Marita Donauer ist im Urlaub in Rom, als mitten in der Nacht ein Anruf aus einem Krankenhaus in Kaiserslautern kommt. Ihr Bruder ist in kritischem Zustand, er hat eine Gehirnblutung erlitten. Donauer fliegt zurück nach Deutschland, in der Klinik macht ihr der Oberarzt keine Hoffnungen: Die Genesungschancen seien gering, die Schäden im Gehirn zu groß. Als sich keine Besserung einstellt, erklären die Ärzte den Bruder für hirntot.
Donauer muss nun nicht nur mit dem Tod ihres Bruders umgehen. Sie muss auch eine Entscheidung treffen: Was geschieht mit seinen Organen? Zu Lebzeiten hat er sich nicht dazu geäußert, einen Organspendeausweis hat er nicht. Donauer entschließt sich, einer Spende zuzustimmen. Zwei Monate später bekommt sie einen Brief von der Deutschen Stiftung Organspende (DSO): Die Organe ihres Bruders haben sieben Menschen geholfen (BZgA).
Jens Spahn findet, das geht so nicht
Weil Marita Donauers Situation kein Einzelfall ist, macht Gesundheitsminister Jens Spahn jetzt Druck – zumindest in Interviews. Der "Bild" sagte Spahn, jeder Deutsche soll künftig automatisch ein Spender sein, so lange er oder die Angehörigen nicht ausdrücklich widersprechen würden.
Widerspruchslösung nennt sich das und Deutschland hätte sowas bitter nötig. In Frankreich, Italien oder den Niederlanden ist das ganz selbstverständlich. Jeder Mensch ist grundsätzlich Organspender, es sei denn, er widerspricht ausdrücklich. Deutschland hinkt hinterher.
Und das, obwohl der Bedarf an Spenderorganen hierzulande nicht annähernd gedeckt ist. 2017 ist die Zahl der Spenden auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren gefallen: 797 Verstorbenen wurden Organe entnommen, das waren 60 weniger als im Vorjahr.
Wie läuft eine Organspende ab?
Bild: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Menschen warten, Menschen sterben
Mehrere Tausend Menschen warten derzeit in ganz Deutschland auf lebensrettende Nieren, Herzen, Lungen. 3 sterben täglich, weil es zu lange dauert, schätzt die DSO.
Das hat mehrere Gründe:
Erhebliche Schwachstellen liegen offenbar in den Kliniken. So gab es in den vergangenen Jahren von dort weniger Meldungen von möglichen Organspendern. Jens Spahn hat bereits angekündigt, Krankenhäuser besser vergüten zu wollen. Denn in den Kliniken fehlen Zeit und Geld, um Spender zu identifizieren.
Ebenso kann aber auch eine unklare Formulierung in einer Patientenverfügung die Organspende verhindern.
Und oft hat der Verstorbene gar nichts festgelegt. Dann müssen die Angehörigen entscheiden. In der Trauer kann der Schritt zur Spende besonders schwer fallen.
Ein Argument gegen die Pflicht zur Organspende lautet häufig, dass dies ein Eingriff des Staates in die Freiheit des Einzelnen wäre. Vermutlich auch deswegen bringt Jens Spahn nicht gleich einen Gesetzesentwurf mit, sondern will die sogenannte Widerspruchslösung erstmal im Bundestag diskutieren.
Dabei sieht es gar nicht so aus, als würde die Politik mit einer Widerspruchsregelung den Groll der Bevölkerung auf sich ziehen. Die DSO sieht keine abnehmende Spendebereitschaft der Bevölkerung. 84 Prozent stünden der Organspende sogar positiv gegenüber. Von der Entrüstung über den Organspendeskandal von 2012 scheint kaum etwas geblieben zu sein.
Jens Spahn sollte sich schnell von der Debatten- auf die Gesetzesebene begeben und die Widerspruchslösung zügig umsetzen. Denn – und das vergisst man manchmal zwischen all den Zahlen und Paragrafen – jede versäumte Organspende verlängert Leid und kostet Leben.
Wer trotzdem nach seinem Tod samt aller Organe beerdigt werden möchte, kann dann ja widersprechen.
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