Frauen machen rund die Hälfte der Weltbevölkerung aus. Dennoch ist ihnen nur ein Tag im Jahr gewidmet: der Internationale Weltfrauentag am 8. März. Das ist trotzdem ein guter Anlass, um den Frauen Anerkennung und Respekt zu zollen – egal, ob es sich um unsere Mutter, Tochter, Tante, Oma oder Freundin handelt.
Deshalb hat watson zehn Prominente, Spitzen-Politikerinnen, Sportlerinnen und Aktivistinnen gefragt, wer ihr ganz persönliches weibliches Vorbild ist. Die Antworten sind mindestens so vielfältig wie die Frauen, die sie geben.
Katja Kipping (Die Linke): "Es gibt nicht den einen Menschen, den man auf einen Sockel heben und komplett nachahmen sollte"
Katja Kipping war bis ende Februar Vorsitzende der Linkspartei.Bild: Getty Images Europe / Sean Gallup
"Es gibt nicht den einen Menschen, den man auf einen Sockel heben und komplett nachahmen sollte. Eine Frau, die mich aber in meiner Arbeit nachhaltig inspiriert hat, ist die Soziologin und Philosophin Frigga Haug.
Frigga prägte einen linken feministischen Ansatz, bei dem es nicht um den Kampf gegen Männer geht, sondern darum, dass die Überwindung der Geschlechterungerechtigkeit allen zum Vorteil gereicht. Während Männer überproportional die hoch bezahlten Spitzenjobs innehaben, tragen Frauen immer noch einen Großteil der unbezahlten Familienarbeit oder unterbezahlten Care-Arbeit.
"Während Männer überproportional die hochbezahlten Spitzenjobs innehaben, tragen Frauen immer noch einen Großteil der unbezahlten Familienarbeit oder unterbezahlten Carearbeit."
Frigga Haug entwickelte die Vier-in-Einem-Perspektive, wonach dagegen im Leben von Männern und Frauen gleichermaßen Zeit für die vier gleichwertigen Tätigkeiten sein soll: Erwerbsarbeit, Sorgearbeit, politisches Engagement und Arbeit an sich selbst, vorstellbar als Weiterbildung oder Muße. Für mich ist das eine Perspektive, die einerseits Lust macht, im hier und jetzt mit der Veränderung zu beginnen, und die andererseits natürlich erfordert, vieles ganz grundlegend zu verändern.
Als Einstiegslektüre empfehle ich ihr Buch: 'Die Vier-in-Einem-Perspektive' oder einen ihrer Krimis, zum Beispiel 'Jedem nach seinem Bedürfnissen'."
Sookee, Rapperin: "Ich kann mich nicht auf eine Person festlegen, denn das wird der Vielfalt der Stimmen nicht gerecht"
Sookee findet es wichtig, vor allem mit jüngeren Menschen über Sexismus und Rassismus zu sprechen.
"Ich kann mich nicht auf eine Person festlegen, denn das wird der Vielfalt der Stimmen nicht gerecht. Wenn man sich mit Feminismus befasst, kann man bei der Frage nach einem weiblichen Vorbild ruhig etwas historisch werden.
Eine von ihnen istOlympe de Gouges, die frühzeitig während der Französischen Revolution versucht hat, einen komplexen Blick anzulegen, um zu zeigen, dass es nicht nur um die Freiheit der Männer geht. Sie hat die Rechte der Bürgerinnen eingefordert in einer Form von Vereinheitlichung. Oder auch eine Clara Zetkin als Arbeiterin, die die bürgerliche, weibliche Perspektive unzureichend fand. Das sind Menschen, die ich als meine feministische Wahlfamilie betrachte.
"Kein Mensch ist zu jung, um Sexismus oder Rassismus zu erfahren, demnach ist auch kein Mensch zu jung, um sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen."
Es ist so wichtig, nicht nur untereinander zu sprechen, sondern auch mit jüngeren Leuten. Sie frühzeitig ernst zu nehmen und Energie und Aufmerksamkeit hineinzustecken. Kein Mensch ist zu jung, um Sexismus oder Rassismus zu erfahren, demnach ist auch kein Mensch zu jung, um sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen."
Dorothee Bär (CSU), Staatssekretärin: "Mich inspirieren vor allem Künstlerinnen durch ihren Mut, ihren Pioniergeist und auch durch ihre 'Egal-was-andere-denken'-Mentalität"
Ist bekennender Fan der Künstlerin Niki de Saint Phalle: Staatsministerin Dorothee Bär.Bild: www.imago-images.de / M. Popow
"Wenn Politikerinnen nach weiblichen Vorbildern gefragt werden, erwartet man meistens andere Politikerinnen. Und in der Tat gäbe es da sicher einige. Aber seit ich ein kleines Mädchen war, inspirieren mich vor allem Künstlerinnen durch ihren Mut, ihren Pioniergeist und auch durch ihre 'Egal-was-andere-denken'-Mentalität. Heute zum Weltfrauentag 2021 greife ich aus meinem großen Inspirationsfundus eine sehr prägende Persönlichkeit heraus: Niki de Saint Phalle – Malerin, Bildhauerin, Aktionskünstlerin, Mutter, Feministin, Autodidaktin. Stark, zornig, selbstbewusst.
"Auch heute noch – knapp 20 Jahre nach ihrem Tod – bedauere ich sehr, sie nie kennengelernt haben zu dürfen."
Auch wenn sie in Deutschland hauptsächlich für ihre Nanas (Plastiken weiblicher Körper, Anm. d. Red.) bekannt ist, haben mich ihre Schießbilder immer wesentlich mehr fasziniert. Auch heute noch – knapp 20 Jahre nach ihrem Tod – bedauere ich sehr, sie nie kennengelernt haben zu dürfen und danke ihr posthum für ihre stilprägende Arbeit."
Giulia Gwinn, Profi-Fußballerin: "Mittlerweile habe ich keine Vorbilder mehr, sondern gehe meinen eigenen Weg. Ich wünsche jedem jungen Mädchen, dass sie diesen für sich selbst auch findet"
Giulia Gwinn steht beim FC Bayern unter Vertrag, fällt aktuell aber mit einem Kreuzbandriss aus.Bild: www.imago-images.de / UWE KRAFT
"Der Weltfrauentag ist für mich ein Mutmacher. Ein Tag, der weltweit Jahr für Jahr eines unserer wichtigsten Grundrechte untermauert: die Gleichberechtigung. Ich habe bis zu meinem 16. Lebensjahr im Fußball nur in Jungs-Teams gespielt. In meinen Mannschaften gab es nie Probleme. Im Gegenteil: Von meinen Trainern und Mitspielern habe ich riesige Unterstützung und Wertschätzung erfahren. Sie waren total stolz auf mich.
"Leistung soll und darf gerne den Unterschied machen, aber nie das Geschlecht."
Ich kann mich aber noch an ein Turnier erinnern, bei dem ein paar Jungs zu Beginn hinter meinem Rücken sagten: Schaut mal, bei denen spielt ein Mädchen mit. Mädchen sollen doch lieber tanzen gehen. Die Antwort habe ich auf dem Platz gegeben. Als die Jungs merkten, dass ich was drauf habe, klangen ihre Äußerungen plötzlich ganz anders. Dann hörte ich sie sagen: Wow, krass, die kann ja echt was.
Leistung soll und darf gerne den Unterschied machen, aber nie das Geschlecht. Ich bin froh, dass es schon während meiner Kindheit eine bekannte Profispielerin wie Birgit Prinz gab, die ihr Ding durchgezogen und immer abgeliefert hat. Sie war eine Spielerin, zu der ich aufgeschaut habe, als ich noch ein Mädchen war. Sie hat in Fußball-Deutschland etwas bewegt und somit auch mir geholfen, meiner Leidenschaft selbstbewusst zu folgen. Mittlerweile habe ich keine Vorbilder mehr, sondern gehe meinen eigenen Weg. Ich wünsche jedem jungen Mädchen, dass sie diesen für sich selbst auch findet."
Ruth Moschner, Moderatorin: "Wenn ich an meine Ur-Großmutter Mimi denke, bin ich unendlich dankbar für meine heutigen Freiheiten"
Ruth Moschner sitzt aktuell im Rate-Team von "The Masked Singer". Bild: dpa / Rolf Vennenbernd
"Meine Ur-Großmutter Mimi wurde 1890 geboren, sie besuchte die Uni, wehrte sich gegen sexuelle Belästigung während ihrer Ausbildung, suchte sich ihren Ehemann selbst aus, verlor zwei ihrer Töchter, überlebte das KZ im Zweiten Weltkrieg. Danach machte sie sich mit einer eigenen Zahnarztpraxis selbstständig.
"Ich bin mir meiner Verantwortung bewusst, diesen Weg weiterzugehen."
Sie hat trotz allem nie ihren Humor und vor allem niemals ihr Selbstvertrauen verloren. Wenn ich an Mimi denke, bin ich unendlich dankbar für meine heutigen Freiheiten und mir meiner Verantwortung bewusst, diesen Weg weiterzugehen."
Katrin Göring-Eckardt (Grüne): "Vorbilder, also leben nach dem Bild von jemand anderem, das ist mir eigentlich suspekt"
Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag: Katrin Göring-Eckardt.Bild: Getty Images Europe / Pool
"Vorbilder, also leben nach dem Bild von jemand anderem, das ist mir eigentlich suspekt. Jeder soll ja das eigene Leben so intensiv wie möglich leben. Vor ein paar Jahren habe ich aber ein Kinderbuch über Frauen in der Bibel übersetzt. Und ich dachte immer, ich kenne alle Frauen in der Bibel. Aber da ist mir zum ersten Mal Lydia, die Purpurhändlerin aufgefallen.
"Sie war eine Frau, die ihre Welt veränderte."
Die hatte als selbstbewusste Frau nicht nur ihr Geschäft im Griff. Sie spielte auch in der Gesellschaft eine große Rolle und lud die christliche Gemeinde zu Treffen in ihr Haus ein. Und das machte sie völlig eigenständig in einer Zeit, in der man sich das kaum vorstellen kann. Sie war eine Frau, die ihre Welt veränderte. Solche Geschichten laden zum Nachdenken ein, inspirieren. Das ist etwas, woraus ich Kraft schöpfe."
Jenny Frankhauser, Ex-Dschungelkönigin: "Meine Oma ist die stärkste Frau der Welt"
"Mein weibliches Vorbild ist ganz klar meine Oma. Ich habe den größten Respekt vor ihr. Sie ist die stärkste Frau der Welt. So viele schlimme Schicksalsschläge hat sie schon verkraften müssen und hat immer noch ein Lächeln im Gesicht. Ich bewundere und liebe sie von ganzem Herzen."
Linda Teuteberg (FDP): "Marie-Elisabeth Lüders hatte Lust am Sprechen, liebte den Streit und das Parlament"
Linda Teuteberg ist Bundestagsabgeordnete der FDP.null / Tobias Koch
"Mir geht es weniger darum, ein Vorbild zu nennen, als eine Politikerin zu würdigen, die in der Weimarer Republik und der frühen Bundesrepublik als Parlamentarierin wirkte: Marie-Elisabeth Lüders. Ein 'Scharfschütze des Wortes' konnte die Liberale sein.
"Sie zeigte weibliches Selbst- und Machtbewusstsein."
Sie hatte Lust am Sprechen, liebte den Streit und das Parlament war für sie eine Arena sowohl der Argumente und Ideen als auch für ausdrucksstarke Mimik und Gestik sowie großes rhetorisches Repertoire. Sie zeigte weibliches Selbst- und Machtbewusstsein."
Micaela Schäfer, TV-Star: "Obwohl meine Oma fast 80 Jahre alt ist, ist sie toleranter als manch Jugendliche"
Micaela Schäfer wurde einst durch "GNTM" bekannt. Mittlerweile arbeitet sie als Nacktmodel und DJane.Bild: imago images/Gartner
"Mein Vorbild ist meine Oma Christel, da sie noch die alten Werte wie Moral, Bescheidenheit und Anstand pflegt und die Familie zusammenhält.
"Toll finde ich auch, dass meine Oma jährlich mit mir für meinen Nacktkalender vor der Kamera steht."
Obwohl sie fast 80 Jahre alt ist, ist sie toleranter als manch Jugendliche in Hinsicht auf Herkunft, Religion und Sichtweisen. Irgendwann wird es diese Generation nicht mehr geben, was mir Angst macht. Toll finde ich auch, dass meine Oma jährlich mit mir für meinen Nacktkalender vor der Kamera steht."
Clara Mayer (Fridays for Future): "Viele meiner Kämpfe hat meine Mutter schon gekämpft"
Clara Mayer ist eine Berliner Klimaaktivistin und eine der Pressesprechenden von Fridays for Futurebild: Jan Tecklenburg
"Meine Mutter möchte nicht mein Vorbild sein. 'Mach Dinge besser als ich, sei stärker als ich, mein Schatz.' Sie merkt nicht, wie stark sie ist. Ihr ewiger Kampf begleitet uns beide. Und wenn ich mir anschaue, welche Hürden sie überspringen musste, dann scheint mein Leben leicht. Immer sagt sie, wie stark ich sei. Wie viel stärker als sie. Doch ich zehre meine Kraft aus ihr. Aus ihrer ewigen Zuneigung, ihrem Rat, ihrem Vertrauen in mich. Ihrer Aufopferung. Viele meiner Kämpfe hat sie schon gekämpft. Ihre Geschichte begleitet mich. Eines Tages will ich sein wie sie. Will ich empathisch sein wie sie. So viel wissen wie sie. Ich verstehe sie immer mehr.
"Eines Tages will ich sein wie sie. Will ich empathisch sein wie sie. So viel wissen wie sie."
Sie ist nicht nur meine Mutter. Sie hat gelitten und Erfolge gehabt. Fehler begangen. Und sie hat es alles überstanden. Wenn ich Angst habe, hässlich zu werden, durch all das was um mir, mit mir, durch mich passiert. Richtig hässlich zu werden. Dann schaue ich sie an und weiß: Ich komme aus einer langen Linie an starken Frauen. Meine Oma. Meine Mama. Der Kampf hat nicht aufgehört, aber wenn ich hinter mich blicke, stehen sie da und halten mich. Und wenn ich nach vorne blicke, sehe ich sie und eifere ihnen nach."
Weltfrauentag bei watson
Am 8. März ist der Internationale Weltfrauentag – und das wollen wir von watson feiern! Deswegen präsentieren wir euch zu diesem Anlass Beiträge rund um das Thema Frauen, Gleichstellung und Gerechtigkeit.
Hier findet ihr andere Beiträge zum Weltfrauentag:
Bundestag sagt Sitzungswoche ab: Haushalt endgültig gescheitert
Nach dem Ampel-Aus war abzusehen, dass die Rot-Grüne Minderheitsregierung ohne ihren Ex-Partner FDP nicht mehr viele Projekte im Bundestag umsetzen kann. Denn auch die Union zeigte bei den meisten Themen wenig Interesse an einer Zusammenarbeit.