Für Anna Peters war eine Karriere bei den Grünen fast vorprogrammiert. Aufgewachsen ist die 24-Jährige in Freiburg – der ersten deutschen Großstadt, die von einem grünen Oberbürgermeister regiert wurde. Dort hat sie eine deutsch-französische Schule besucht, die ihr, so erzählt sie es, erste grüne Werte vermittelt habe. Und schon mit 13 Jahren habe sie dann begonnen, sich zu fragen, warum Atomkraftwerke eigentlich weiter stehen bleiben dürfen, sagt Anna Peters.
Es kam, wie es kommen musste: 2012 trat Peters in die Grüne Jugend ein, 2015 auch bei den Grünen. Was seither geschehen ist, kann man als parteiinterne Blitzkarriere der 24-Jährigen bezeichnen: Seit 2018 ist sie Mitglied des Bundesvorstands der Grünen Jugend und seit 2019 zudem Bundessprecherin – und damit neben Georg Kurz Teil der Doppelspitze der Organisation.
Watson hat mit Anna Peters darüber gesprochen, warum sie keine Koalition mit der CDU will, wie die Grüne Jugend die Partei auf Trab hält und was es bedeutet, als junge Frau Politik zu machen.
watson: Du bist die Bundesvorsitzende der Grünen Jugend. Sorgt ihr als junge Organisation dafür, dass die "alten" Grünen nicht zu bequem werden?
Anna Peters: Klar. Es ist unsere Aufgabe, nachzuhaken und auch mal auf den Tisch zu hauen. Die Grüne Jugend vertritt teilweise radikalere Positionen als die Grünen selbst. Während die Partei zum Beispiel noch damit ringt, für kostenlosen öffentlichen Nahverkehr bundesweit zu kämpfen, machen wir das zu einer zentralen Forderung im Wahlkampf.
Klingt nach Konfliktpotenzial.
Nein, insgesamt haben wir natürlich dieselben Ziele. Aber die Partei muss verschiedenste Meinungen vereinen und ist vielleicht auch nicht mehr so direkt an jungen Bewegungen wie Fridays for Future dran.
Das ist dann eure Rolle?
Ja, wir entwickeln politische Forderungen weiter, die auch von den Bewegungen auf der Straße eingefordert werden. Und kämpfen natürlich dann auch dafür, dass sich diese bei den Grünen in der parlamentarischen Arbeit und in der Politik wiederfinden.
Wofür steht denn die Grüne Jugend genau?
Ein Schwerpunkt der Grünen Jugend ist der Zusammenhang zwischen Klima und sozialer Gerechtigkeit. Wir kämpfen eben nicht nur für das Klima, sondern zum Beispiel auch für die Arbeiter und Arbeiterinnen in der Kohle-Industrie. Es soll niemand seinen Job mit 50 Jahren verlieren und dann in Hartz IV abrutschen. Wir brauchen einen zukunftsfähigen Strukturwandel, der niemanden zurücklässt. Des Weiteren kämpfen wir für eine antirassistische, antifaschistische und feministische Gesellschaft, in der man frei und sicher leben kann, unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht oder Religion.
In etwas mehr als einem halben Jahr ist Bundestagswahl. Immer häufiger wird die Koalition zwischen den Grünen und der Union ins Spiel gebracht. Wie siehst du das?
Ich möchte natürlich eine Regierung mit starker Beteiligung der Grünen – aber ohne die Union, damit diese Politik des Stillstands endlich ein Ende hat.
Armin Laschet wurde im Januar zum neuen Vorsitzenden der CDU gewählt und steht damit auch als möglicher Kanzlerkandidat der Union im Raum. Eine Zusammenarbeit mit Laschet könntest du dir also nicht vorstellen?
Armin Laschet ist niemand, der eine verantwortungsvolle Politik macht. Für mich ist er der Kohle-König aus Nordrhein-Westfalen, der die Räumung des Hambacher Forsts unterstützt hat. Ich sehe ihn daher nicht als politischen Partner, sondern eher als jemanden, mit dem man sich politisch streiten muss.
Blieben also noch SPD, FDP, Linke – und die AfD.
Unsere Ziele verwirklichen wir am besten mit der SPD und der Linken an unserer Seite. Mit der neoliberalen Politik der FDP sehe ich keine Überschneidungen, die kämpfen lieber für die Profite weniger, anstatt für das bessere Leben aller. Und die AfD hat in den letzten Jahren durch ihre rassistische, rechtsextreme und menschenverachtende Politik gezeigt, dass man alles dafür tun muss, sie aus dem nächsten Bundestag zu schmeißen! Durch die Bundestagsabgeordneten der AfD fühlten sich die Attentäter von Hanau, Halle und Walter Lübcke angespornt.
Du hast dich entschieden, dieses Mal nicht für den Bundestag zu kandidieren. Warum?
Ich will erstmal die junge Stimme außerhalb des Parlaments stärken. Politik passiert ja nicht nur im Bundestag, sondern auch auf der Straße oder bei uns zu Hause und im Freundeskreis, wenn wir streiten und diskutieren. Außerdem gibt es 25 Kandidaten und Kandidatinnen von der Grünen Jugend, die in den Bundestag einziehen wollen. Die will ich jetzt auf dem Weg dahin unterstützen, damit die dann die junge Stimme ins Parlament tragen können.
Werden junge Menschen in der Politik denn genug gehört?
Nein, junge Menschen werden absolut nicht genug gehört. Das sieht man leider auch gerade jetzt in der Corona-Krise.
Inwiefern?
Die Grüne Jugend hat der Bildungsministerin Anja Karliczek gemeinsam mit den Jugendverbänden der FDP, CDU und SPD schon im April vergangenen Jahres einen Brief geschrieben. Wir wollten mit ihr in einen Dialog über die Verhältnisse an Schulen und Unis während Corona gehen. Karliczek hat nicht mal darauf geantwortet, obwohl sogar die Jugendorganisation ihrer eigenen Partei unterschrieben hat! Das sagt doch eigentlich schon alles.
Du wirkst verärgert.
Ja. Gemeinsam repräsentieren die an dem Brief beteiligten Jugendorganisationen über 200.000 junge Mitglieder. Dass wir trotzdem einfach ignoriert werden, ist schon sehr ärgerlich.
Was muss die Politik im Umgang mit jungen Menschen besser machen?
Ganz ehrlich: Die Bundesregierung sollte sich einfach mal Zeit nehmen und zuhören, wie es den jungen Leuten gerade geht. Wir sind diejenigen, die gerade im Online-Unterricht sitzen und sehen, wie es läuft. Wir sind die Generation, die sich von Praktikum zu Praktikum und von einem befristeten Arbeitsvertrag zum nächsten hangelt. Wir sind die, die unter der Klimakrise am meisten leiden werden. Die Regierung versteht die Realität nicht, in der junge Leute leben.
Dabei...
… dabei müsste sie nur nachfragen. Wir jungen Leute wissen schon selbst, was wir brauchen.
Warum werden junge Menschen bei solchen Themen außen vor gelassen?
Das frage ich mich auch.
Und welche Antworten gibt es darauf?
Am Ende sind wir eben nicht diejenigen, die die Industrie im Rücken haben oder mit hundert Arbeitsplätzen an den Verhandlungstisch kommen. Und so, wie der politische Betrieb unter der CDU funktioniert, hat ein Konzernchef eben mehr Macht als Jugendliche, die um ihre Zukunft fürchten.
Klingt ungerecht.
Ist es auch. Aber genau diese Ungerechtigkeiten spornen mich auch an, weiter Politik zu machen und dagegen anzukämpfen.
Du sagst, du willst Politik machen und kämpfen. Hattest du dabei schon mal das Gefühl, als junge Frau nicht ernst genommen zu werden?
Klar, man erlebt immer mal wieder, dass man als junges Mädchen abgestempelt wird, das zu idealistische Vorstellungen oder weniger Ahnung von Politik hat. Aber da schließt sich auch wieder der Kreis zum Umgang mit jungen Leuten insgesamt.
Was sagst du denen, die dich so abstempeln?
Politiker und Politikerinnen können entweder weiter junge Menschen übergehen und es sich mit einer ganzen Generation verscherzen. Oder sie können anfangen, uns junge Leute ernst zu nehmen und gemeinsam mit uns nach Lösungen suchen.
Gehen wir noch einen Schritt weiter: Insbesondere junge Politikerinnen sind häufig auch Sexismus und Anfeindungen in den sozialen Medien ausgesetzt.
Ja, das kenne ich. Auch ich habe leider schon solche Erfahrungen gemacht. Meistens sind es einfach miese Anmachsprüche, teilweise kommen aber auch sehr erniedrigende Kommentare.
Was zum Beispiel?
Ich weiß nicht, wie viele Nachrichten ich schon bekommen habe, in denen stand: "Lass mal ficken." Sowas ist einfach eklig.
Was glaubst du, steckt hinter diesen Nachrichten?
Ich glaube, oft passiert das mit dem Hintergrund, dass junge Politikerinnen mundtot gemacht werden sollen. Nach dem Motto: Wenn ich dich nur stark genug erniedrige, dann hältst du vielleicht die Klappe. Aber ich lasse mich davon nicht einschüchtern.
Wie gehst du mit solchen Nachrichten um?
In ganz schlimmen Fällen kann man die Sachen anzeigen. Bei mir kam es aber zum Glück noch nie so weit. Ansonsten sehe ich nur die Möglichkeit, es zu thematisieren und sich dagegen zu wehren. Man muss dieses Verhalten einfach immer wieder aktiv ansprechen: Ich bin nicht hier, um Vergewaltigungsfantasien zu bedienen. Und ich bin auch nicht hier als Lustobjekt. Ich bin hier, um Politik zu machen.