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Das Gezerre um den Brexit, es hört nicht auf. Drei Monate sind es nur noch bis zum geplanten EU-Austritt der Briten. Eigentlich. Doch die Chancen, dass Wackel-Premier Theresa May das mit Brüssel
ausgehandelte Abkommen durchs Parlament bringt – sie sind gering.
Das Brexit-Drama kostet nicht nur Nerven. Sondern auch Geld. Schon jetzt.
Denn für die Wirtschaft auf beiden Seiten des Ärmelkanals ist das ein Alptraum. Seit zweieinhalb Jahren herrscht Ungewissheit darüber, wo
es hingeht. Trotz höflich-positiver Reaktionen auf Mays
Austrittsvertrag lässt auch der bislang vereinbarte Deal Unternehmen
nicht wirklich aufatmen - die Unsicherheit würde nur verlängert.
Eine versehentlich an die Presse gelangte E-Mail des größten
britischen Unternehmerverbands CBI offenbarte kürzlich das Unbehagen. "Das ist kein guter Deal", schrieb Brexit-Expertin Nicole Sykes an
einen Kollegen. Der Schwebezustand macht größere Investitionen
unmöglich. Die noch immer nicht gebannte Gefahr eines Brexits ohne
Abkommen zwingt viele in der Produktion und im Handel dazu, Vorräte
anzulegen und Notfallpläne zu erstellen.
Das kostet Geld und bindet Kapazitäten.
Upsi.
Bild: X01164
Auch deutsche Firmen sind betroffen.
- Bosch hat beispielsweise eine Investition von 39 Millionen Euro (35 Millionen Pfund) in den Bau einer neuen britischen Regionalzentrale zurückgestellt, wie ein Sprecher auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilt.
- Für den Fall eines ungeregelten Brexits rechnet der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) allein für deutsche Unternehmen mit bis zu 10 Millionen zusätzlichen Zollanmeldungen pro Jahr und mehr als 200 Millionen Euro an zusätzlichen Kosten nur durch diese Zollbürokratie.
- Die eigentlichen Zölle könnten demnach noch dazu kommen. "Allein für die deutschen Autoexporte drohen dann Mehrbelastungen von rund zwei Milliarden Euro im Jahr."
Ulrich Hoppe, Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer in London, sagt:
"Gewisse Dinge, die ich unter Umständen woanders machen kann, in einem heute schon absehbar stabilen regulativen Umfeld, die mache ich jetzt woanders."
Im Oktober gaben 80 Prozent der britischen Unternehmen in einer großen CBI-Umfrage an, der Brexit habe einen negativen Effekt auf ihre Investitionsentscheidungen gehabt.
Die Behörden im Vereinigten Königreich seien kaum darauf vorbereitet,
ein Chaos in Dover zu verhindern, wenn Zollanmeldungen und
-kontrollen nötig wären. "Just-in-Time-Produktions- und Lieferketten
stehen auf dem Spiel", warnt DIHK-Präsident Eric Schweitzer. Die
unklare Lage beim Brexit führe zu einer massiven Verunsicherung der
Unternehmen - in einem derzeit ohnehin zunehmend instabilen
Konjunkturumfeld.
Schweitzer sagt:
"Das hat also konkrete Auswirkungen. Weil es keine Klarheit gibt, können sich die Firmen nicht wirklich auf den Brexit vorbereiten. Da hängen ganze Wertschöpfungsketten dran."
Es geht zum Beispiel: ums Essen.
Empfindliche Waren wie Lebensmittel und Medikamente könnten unterwegs
unbrauchbar werden, fürchten Experten. Deswegen platzen die
Lagerhallen, besonders für gekühlte und gefrorene Lebensmittel, in
Großbritannien inzwischen aus allen Nähten. Alles sei ausgebucht,
warnte der Chef des Branchenverbands Food and Drink Federation (FDF),
Ian Wright, vor einem Parlamentsausschuss Ende November.
Schon jetzt schwer von dem Brexit-Gezerre betroffen sind auch die Autobauer.
Einer Umfrage des britischen Branchenverbands SMMT zufolge
haben bereits die Hälfte der Mitglieder durch die Unsicherheit
Schaden genommen. Ein Drittel hat heimische Investitionen verschoben
oder abgeblasen. Zehn Prozent gaben jeweils an, Kapazitäten ins
Ausland verlagert oder die Zahl an Mitarbeitern reduziert zu haben.
BMW kündigte an, eine geplante Produktionspause in seinem Mini-Werk
in Oxford auf die Zeit unmittelbar nach dem EU-Austritt am 29. März
zu verlegen. Jaguar Land Rover griff zu Maßnahmen wie Kurzarbeit und
Jobstreichungen, um einen Rückgang der Nachfrage abzufedern.
Die Regierung gibt inzwischen zu, dass der Brexit – egal, wie er am Ende konkret aussieht – der Wirtschaft schaden wird.
Kaum noch ist
die Rede von der angeblichen "Brexit-Dividende" - den 350 Millionen
Pfund pro Woche, die Brexit-Vorkämpfer Boris Johnson auf die Seite
eines roten Busses hatte drucken lassen und die dann dem nationalen
Gesundheitsdienst NHS zugute kommen sollten.
Stattdessen kostet der Brexit den britischen Fiskus schon heute bares
Geld. Laut jüngsten Schätzungen hat die Unsicherheit während der
zähen Verhandlungen die Wirtschaftskraft des Landes seit dem
Referendum 2016 um zwei Prozent kleiner ausfallen lassen, als es
sonst der Fall gewesen wäre. Eine Denkfabrik bezifferte den Schaden
für den Schatzkanzler im Sommer auf 500 Millionen Pfund pro Woche.
Das angesehene National Institute of Economic and Social Research
(NIESR) geht davon aus, dass Großbritanniens wirtschaftliche Leistung
im Jahr 2030 um vier Prozent kleiner ausfallen wird als ohne
Austritt. Doch das sei noch eine sehr vorsichtige Schätzung, hieß es.
Wenn man nur die Wirtschaft betrachte, zeige die Analyse deutlich,
dass in der EU zu bleiben ein besseres Ergebnis für Großbritannien
bringen würde, sagte vor einigen Wochen der britische Schatzkanzler
Philip Hammond. Zur Umkehr führt diese Einsicht bislang nicht.
(hau/dpa)
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