Ein schwerer Schlag für die Hamas: Ismail Hanija, der politische Führer der Terrormiliz, wurde laut Angaben der iranischen Revolutionsgarden und der Hamas am Mittwoch in der iranischen Hauptstadt Teheran getötet. Die Tötung des Hamas-Führers schürt die Befürchtungen vor einem möglichen Flächenbrand im Nahen Osten.
Klar ist: Hanijas Tod stellt einen herben Verlust für die Hamas dar. Der 62-Jährige galt als die öffentliche Führungsfigur der Organisation, die vor allem für ihre politischen Operationen im Ausland verantwortlich war. Er ist bereits der zweite Anführer einer iranisch unterstützten Miliz, der in den vergangenen Tagen ermordet wurde. Ein Umstand, der die Spannungen in der Region weiter anheizen dürfte.
Doch was bedeuten die aktuellen Geschehnisse für den Krieg in Nahost? Und was für die Waffenstillstandsverhandlungen im Krieg zwischen Israel und der Hamas?
In einer Stellungnahme beschuldigte die Hamas Israel, Hanija und seinen Leibwächter bei einem Angriff auf seine Residenz in Teheran getötet zu haben. Dies soll nach Hanijas Teilnahme an der Amtseinführung des neuen iranischen Präsidenten Masoud Pezeshkian geschehen sein. Die israelische Armee reagierte nicht direkt auf diese Vorwürfe, sondern erklärte lediglich, dass man "eine Lagebeurteilung" vornehme.
Stattdessen äußerte sich Israel am Dienstag zu einem Luftangriff in der libanesischen Hauptstadt Beirut und bestätigte diesen. Dabei soll wiederum der ranghöchste militärische Befehlshaber der Hisbollah, Fu’ad Shukr, getötet worden sein. Shukr wurde für einen tödlichen Angriff auf die von Israel besetzten Golanhöhen verantwortlich gemacht, bei dem zwölf Kinder getötet wurden.
Ismail Hanija wurde 1962 in einem Flüchtlingslager in der Nähe von Gaza-Stadt geboren und trat in den späten 1980er-Jahren der Hamas bei, während der Ersten Intifada, einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Palästinensern und der israelischen Armee. 2017 wurde er zum Chef der Organisation ernannt und kurz darauf von den USA als "globaler Terrorist" eingestuft.
Hanija war eine zentrale Figur in den laufenden Geisel- und Waffenstillstandsverhandlungen in Gaza, bei denen er als Vermittler zwischen Ägypten und Katar fungierte. Sein Tod könnte die bereits heiklen Verhandlungen weiter erschweren.
Der Politik- und Außenpolitikanalyst Barak Ravid etwa sagt beim US-Sender CNN, dass die israelische Regierung Hanija als einen der Verantwortlichen für die Anschläge der Hamas vom 7. Oktober betrachte.
Zwar spiele er militärisch kaum eine Rolle, dennoch werde sein Tod "erheblichen Einfluss" auf die laufenden Geiselnahme- und Waffenstillstandsverhandlungen haben.
Doch schon zuvor sei es schwierig gewesen. Laut CNN erklärte Gershon Baskin, ein ehemaliger israelischer Geiselunterhändler, der einst als Verbindungsmann zur Hamas fungierte, dass die Verhandlungen schon vor Hanijas Ermordung in eine Sackgasse geraten seien. Die neuen Entwicklungen würden lediglich das Leben der noch immer gefangen gehaltenen Geiseln gefährden.
Es sei unklar, wie lange sich die Vermittler aus Katar und Ägypten sich noch ausspielen lassen. Baskin fügt demnach hinzu, dass möglicherweise an der Zeit sei, dass die Vermittler einen Deal auf den Tisch legen und die Parteien auffordern, "ihn anzunehmen oder abzulehnen". Wenn sie ablehnen, sei es vielleicht an der Zeit, "die Parteien sich selbst zu überlassen."
Die Angriffe haben die Angst vor einem umfassenden regionalen Krieg auf ein neues Niveau gehoben. Insbesondere deshalb, weil der Iran jetzt unter Druck steht, auf einen Angriff zu reagieren, sagen Expert:innen. Schließlich hat dieser auf eigenem Boden stattgefunden.
Dieser Meinung ist etwa Firas Maksad, Senior Fellow und Senior Director für Strategic Outreach am Middle East Institute. Der Experte sagt gegenüber CNN, dass der aufeinanderfolgende Tod von Anführern der vom Iran unterstützten Gruppen beispiellos sei. Dies könnte die Dynamik zwischen Israel und der vom Iran unterstützten Stellvertretern "völlig verändern". Möglicherweise sei dies ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einem Konflikt in der gesamten Region. Er fügt hinzu:
Diese Meinung teilt Assaf Orion, Brigadegeneral und Forscher am Institut für Nationale Sicherheitsstudien. Ihm zufolge erhöhen diese Vorfälle die Wahrscheinlichkeit, dass die sogenannte "Achse des Widerstands" unter Führung des Iran eine Reaktion zeigen könnte.
Bestätigen sich die Beschuldigungen gegen Israel, wäre Hanija der zweite hochrangige Hamas-Führer, der seit Beginn des israelischen Krieges in Gaza getötet wurde. Im Januar starb Saleh Al Arouri, stellvertretender Chef des politischen Büros der Hamas, bei einem israelischen Luftangriff in Beirut.
Trotz solcher Rückschläge hat die Hamas in der Vergangenheit den Verlust wichtiger Führungsfiguren überstanden, wie die Ermordung ihrer Mitbegründer Scheich Ahmed Yassin und Abdel Aziz Rantisi im Jahr 2004 zeigte.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verurteilte die Tötung Hanijas und bezeichnete sie als "feigen Akt und gefährliche Entwicklung", wie die palästinensische Nachrichtenagentur WAFA berichtete. Ein weiteres Mitglied des politischen Büros der Hamas, Musa Abu Marzouk, warnte, dass Hanijas Tod "nicht ungestraft bleiben" werde. Der Hamas-Beamte Sami Abu Zuhri sprach von einer "gravierenden Eskalation".