Auf dem Tempelberg (Al-Haram al-Scharif/Das edle Heiligtum) in Jerusalem ist es am Montagmorgen zu neuen Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften gekommen. Im Internet übertragene Bilder zeigten, wie Polizisten vor der Al-Aksa-Moschee Blendgranaten, Tränengas und Gummigeschosse gegen Protestierende einsetzten. Nach Angaben des Palästinensischen Roten Halbmondes wurden Hunderte Menschen verletzt, 50 von ihnen wurden in Krankenhäuser gebracht.
Israel begeht am Montag den Jerusalem-Tag. Das Land feiert damit die Eroberung des arabischen Ostteils von Jerusalem einschließlich der Altstadt während des Sechstagekriegs 1967. Aus Sorge vor Gewalt hat die israelische Polizei Juden am Montag verboten, bei Flaggenmärschen durch die Altstadt auch den Tempelberg zu besuchen. Die Palästinenser sehen Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines künftigen eigenen Staates. Völkerrechtlich gesehen ist es seit dem Krieg von Israel besetzt.
Der Tempelberg mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee ist für Juden wie Muslime von herausragender Bedeutung. Es ist die drittheiligste Stätte im Islam. Zugleich standen dort früher zwei jüdische Tempel, von denen der letzte im Jahr 70 von den Römern zerstört wurde. Die Klagemauer ist ein Überrest jenes zerstörten Tempels und die heiligste Stätte der Juden.
Auslöser der Proteste ist die drohende Zwangsräumung von rund 30 Palästinensern aus ihren von jüdischen Israelis beanspruchten Wohnungen im Viertel Scheich Dscharrah, die ein israelisches Gericht Anfang des Jahres genehmigt hatte. Die Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern waren schon seit Wochen immer weiter angeheizt worden, unter anderem durch eine Demonstration rechtsextremer Israelis, die unter "Tod den Arabern"-Rufen durch die Altstadt gezogen waren. Im vergangenen Monat sperrten israelische Sicherheitskräfte zudem den Platz vor dem Damaskus-Tor der Altstadt ab, ein beliebter Treffpunkt für Palästinenser während des muslimischen Fastenmonats Ramadan.
Die Lage im Westjordanland und im arabisch geprägten Ostteil Jerusalems ist seit Beginn des Fastenmonats Ramadan angespannt. Am Freitag waren rund 300 Palästinenser und rund 20 Polizisten verletzt worden. Videos zeigten, wie israelische Sicherheitskräfte gegen betende Menschen vorgingen. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen wiederholten sich auch in der Nacht zum Sonntag. Mehrere Menschen wurden festgenommen.
Ein israelischer Polizeisprecher hatte am Sonntag gesagt, es sei sowohl am Damaskustor – einem der Eingänge zur Altstadt – als auch im Bereich des Tempelbergs zu Konfrontationen gekommen. An der Al-Aksa-Moschee versammelten sich am Samstagabend mehr als 90.000 Muslime zum Feiertag Lailat al-Kadr (Nacht der Bestimmung). An dem Tag wurde nach der Überlieferung der Koran an den Propheten Mohammed übergeben.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete Israel angesichts der Ereignisse als "Terrorstaat". Der UN-Sicherheitsrat will sich am Montag auf Antrag Tunesiens mit der Gewalt in Jerusalem befassen. Alle sechs arabischen Länder, die diplomatische Beziehungen zu Israel unterhalten – Ägypten, Jordanien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Marokko und Sudan – verurteilten das israelische Vorgehen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verteidigte die Sicherheitsbehörden: "Wir werden Recht und Ordnung aufrechterhalten", sagte er am Sonntag. Das Nahost-Quartett aus den USA, Russland, den Vereinten Nationen und der EU äußerte sich besorgt. Israel solle während des Ramadans "alle Schritte vermeiden, die die Lage weiter eskalieren könnten".
Aus dem Gazastreifen wurde eine Rakete über die Grenze nach Israel geschossen. Darauf attackierte die israelische Luftwaffe nach eigenen Angaben einen Militärposten der islamistischen Hamas, die in dem abgeschotteten Küstengebiet herrscht.
(nb/dpa)