Die bisherigen Hochrechnungen sind zwar noch kein amtliches Wahlergebnis, dennoch sagt Grüne-Jugend-Sprecher Georg Kurz im Gespräch mit watson: "Da müssen wir uns nichts vormachen: Wir hätten uns mehr erhofft. Trotzdem ist es das mit Abstand stärkste Wahlergebnis, das die Grünen je erzielen konnten. Man sieht also, es gibt unter den Wählerinnen und Wählern ein klares Bedürfnis nach Veränderung."
Die Union erreicht ein historisch schlechtes Ergebnis, die SPD legt seit 2017 wieder mächtig zu, liegt aber quasi gleichauf mit CDU/CSU. Die Grünen können sich nun endgültig vom Kanzlerinnenamt verabschieden und die FDP schafft es wieder auf ein zweistelliges Ergebnis. Die Linken kratzen an den 5 Prozent.
Das schlechte Abschneiden deutet Kurz als klaren Auftrag für die kommende Bundesregierung. Er sagte:
Bei der Frage nach möglichen Koalitionen bleibt der Grüne-Jugend-Sprecher eher schwammig. "Am Ende müssen wir schauen, wo es die meisten Überschneidungen gibt." Es sei klar, dass man sich eine Regierung gemeinsam mit der SPD oder mit SPD und Linken gewünscht hätte. "Da gibt es zumindest eine gemeinsame Stoßrichtung", sagte er.
Und mit der FDP? "Ich sehe nicht, wie wir gerechte Politik mit Christian Lindner machen sollen", sagt Kurz. Da müsse man sich nichts vormachen. "Die FDP hat kein Interesse daran, Politik für die Gesamtgesellschaft zu machen. Sie hat bisherige Klimaschutzmaßnahmen blockiert und richtet ihre Politik an die Besserverdienenden."
Auch zu den beiden Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin äußert sich Kurz. "In Mecklenburg-Vorpommern haben wir super Zahlen erreicht und es sieht gut aus, dass wir wieder in den Landtag kommen."
Die Zahlen zur Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses bezeichnet Kurz als "bombastisch", "sensationell" und "grandios". Dass die Grünen in der Hauptstadt möglicherweise an der SPD vorbeigezogen sind, zeige, dass die Aufbruchsstimmung in Berlin besonders stark sei.
Die SPD hat bei dieser Wahl im Vergleich zu 2017 mächtig hinzugewonnen. Und das, laut der Juso-Chefin Jessica Rosenthal, nicht ohne Grund: "Mit unter anderem einer Ausbildungsplatzgarantie, einem BAföG als Vollzuschuss, einer Kindergrundsicherung, Zukunftsinvestitionen und echtem Klimaschutz sind wir angetreten. Die SPD hat nicht ohne Grund so gut zugelegt."
Mit dem Programm, das Jusos eigenen Angaben zufolge entscheidend mit geprägt haben, habe die Arbeiterpartei überzeugen können, so Rosenthal. Sie sagt gegenüber watson:
Gemeinsam mit den vielen Jusos, Olaf Scholz und der laut Rosenthal "progressiven Spitze", habe die SPD die Wählerinnen und Wähler überzeugen können. "Die Union ist ganz klar abgewählt. Jetzt können wir endlich unser Land zukunftsfest machen."
Die Jungen Liberalen sind glücklich. "Als Freie Demokraten gehen wir gestärkt aus der Wahl", sagt der Chef der Jugendorganisation der FDP, Julis, Jens Teutrine. "Mit dem sich abzeichnenden Ergebnis gelingt uns der historische Erfolg, bei zwei aufeinanderfolgenden Wahlen ein zweistelliges Ergebnis zu erzielen."
Teutrine lobt die Jugendorganisation für die Zuarbeit zum Erfolg der FDP: "Das ist auch der Lohn für einen engagierten Wahlkampf von 13.000 Jungen Liberalen und 90 JuLi-Bundestagskandidaten, die die gesamte Vielfalt der Partei nach außen getragen haben." Dieses Ergebnis zeige, dass die Themen der Liberalen den Nerv vieler Menschen treffe, "insbesondere innerhalb der jungen Generation".
Für Koalitionen sei die FDP insgesamt offen. Teurine sagt:
Teutrine ist sich sicher: Eine große Koalition, also ein Regierungsbündnis aus CDU und SPD, ist keine Option. "Mit der Abwahl der Großen Koalition muss auch Schluss sein mit Groko-Stillstand. In einer Dreierkoalition wollen auch die Juniorpartner ihre Stärke und ihre inhaltlichen Überzeugungen manifestiert sehen."
Sowohl FDP als auch die Grünen müssten deutlich machen: So wie es ist, darf es nicht bleiben. "Unsere Mission steht fest: Wir wollen insbesondere den Erwartungen der jungen Generation gerecht werden und die vielen Jungwähler zu liberalen Stammwählern machen. Denn Zukunft gibt es nur mit Freiheit!"
Der Chef der Jungen Union in Bayern, Christian Doleschal, ist sich sicher: "Die Bürger wollen keinen Linksrutsch." In Bayern hofft die Nachwuchsorganisation der CSU auf die traditionell hohe Quote bei Direktmandaten. "Es wird ein langer Wahlabend und wir müssen abwarten", sagt Doleschal gegenüber watson. "Insbesondere auf die Direktwahlkreise."
Sarah Dubiel ist einer der Bundessprecherinnen und -sprecher der Jungorganisationen der Linken. Sie sagt: ''Die erste Hochrechnung lässt vermuten, dass eine Regierung ohne CDU oder FDP unwahrscheinlich ist. Statt einem Politikwechsel bekommen wir also ein 'Weiterso'."
Damit sei klar, dass die nächste Bundesregierung weiterhin soziale Gerechtigkeit und Klimagerechtigkeit blockieren werde. Große Analysen will sie zur Frage nach dem "Warum" noch nicht machen. "Dafür ist es noch zu früh", sagt sie. "Fest steht aber, dass wir grundlegend alles auf den Prüfstand stellen müssen. Wir hatten einen kraftvollen Wahlkampf, aber zum Aufbau wirklicher Stärke ist vor allem langfristiger Strukturaufbau entscheidend."
Für die Jugendorganisation selbst seien die Ergebnisse aber auch ein Weckruf. "Die Ergebnisse der ersten Hochrechnung bedeuten auch, dass wir selbst in einen Strategieprozess gehen und darüber reden müssen, wer wir eigentlich sind und was wir wollen. Wir müssen zudem viel stärker auch Strukturen, gerade im ländlichen Raum und den westlichen Bundesländern, aufbauen.''