erwachsene müssen daher schleunigst ein Impfangebot bekommen."
Kinder selbst seien keine Pandemieträger. "Deshalb ist der Druck, den Minister Spahn mit einem Impfangebot für Kinder aufbaut, grundfalsch. Es gibt längst keinen Grund mehr, Kindern und Jugendlichen ein altersgerechtes Leben zu verwehren. Schulöffnungen müssen sofort flächendeckend und unabhängig von der Impfung passieren." Dies dürfe niemals zusammenhängen, so Suding. "Luftfilter, kluge Hygienekonzepte und Impfungen für Lehrkräfte ermöglichen trotz Pandemie einen sicheren Präsenzunterricht."
(mit Material von afp)