Von einem Wandgemälde in Minneapolis blickt er nun herab, umgeben von den Namen anderer Opfer brutaler Polizeigewalt: Der Afroamerikaner George Floyd, der vor einer Woche in der Stadt im US-Bundesstaat Minnesota bei einem Einsatz weißer Polizisten starb. Direkt am Tatort laufen tagsüber täglich hunderte Menschen unter seinem Blick vorbei, bleiben stehen und erweisen ihm mit Blumen oder einer handschriftlichen Notiz die letzte Ehre – nachts aber schlägt die aufgeladene Stimmung in Gewalt und Plünderungen um.
Flammen erhellen dann die Skyline und beißender Rauch füllt die Straßen von Minneapolis. "Wir sind hier, weil die Polizei weiterhin überall in den Vereinigten Staaten schwarze Leute tötet", sagt ein junger Afroamerikaner, der seinen Namen nicht nennen will. Trotz der verhängten Ausgangssperre sei er gekommen, um friedlich zu protestieren, sagt der junge Mann, dessen Gesicht mit einer Maske bedeckt ist.
Während die Flammen aus einer in Brand gesetzten Bank näher züngeln, erklärt der Demonstrant die Wut, die inzwischen das ganze Land erfasst hat: "Wir sind im Jahr 2020, und wir haben es mit demselben Problem wie in den 60ern zu tun - es sieht so aus, als wenn Minneapolis endlich an einer Bruchstelle angekommen ist." Auch der 29-jährige Jerry, ein Weißer, ist gekommen: "George Floyd ist nicht der erste", sagt er. "Was soll man machen, sich einfach zurücklehnen und das akzeptieren?"
Laut der "Washington Post" wurden allein im vergangenen Jahr mehr als tausend Menschen in den USA von Polizisten erschossen. Dabei sind Afroamerikaner in der Statistik überproportional vertreten, Verurteilungen indes selten.
Im Fall Floyd muss sich der weiße Beamte, der sein Knie so lange auf den Hals des 46-jährigen Schwarzen drückte, bis dieser nicht mehr atmete, nun wegen Totschlags und fahrlässiger Tötung verantworten - zunächst war er allerdings tagelang auf freiem Fuß geblieben. Und dass er sich nun nur wegen Totschlags verantworten soll, empört viele. Floyds Familie und die Demonstranten fordern eine Anklage wegen Mordes sowie Anklagen gegen die anderen drei beteiligten Beamten.
Bei den nächtlichen Protesten hallen die Geräusche von über der Stadt kreisenden Hubschraubern und von Explosionen durch die Straßen. "Es ist unheimlich, aber zugleich notwendig", sagt ein junger Student. "Manchmal müssen die Dinge sich erst verschlimmern, bevor sie besser werden."
Andere sind sich da nicht so sicher: Auch wenn sie mit ihnen sympathisiere, verschlimmerten die Demonstranten die Lage, sagt Phae, eine Schwarze. Die Protestierenden gäben der Polizei einen "Grund, auf uns zu schießen".
Während sich die örtlichen Behörden in den ersten Tagen der Proteste noch versöhnlich zeigten und der Polizei Zurückhaltung auferlegten, hat sich die Situation inzwischen deutlich verschärft: Schlagstöcke, Tränengas und Gummigeschosse kommen zum Einsatz, Minnesota und zahlreiche weitere Bundesstaaten mobilisierten die Nationalgarde.
"Es ist unehrenhaft, die eigene Stadt abzufackeln", sagt der Bürgermeister von Minneapolis, Jacob Frey. Und Minnesotas Gouverneur Tim Walz verweist darauf, dass einige der verwüsteten Geschäfte Schwarzen gehören.
"Die Menschen haben es satt, wir sehen eine große Frustration", sagt Pastor Andre Dupree Dukes, der am Sonntag erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie wieder eine Messe in Minneapolis abhält – wobei die Gläubigen in ihren Autos bleiben müssen. Der jüngeren Generation gratuliert er dabei zu ihrer Entschlossenheit, für eine gerechtere Welt einzutreten. Er warnt aber zugleich vor Gewalt. Kirchenmanager Jack Burnett fügt hinzu, die jungen Menschen hätten nach den Corona-Beschränkungen auch einen Grund gesucht, "nach draußen zu kommen". Im Laufe der Tage sei die Lage immer mehr eskaliert. "Nun ist es schwer, den Geist wieder in die Flasche zu kriegen".
(lau/afp)