Sie haben gekämpft, zum Dank gab es Applaus: Die Beschäftigten in der Alten- und Krankenpflege gelten als Helden der Corona-Krise. Doch während erstere für ihre Bemühungen und Entbehrungen mit bis zu 1500 Euro "Coronabonus" rechnen dürfen – Mitte Mai brachte der Bundestag die steuerfreie Zahlung auf den Weg – schauen die Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger bisher in die Röhre.
Familienministerin Franziska Giffey (SPD) erklärte dazu am Dienstag: "Alle, die in den sozialen Berufen arbeiten, haben Anerkennung verdient." Sie verwies dabei auf deutlich niedrigere Durchschnittslöhne in der Altenpflege im Vergleich zur Pflege in Krankenhäusern. Der Pflegebonus solle daher "auch zu mehr Gerechtigkeit führen und dieses Lohngefälle ein Stück weit abfangen".
Zwar regte sich zuletzt parteiübergreifend Kritik daran, dass nur Mitarbeiter der Altenpflege den Bonus bekommen – das Bundesgesundheitsministerium sieht aber die Betreiber der Krankenhäuser in der Pflicht. Am Freitag verwies das Ministerium von Jens Spahn (CDU) darauf, dass Pflegekosten in Kliniken, die die Tarifpartner in Eigenregie regeln, von den gesetzlichen Krankenkassen gegenfinanziert würden. Daraus ergebe sich bereits die Möglichkeit, solche Boni zu vereinbaren, sagte ein Sprecher.
Dabei hatte Spahn sich noch im April für solche Bonuszahlungen ausgesprochen und von einem Zeichen der Dankbarkeit gesprochen für all jene, die in Kliniken, Praxen und andernorts in der Gesundheitspflege mit anpackten. Bisher aber bleibt es beim Bonus für die Altenpfleger, Kritik hin oder her.
Der Chefartz des Hamburger Marienkrankenhauses, Michael Wünning, kann das nicht nachvollziehen. Im "Stern nachgefragt"-Podcast richtet Wünning einen emotionalen Appell an Jens Spahn und die Bundesregierung:
Aus seiner Sicht verspiele die Politik gerade "das letzte bisschen Vertrauen, das Mitarbeiter in Krankenhäusern und der Pflege haben". Er verweist darauf, dass die Politik doch die Pflege in den Krankenhäusern mehr wertschätzen wolle – nun aber, mit der Begründung, dass in Altenheimen der Durchschnittlohn niedriger ist, "wird nichts hergegeben". Das, so Wünning, "kann nicht sein."
Wünning führt im Folgenden ein starkes Argument ins Feld. In einer Zeit, in der das Coronavirus noch unerforschter war, als es im Moment der Fall ist, da hätten alle Mitarbeiter in Krankenhäusern "an der ersten Linie gestanden", ihre Arbeit gemacht und sich gefreut, dass sie in dieser Situation nicht nur emotional, sondern auch finanziell gewertschätzt würden.
Der Chefarzt führt aus, dass nicht nur keine finanzielle Wertschätzung für Krankenpfleger und -pflegerinnen komme, sondern sogar noch andere Beschäftigungsarten vorgezogen würden. "Das ist absolut nicht verständlich und auch nicht zu akzeptieren."
Wünning sieht die Bundesregierung in der Pflicht und nicht die Betreiber der Krankenhäuser, die jetzt in Millionenhöhe den Bonus aus eigenen Mitteln zahlen sollen. Er stellt klar: "Das ist in dem Punkt nicht einzusehen, weil es eine staatliche Aufgabe ist bei einer nationalen Krisensituation."
Nun möchte der Chefarzt mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn persönlich über "die Rolle der Pflege, der Ärzte in der Covid-Situation sprechen" und ihm einen anderen Winkel aufzeigen. Er habe seinen Mitarbeiter versprochen, sich für sie einzusetzen und alles zu tun, "damit sie diese Gratifikation bekommen", so Wünning. Nicht von den Krankenhäusern oder den Ländern, sondern vom Bund.
(pcl)