Die Ausbreitung des Coronavirus in verschiedenen Ländern gibt Rätsel auf. Fast jedes Land auf der Welt ist von Covid-19 betroffen, aber das jeweilige Ausmaß ist völlig unterschiedlich. Warum sind beispielsweise in Frankreich über 25.000 Tote zu beklagen, im Nachbarland Deutschland dagegen nur etwas mehr als 7000? Warum sind im Iran über 6000 Menschen gestorben, im benachbarten Irak aber nur etwa 100? Und warum sind Metropolen wie New York, Paris oder London so stark betroffen, während Bangkok, Bagdad oder Lagos bisher größtenteils verschont geblieben sind?
Die Antworten auf diese Fragen sind auch deshalb so interessant, weil sich aus ihnen wirksame Mittel im Kampf gegen das Coronavirus ableiten ließen. Bisher gibt es allerdings noch keine allumfassende Erklärung, sondern lediglich Theorien und Spekulationen. Weltweit laufen Untersuchungen, in denen der Einfluss von Demografie, Vorerkrankungen, Klima oder genetischen Bedingungen untersucht wird.
Die "New York Times" hat mit vielen Experten weltweit gesprochen, laut Angaben der Zeitung mehr als 25. Dabei haben sich vier Kernfaktoren herauskristallisiert, die eine Rolle dabei spielen, wie hart ein Land vom Coronavirus getroffen wird.
Junge Menschen sind deutlich seltener von schweren Krankheitsverläufen betroffen als ältere. Oft bleiben sie symptomfrei. Hilft es Ländern also, wenn ihre Bevölkerung im Schnitt jünger ist?
Was dafür spricht:
Was dagegen spricht:
Was das für Deutschland bedeuten könnte:
In Deutschland sind die Menschen im Durchschnitt ähnlich alt wie in Italien, hier liegt der Altersdurchschnitt bei etwa 44 Jahren. 19 Prozent der Gesamtbevölkerung sind 67 Jahre und älter, gehören somit zur Risikogruppe. Ein unkontrollierter Ausbruch des Virus könnte in Deutschland fatale Folgen haben.
Soziale Distanzierung ist in manchen Ländern bereits seit langem ein Teil der Kultur: In vielen südostasiatischen Ländern begrüßen Menschen sich ohne Berührung, mit vor der Brust gefalteten Händen. In vielen nicht-westlichen Ländern gibt es viel weniger Alten- und Pflegeheime, in denen sich das Virus besonders schnell ausbreiten kann. Zudem gehört das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in vielen dieser Länder bereits zur Normalität. Können diese Gewohnheiten helfen, das Virus einzudämmen?
Was dafür spricht:
Was dagegen spricht:
Was das für Deutschland bedeuten könnte:
Auch in Deutschland gehören gewisse Vorsichtsmaßnahmen, wie die Abstandsregel oder die Maskenpflicht, bereits zum Corona-Alltag. Social distancing wurde von vielen bereits verinnerlicht. Das kann helfen, das Virus einzudämmen. Trotzdem ist Deutschland aufgrund der gut ausgebauten Mobilität anfälliger als andere Länder.
Es scheint zutreffend, dass Coronaviren in wärmeren, feuchten Klimazonen weniger ansteckend sind. Auch die Ausbreitung der Influenza lässt nach, sobald es wärmer wird. Spielen diese Faktoren bei der Ausbreitung von Corona also eine Rolle?
Was dafür spricht:
Was dagegen spricht
Was das für Deutschland bedeuten könnte:
Einige Forscher vermuten, dass die Ausbreitung des Coronavirus hierzulande im Sommer aufgrund des Temperaturanstiegs nachlassen wird. Dafür könnte es im Herbst und Winter eine zweite Welle geben, die im schlimmsten Fall noch höher ausfällt. Doch ob Temperaturunterschiede überhaupt eine Rolle spielen, ist nicht gewiss. Es ist zu vermuten, dass dieser Faktor eher vernachlässigbar ist.
Für viele Experten sind schnelle und konsequente Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ausschlaggebend. Einige Länder, die früh in den Lockdown gegangen waren, haben nachweislich weniger Infizierte und Todesfälle. Vietnam und Griechenland konnten so beispielsweise einen großen Ausbruch verhindern. Ist der Lockdown also der entscheidende Faktor?
Was dafür spricht:
Was dagegen spricht:
Was das für Deutschland bedeutet:
Deutschland hat im Vergleich zu anderen Ländern relativ früh mit Kontaktbeschränkungen reagiert und konnte somit eine hohe Welle von Infizierten verhindert. In anderen Ländern hatte sich zu diesem Zeitpunkt das Virus schon unbemerkt ausgebreitet. Für Gesundheitsexperte und SPD-Politiker Karl Lauterbach war das der entscheidende Faktor.
Gleichzeitig sprach er sich gegen frühzeitige Lockerungen aus. Unkontrollierte Menschenansammlungen könnten schnell dafür sorgen, dass die Fälle wieder steigen.
Zuletzt lässt sich sagen, das Glück wohl auch eine erhebliche Rolle spielt. Wenn eine Person die Möglichkeit hatte, hunderte Menschen anzustecken, die dann wiederum tausende anstecken, steigen die Infektionszahlen exponentiell an. Die Forscher sprechen dann von Super-Spreadern.
Außerdem ist zu beachten, dass einige Länder möglicherweise noch gar nicht vom Virus erreicht wurden. Viele Fälle und Corona-Tote könnten unbemerkt geblieben sein. Die Dunkelziffer kann in den Ländern stark variieren.
Bis es gesichertes Wissen über die Gründe für die Ausbreitung des Virus gibt, wird also noch Zeit vergehen. Bis dahin bleibt es wichtig, alle möglichen Faktoren zu berücksichtigen.
(om/lau)