SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sieht die Entscheidungen der Kanzlerin und der Länderchefs grundsätzlich positiv – hätte sich aber in einigen Bereichen mehr Härte gewünscht.Bild: dpa / Kay Nietfeld
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Karl Lauterbach zu Corona-Beschlüssen: "Die nächsten drei Wochen werden entscheidend"
Kaum jemand hatte daran gezweifelt: Die Menschen in Deutschland werden sich wegen der Corona-Pandemie weiter stark einschränken müssen. Die Virusmutationen machen Bund und Ländern so viel Sorge, dass der Lockdown bis 14. Februar verlängert wird.
Zugleich beschlossen Bund und Länder am Dienstagabend zusätzliche Einschränkungen. Medizinische Masken werden Pflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln und Geschäften. Um Kontakte am Arbeitsort, aber auch auf dem Weg zur Arbeit zu reduzieren, müssen Arbeitgeber künftig wo immer es möglich ist, Arbeit im Homeoffice ermöglichen. Schulen und Kitas bleiben erstmal geschlossen.
Während sich Angela Merkel und die Ministerpräsidenten zufrieden angesichts der Beschlüsse zeigten, hätte sich SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach zusätzliche Maßnahmen gewünscht. Deutlich schärfere Kritik kommt aus der Opposition. Watson hat mehrere Stimmen von Spitzenpolitikerinnen und -politikern gesammelt.
Karl Lauterbach, SPD
Karl Lauterbach, Gesundheitspolitiker der SPD. Bild: dpa / Oliver Berg
SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sieht die Entscheidungen der Kanzlerin und der Länderchefs grundsätzlich positiv – hätte sich aber in einigen Bereichen mehr Härte gewünscht. Gegenüber watson erklärte Lauterbach, die beschlossenen Verschärfungen seien "zunächst ein ganz zentraler Schritt." Lauterbach wörtlich: "Ich bin froh, dass die Verlängerung des Lockdowns gekommen ist – und jetzt weitere Beschränkungen dazukommen."
Lauterbach erklärte, er wünsche sich jetzt, "dass die Beschlüsse konsequent durchgesetzt werden." Mit Blick auf die kommenden Tage erklärte er: "Die nächsten drei Wochen werden entscheidend dafür, ob sich die Virusvariante B117 in Deutschland massiv verbreitet."Ausdrücklich positiv sieht Lauterbach die beschlossene Pflicht, in geschlossenen öffentlichen Räumen FFP-2- oder OP-Masken zu tragen. Wörtlich sagte er watson: "Diese medizinischen Masken schützen deutlich besser als andere Mund-Nasen-Bedeckungen."
Lauterbach sagte allerdings auch, er hätte sich "an einigen Stellen mehr gewünscht". "Dazu gehört eine echte Homeoffice-Pflicht", meinte Lauterbach und ergänzte: "Es wird entscheidend, ob in den kommenden Tagen mehr Menschen als bisher von zu Hause aus arbeiten."
Eine weitere Forderung Lauterbachs wäre eine Ausgangssperre nach 20 Uhr für drei Wochen gewesen. Dazu erklärte der SPD-Gesundheitspolitiker: "Dabei ginge es nicht um Spaziergänge – sondern darum, dass sich Menschen nicht auf den Weg machen, um sich in einem fremden Wohnzimmer mit fünf Freunden zu treffen."
Zu den gewünschten Effekten der aktuellen Pandemiebekämpfung sagte Lauterbach: "Das Ziel muss jetzt sein, den R-Wert auf 0,7 zu drücken."
Mit dem R-Wert wird die Rate bezeichnet, mit der ein Infizierter im Durchschnitt andere Menschen ansteckt. Bleibt der R-Wert über längere Zeit unter 1, bedeutet das, dass sich die Verbreitung eines Virus verlangsamt.
Sahra Wagenknecht, Die Linke
Sahra Wagenknecht war 2019 Fraktionsvorsitzende der Linkspartei. Bild: imago stock&people / Jens Schicke
Die frühere Linken-Fraktionschefin sagte zu watson über die Corona-Beschlüsse:
"Eine falsche Medizin wirkt nicht dadurch besser, dass man immer wieder die Einnahme verlängert und die Dosis erhöht. Indem die Regierung weiter an einem völlig willkürlichen Inzidenz-Wert als Maßstab festhält, ist außerdem vorprogrammiert, dass der Lockdown auch Mitte Februar nicht beendet sein wird. Die meisten Corona-Todesopfer haben zuvor in Alten- und Pflegeheimen gelebt, doch gegen den Pflegenotstand und für einen besseren Schutz der Heime wird kaum etwas unternommen.
Die Maskenpflicht wird verschärft, aber kostenlose FFP-2-Masken für Geringverdiener gibt es nicht. Bis Mitte Februar bleiben die Schulen weitgehend geschlossen, für Kinder aus ärmeren Familien, denen die Eltern nicht beim Lernen helfen können, ist das eine Katastrophe. Unternehmen sollen mehr Beschäftigte ins Home-Office schicken, aber eine klare Verpflichtung dazu gibt es nicht. Die Regierung versagt beim Schutz der Hochbetagten und der Beschäftigten, die nicht ins sichere Home-Office wechseln können - dabei liegt genau dort der Schlüssel zur Bewältigung der Pandemie."
Katja Suding, FDP
Katja Suding, FDP-Fraktionsvize und Bildungspolitikerin.Bild: www.imago-images.de / M. Popow
Katja Suding, stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion im Bundestag, kritisiert die Beschlüsse der Bundeskanzlerin und der Länderchefs vor allem mit Blick. Die Verlängerung der Schulschließungen, erklärt Suding, sei "wie ein Schlag ins Gesicht Tausender Schüler und ihrer Eltern."
Suding sieht viele Eltern und Kinder in Deutschland an der Belastungsgrenze. Wörtlich erklärt sie:
"Nach wie vor fehlt jede nachhaltige Strategie für eine Rückkehr zum Präsenzunterricht. Auch die Vorbereitungen für den Digitalunterricht kommen seit Monaten kaum voran. Die Belastungen sind für sozial schwache Kinder und Alleinerziehende Eltern vielfach nicht mehr auszuhalten.“
Katrin Göring-Eckardt, Grüne
Bundestags-Vize Katrin Göring-Eckardt lobt den Arbeitsminister.Bild: www.imago-images.de / Christoph Hardt
Katrin Göring-Eckardt, Vizepräsidentin des Bundestags, begrüßt, dass sich der Arbeitsminister jetzt bewege. Letzte Woche noch hätten Union und SPD die Forderungen der Grünen für mehr Homeoffice und Arbeitsschutz ausgebremst. Jetzt sei der Druck zu groß geworden.
"Dass Schulen, Kultur und Einzelhandel geschlossen werden, aber kaum verpflichtende Schutzregeln für Büro und Betrieben bestehen, hat schon lange niemand mehr verstanden. Es war überfällig, dass die Bundesregierung beim Kampf gegen die Pandemie die Arbeitswelt nicht länger ausklammert."
Mehr Gesundheitsschutz in der Arbeitswelt helfe allen – auch der Gastronomie und anderen Betrieben, die immer noch geschlossen seien.
Wolfgang Kubicki, FDP
FDP-Vize Wolfgang Kubicki kritisiert die Bundesregierung.Bild: www.imago-images.de / Dirk Jacobs/ Eibner-Pressefoto
FDP-Vize Wolfgang Kubicki kritisierte bei watson, dass Merkel ihren eingeschlagenen Weg "koste es, was es wolle", durchbringen wolle.
"Es ist nicht hinnehmbar, dass die Bundesregierung nach fast einem Jahr Pandemie keine nachvollziehbare und durchhaltbare Strategie entwickelt hat, die uns hilft, mit dem Virus leben zu können. Dass die Gesundheitsämter erst jetzt personell auf den Stand gebracht werden sollen, damit die Kontaktnachverfolgung besser gewährleistet werden kann, ist leider kein Witz, sondern traurige Realität.
Statt einer nachvollziehbaren Politik hören wir seit dem 'Lockdown light' Ende Oktober ausschließlich Durchhalteparolen, dass 'in wenigen Wochen' Lockerungen kommen werden. Es wäre demokratisch gewesen, dass der Deutsche Bundestag über diese Grundrechtsbeschränkungen debattiert. Dass sich die Bundeskanzlerin anders entschieden hat und sich lieber von selbst ausgewählten Beratern bestätigen lässt, zeigt, dass sie nicht mehr nach dem besseren Weg sucht, sondern den einmal eingeschlagenen Weg durchbringen will. Koste es, was es wolle."
Katja Kipping, Die Linke
Katja Kipping ist aktuell noch Parteivorsitzende der Linken. Die Wahl zu ihrer Nachfolgerin musste aufgrund der Corona-Pandemie verschoben werden.Bild: imago images / Thomas Trutschel/photothek.net
Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping begrüßt die von Bund und Ländern beschlossenen Homeoffice-Regelungen. Bei watson kritisiert sie jedoch scharf die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.
"Monatelang hat die Bundesregierung die Last des Infektionsschutz fast komplett auf den Privathaushalten abgeladen. Nun endlich zeigt sie Einsicht und nimmt einige Forderungen der Linken im Sinne eines solidarischen Lockdowns in Angriff. Das ist überfällig. Die monatelange Weigerung der Regierung, auch die Großen, die Arbeitgeberseite verbindlich für den Infektionsschutz in die Pflicht zu nehmen ist mitverantwortlich dafür, dass sich der Lockdown für Privathaushalte noch länger ziehen wird. Hätte die Regierung früher verbindlich den Infektionsschutz für die Arbeitswelt in Angriff genommen, könnte der Lockdown insgesamt kürzer ausfallen.
Leider nimmt sich die Regierung auch nur halbherzig der Idee eines solidarischen Lockdowns an. Denn wichtige Aspekte fehlen: Bei den sozialen Ausgleichmaßnahmen vergisst die Regierung weiterhin die Ärmsten, so findet sich kein Hinweis auf den so notwendigen Corona-Aufschlag auf alle Sozialleistungen. Die immer noch viel zu hohen Inzidenzwerte und die mutierten Versionen erfordern konsequentes und gerechtes Vorgehen. Doch die Regierung reagiert entweder zu spät, wie beim Recht auf Homeoffice und Entzerrung im Berufsverkehr, oder sie nimmt wichtige Maßnahmen noch immer nicht in Angriff, wie die Auflösung von Massenunterkünften und strengeren Infektionsschutz in Sortierzentren und Produktionsstätten.
Ausbaden müssen diese Halbherzigkeit der Regierung die Privathaushalte und jene Bereiche, die schon lange im Lockdown sind, wie die Kultur und Veranstaltungsbranche. Wenn die Bundesregierung weiterhin so halbherzig vorgeht, werden sie noch lange gar nicht oder nur mit enormen Einschränkungen ihre Arbeit aufnehmen können.
Angesichts eines Rechts auf Homeoffice geht die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände auf die Barrikaden und beschimpft diese längst überfällige Regelung als bürokratischen Aktionismus. Diese Reaktion der Arbeitgeber Lobby ist verantwortungslos hoch zehn. Die Arbeitgebervertretung macht hier auf Corona-Verharmlosung. Den Bürgerinnen und Bürgern werden im Alltag so viele Einschränkungen auferlegt und wenn es dann eine Regelung wie das Recht auf Homeoffice gibt, das noch nicht mal die Profitinteressen angreift, spielt die Arbeitgeberseite verrückt. Hier ist die Arbeitgeber-Lobby ähnlich destruktiv wie Querdenken. Auf jeden Fall ist sie keine Hilfe beim Kampf gegen Corona."
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