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Ukraine-Krieg: ZDF-Moderator berichtet aus Mariupol – und erntet harsche Kritik

Für das ZDF berichtet der Leiter des Studios in Moskau, Armin Coerper, live aus der von Russland besetzten Stadt.
Für das ZDF berichtet der Leiter des Studios in Moskau, Armin Coerper, live aus der von Russland besetzten Stadt.Bild: screenshot youtube
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ZDF-Moderator berichtet aus Mariupol – und erntet harsche Kritik

30.01.2024, 12:21
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"ZDF, geht´s noch?", fragen sich so einige User:innen auf der Plattform X, ehemals Twitter. Es geht um einen Beitrag des Senders, in dem ZDF-Korrespondent Armin Coerper aus der ukrainischen Stadt Mariupol berichtet.

Zum Hintergrund: Mariupol ist das Sinnbild der Brutalität des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands. Bereits zu Beginn der Invasion griffen russische Streitkräfte die Stadt an. Menschen suchten etwa Zuflucht im Dramatheater von Mariupol.

Ukraine-Konflikt, Eindrücke aus Mariupol DONETSK REGION, UKRAINE - MAY 5, 2022: A view of an impromptu rubbish dump outside an apartment building damaged by shelling in the embattled city of Mariupol. ...
Russland nahm die Hafenstadt Mariupol gleich zu Beginn des Krieges ins Visier.Bild: imago images / Peter Kovalev

Zehntausende Menschen starben in Mariupol

Im März 2022 bombardierten die russischen Truppen das Akademische Dramatheater der Stadt im Zuge ihres brutalen Überfalls auf die Ukraine. Laut der Menschenrechtsorganisation "Amnesty International" handelt es sich bei diesem Angriff Russlands um ein Kriegsverbrechen.

Wenige Wochen später verkündete der Kreml die Einnahme der Hafenstadt, die er bis heute besetzt hält. Laut Angaben Russlands wurden 90 Prozent Mariupols zerstört und mindestens 20.000 Menschen getötet. Diese Zahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Laut Satellitenbilder soll es 10.000 Gräber in Mariupol geben

Die Associated Press vermutet auf Grundlage von Satellitenbildern, dass russische Streitkräfte nach der Besetzung mindestens 10.000 Gräber aushoben, in vielen davon sollen Zivilist:innen begraben liegen. Die Presseagentur geht von etwa 25.000 Todesopfern aus, andere Medien sprechen von bis zu 87.000.

A satellite image shows an alleged mass grave in the village of Manhush, outside the besieged Ukrainian city of Mariupol, on April 3, 2022. Ukrainian officials on Tuesday April 18, 2022 identified the ...
Ein Satellitenbild zeigt ein mutmaßliches Massengrab außerhalb der belagerten ukrainischen Stadt Mariupol.Bild: X07425 / EyePress News

"Wer nicht unter den Russen leben will, ist wahrscheinlich nicht mehr hier", sagt ZDF-Korrespondent Coerper. Der Titel der Sendung lautet: "Seltener Blick in russische Besatzung." Laut des Moderators sei Mariupol kein Ort für klare und einfache Antworten. Auch er könne hier nur seine persönlichen Eindrücke sammeln, die er in wenigen Tagen vor Ort erhält. Es sei wichtig, sich ein Bild von der Stadt zu machen.

ZDF-Korrespondent teilt seine Eindrücke aus Mariupol

Dabei betont Coerper, dass das nicht bedeute, dass man die Besatzung Russlands anerkenne. Das Team könne sich laut ihm dort frei bewegen und mit Menschen sprechen. Diese sind ihm zufolge aber wohl eher pro-russisch. Denn pro-westliche Stimmen halten sich zurück. Aus Angst. Viele seien wohl ohnehin geflüchtet.

Laut ihm pumpe Russland sehr viel Geld in die besetzten Gebiete, um sie wieder aufzubauen. Zudem sprach er mit Schaupspieler:innen am komplett zerstörten Theater. "Die erzählen uns, dass sie in den letzten Jahren gar nicht russisch spielen durften, jetzt spielen sie wieder russisch", sagt er. Das seien etwa Gründe für die Menschen, in der Stadt zu bleiben. Denn laut Coerper ist und war die Mehrheit der Menschen hier russischer Muttersprache.

"Das ZDF erzählt im Ernst, dass vor russischer Besatzung es verboten war, russisch im Theater zu spielen, und deswegen seien viele Menschen froh, dass Russland die Stadt besetzt hat", schreibt Osteuropa-Experte Sergej Sumlenny auf X. Er ist Gründer des "European Resilience Initiative Center in Berlin".

Für ihn sehe der Beitrag wie eine "böse Parodie" aus. Wozu dieser Wahnsinn, fragt er sich. "Es gibt keine einfache Antwort, nichts ist Schwarz und Weiß. Wir bewegen uns frei, und jetzt erzähle ich noch von Budget-Ausgaben Russlands, pfui Teufel."

Laut Kritiker normalisiert der ZDF-Beitrag die Besatzung Mariupols

Laut eines X-Users hinterlässt Korrespondent Coerper den Eindruck, dass die Besatzung von Mariupol zwar nicht richtig, aber gar nicht so schlimm sei.

Auch dem Journalisten Peter Althaus vom Berliner Kurier verpasst der Beitrag "erhebliche Bauchschmerzen". Zunächst weist er auf X darauf hin, dass eine Einreise aus Russland in die besetzten Gebiete der Ukraine untersagt sei. Das könnte etwa zu Problemen für das ZDF in der Ukraine führen. Doch das sei nicht das Hauptproblem.

Viel mehr kritisiert er, dass der Journalist vor Ort keine Kritik an Russland einfangen könne – schon gar nicht gegenüber einem ausländischen TV-Team. "Menschen, die sich in den von Russland besetzten Gebieten der Ukraine offen als pro-ukrainisch zeigen, werden abgeholt und abtransportiert. Das ist keine hypothetische Möglichkeit", schreibt er.

In Russland, und noch schlimmer in den besetzten Gebieten, wird laut ihm schon allein die Benutzung des Wortes "Krieg" für Russlands Angriffskrieg mit mehrjährigen Gefängnisstrafen bestraft.

Zu der Behauptung, dass man am Theater nicht russisch spielen durfte, meint er: Bis 2022 habe es im ganzen Land russischsprachige Theater gegeben. "Wenn behauptet wird, dass das eingeschränkt oder verboten gewesen wäre, ist das eine glatte Lüge."

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Zudem sei es laut ihm klar, dass Russland nun Milliarden in die besetzten Gebiete steckt, um sich die Sympathien der verbliebenen Bewohner:innen zu sichern. "Der ZDF-Kollege sollte aber wissen, dass Putins Kriegsabenteuer der Grund sind, warum Millionen Russen ohne Heizung dastehen."

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Die zerstörte Stadt Mariupol.Bild: imago images / Sergei Bobylev

Zudem wäre ihm zufolge die wichtigste Aufgabe des Senders gewesen – wenn man schon mal vor Ort ist: "Zu untersuchen, wie viele Massengräber und neue Friedhöfe es gibt."

Das Fazit von Althaus, das auch viele auf X mit ihm teilen: "Statt kritischen Journalismus zu betreiben, wie es anscheinend euer Anspruch war, habt ihr euch von der russischen Propaganda vereinnahmen lassen." Der Beitrag normalisiere die russische Besatzung der ukrainischen Gebiete – ungewollt.

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